Wie nachhaltig ist die FM?

Eigentlich wollte ich heute ein Baustück über unseren Bruder Robert Burns halten. Der Nationaldichter der Schotten. Aber es ist das erste Baustück im neuen Jahr, das erste im neuen Jahrzehnt, und ich möchte heute einen sehr persönlichen Gedankenanstoß über die Veränderungen in diesem Jahrzehnt geben. Ein Jahrzehnt, über das es sich lohnt, auch aus Sicht der FM nachzudenken und den einen oder anderen Impuls in unserer Ausrichtung unserer Arbeit in der Loge und auch in der profanen Welt zu geben.

Begonnen hat meine Arbeit, bevor mir klar wurde, dass ich ein Baustück über Nachhaltigkeit halten möchte. Es hat für mich mit einem Gespräch mit einer deutschen Beraterin für Nachhaltigkeit begonnen. Sie definierte erstmals für mich den Begriff der Nachhaltigkeit in den drei wesentlichen Säulen der Nachhaltigkeit – der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen Nachhaltigkeit, und wir haben uns über die erfolgreiche Entwicklung eines Beratungsproduktes für die Verbesserung der Nachhaltigkeit von Unternehmen unterhalten. Wenige Tage danach übersandte sie mir ein Merkblatt der BaFin der Deutschen Finanzmarkt­­­-Aufsicht zu dem Thema „Zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“. Der Inhalt ist die Bedeutung vom Einbeziehen von Nachhaltigkeitsrisiken in Finanzierungsentscheidungen von Banken und Versicherungen. Also eine staatliche Stelle empfiehlt, Nachhaltigkeitsrisiken zu prüfen, zu evaluieren und in zum Beispiel Kreditentscheidungen mit einzubeziehen. Für mich ein Zeichen, dass ich im Bereich Nachhaltigkeit vom Wissensstand sehr weit nachhinke und dem derzeitigen Diskurs über Klimawandel und CO2-Neutralität nicht wirklich folgen kann.

Ein Buch, das ich vor einigen Jahren zu dem Thema kaufte, ist mir spontan eingefallen – Jeremy Rifkin „Die Dritte Industrielle Revolution“. Es lieferte für mich eine gute Erklärung für die derzeitigen und kommenden Entwicklungen zum Thema Nachhaltigkeit.

Rifkins Konzept der „Dritten Industriellen Revolution“ ist mittlerweile das Konzept für die Gestaltung der Zukunft, und viele Klimaschutzmaßnahmen lassen sich auf seine Konzeption zurückführen.

Rifkin sieht als Faktoren für eine industrielle Revolution jeweils ein Zusammentreffen von Kommunikations- und Informations-technologie auf der einen Seite und der Bereitstellung von Energie auf der anderen.

Die erste Industrielle Revolution befeuert durch Kohle und Dampf, die zweite durch Energie erzeugt aus Öl, Kohle und Atomkraft die Kommunikation Telefon, Fax, Fernschreiber. Besonders wichtig dabei ist für Rifkin, das bei beide Entwicklungen die Energie zentral hergestellt und verteilt wurde (Kohleabbau, Raffinerien oder Atomkraftwerke). Auch die Kommunikation und Informationstechnologie lag in zentralen, teilweise staatlichen Händen wie Post, Telefon.

Die dritte Industrielle Revolution ist im Bereich der Kommunikation bereits zu einem großen Teil verwirklicht. Mit dem Internet und all seinen Möglichkeiten haben wir bereits den ersten Faktor dieser dritten Revolution der Industrialisierung erfüllt. Dabei geht es aber nicht nur um die neue Kommunikationstechnologie, sondern vor allem um die Organisationsform. Nicht mehr zentrale hierarchisch organisierte Unternehmen dominieren die Technologie, sondern die Information wird dezentral gespeichert und verarbeitet – und ich spreche dabei nicht von Internet-Riesen, wie Google, Amazon oder Facebook, sondern von der Grundfunktion. Wikipedia ist großartiges Beispiel dafür – früher gab es Lexika in fast jedem Haushalt –, mittlerweile wird Information nicht mehr zentral zusammengetragen und geprüft, sondern dezentral zusammen-getragen und von ebenso vielen Lesern redigiert.

Die 5 Säulen der Dritten Industriellen Revolution sind laut Rifkin:

  • Umstieg auf erneuerbare Energie
  • Umwandlung des Baubestandes in Mikrokraftwerken – Energie wird vor Ort erzeugt – wie bereits in London bei Neubauten vorgeschrieben.
  • Einsatz von Speichermedien (wie Wasserstoff im lokalen Bereich und bei Energie-Infrastruktur-Knotenpunkten für den Ausgleich von Verbrauchsspitzen
  • Nutzung von intelligenten Stromnetzen, die Einspeisung von Energie in das Netz wird möglich – InterGrid
  • Umstellung der Transportflotten auf kohlenstofffreie Fahrzeuge (Batterie oder Wasserstoff)

Um ein Gefühl zu bekommen, welche Ausgaben-Anteile die Bereiche für die privaten Haushalte und damit um welches Gewicht die Ausgaben für die Wirtschaft haben:

Ein Österreichischer Haushalt hat 2018 im Schnitt

13,5% für Individual-Verkehr

0,8% für den öffentlichen Verkehr

4,7% Energie-Ausgaben im Bereich Wohnen

Die gesamten Ausgaben im privaten Bereich, die von den Maßnahmen nach Rifkin von der dritten Industriellen Revolution beeinflusst werden, sind 19% der Ausgaben eines österreichischen Haushalts.

Zu der Geschwindigkeit der Veränderungen alleine aus meiner Sicht:

Am nächsten Dienstag findet das ersten Gespräch im Deutschen Umweltbundesamt statt, bei dem von uns der Aufbau eines Ratings für die Nachhaltigkeit von Unternehmen ausgeführt wird.

Nachdem es dieses Rating für Unternehmen gibt, wird es möglich Nachhaltigkeitsrisiken bei Unternehmen zu qualifizieren und zu quantifizieren (Fertigstellung in rund einem Jahr).

Entscheidungen für Kredite und Versicherungen von Unternehmen (das Merkblatt BaFin gibt es ja bereits) werden ab diesem Zeitpunkt nur mehr an Unternehmen mit einem entsprechenden Nachhaltigkeitsindex vergeben.

Zu den einzelnen Feldern der Nachhaltigkeit:

Die ökologische Nachhaltigkeit:

Möglicherweise gibt es noch immer Skeptiker über Klimawandel und die Erderwärmung auf Grund der Energiegewinnung durch fossile Brennstoffe (Erdöl und Kohle) und den damit verbunden CO2 Ausstoß.

Am überzeugendsten war für mich die Anhörung eines Forschers des US-amerikanischen Ölkonzerns EXXON im Oktober letzten Jahres vor dem US-Kongress. Dieser Forscher gehörte in den 70er Jahren einer internen Klimaforschungsgruppe von EXXON an. Dabei wurde die Erderwärmung für das Jahr 2020 unter Berücksichtigung des steigenden Verbrauchs von fossilen Brennstoffen vorausberechnet, und diese Forschergruppe hat die derzeitige Erderwärmung auf das Zehntelgrad genau berechnet.

Die ökonomische Nachhaltigkeit

Die ökonomische Nachhaltigkeit war für mich bis zur Zusendung des Merkblattes der Bafin am klarsten formuliert und überprüfbar. Es gibt vereinfacht gesagt Businesspläne, Ressourcen-Planungen, Budgets und Monatspläne. Laufend werden die Ergebnisse erhoben. Wenn nachhaltig ein Ertrag erwirtschaftet wird, ergibt sich daraus die ökonomische Nachhaltigkeit eines Unternehmens.

Die soziale Nachhaltigkeit:

Ein spannender Bereich, der auf der einen Seite mit den Auswirkungen der dritten industriellen Revolution zusammenhängt – wie bereits angesprochen, sind davon 20% der Ausgaben der privaten Haushalte betroffen –, Energie, individueller und öffentlicher Verkehr werden sich massiv verändern. Firmen, die wir heute als prestigeträchtigsten Konzerne kennen, werden diese Veränderungen trotz großer Anstrengungen nicht umsetzen können. Dieter Zetsche hat 2010 den Einstieg in die Serienfertigung von Brennstoffzellen in Autos von Mercedes für 2015 versprochen. Letztes Jahr hat Mercedes den ersten GLC auf den Markt gekommen. Porsche ist in den USA mit seinem Model Taycan zum schlechtesten E-Auto gekürt worden.

Auf der anderen Seite die rasante Entwicklung der Automatisierung: die neue U5 wird die erste fahrerlose U-Bahn in Wien, und in Kalifornien fahren bereits die ersten LKWs autonom. Aber auch in anderen Bereichen wie bei Banken, Versicherungen wird es durch die Internet-Technologie und durch Automatisierungen zu massivem Abbau von Stellen kommen.

Die Nachhaltigkeit der FM

Die FM ist in die erste industrielle Revolution (1769) hineingeboren. Die Erklärung der Menschenrechte (1789) und die Umsetzung des Grundsatzes der französischen Revolution waren Aufgaben der FM und sind es bis heute.

Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit sehe ich die größten Notwendigkeiten für uns FM, daran zu arbeiten.

Die Abschaffung von hierarchischen Machtstrukturen und die Verteilung der Macht der Energieerzeugung – praktisch eine Demokratisierung und die kostengünstige Bereitstellung von Energien, stellen eine positive Entwicklung für die Gleichheit der Gesellschaft dar.

Eine Herausforderung stellt die Verwerfungen des Arbeitsmarktes dar. Klaus Woltron hat einmal ausgesprochen, dass Wachstumsmanagement die wichtigste und schwierigste Aufgabe für Unternehmer ist – für Politiker gilt dies auch. Die Signale sind klar. Sowohl in der EU – Ursula von der Leyen spricht vom Europa, dem klimaneutralen Kontinent – als auch in der neuen Regierungserklärung: in Österreich gibt es 1 Mio. Dächer mit Solarenergie.

Diese Entwicklung wird zu einer Neudefinition von Arbeit, Bezahlung und Leistung führen, vor allem auch die Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Inhalt des Lebens jedes Einzelnen und damit auch zu einem Wertewechsel in der Gesellschaft.

Die FM war und ist immer eine Gemeinschaft der Vordenker gewesen, lasst uns deshalb gemeinsam an diesen Veränderungen arbeiten, die Veränderungen der Rechte, die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen in einer sich rasch veränderten Zeit mitgestalten und mitdenken. Lasst uns gemeinsam einen positive Zugang zu Veränderungen finden und diese Veränderungen – jeder für sich – positiv mitgestalten als Teil einer progressiven und weiterdenkenden Gemeinschaft.

Vor der Diskussion möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen:

Der Schaffner auf meiner heutigen Reise mit der Bahn nach Linz hat mich spontan auf ein ganz wichtiges Element in der Diskussion angesprochen.

Wir alle hören, was wir hören wollen. Es geistern Geschichten durch die sozialen Netze:

Über den CO2 Ausstoß bei der Batterien-Produktion von Elektro-Autos. Sie sind genau so hoch wie der CO2 Ausstoß eines Mittelklassewagens mit 6 Litern Verbrauch auf 120.000km.

Die Diskussion von der Unmöglichkeit, verunfallte Elektro-Autos zu entsorgen.

Oder der Versuch mit autonomen Bussen in Wien, der gestoppt wird, weil eine Frau Handy lesend in den Bus gelaufen ist.

Ich möchte euch nur daran erinnern, dass die Menschen bei der Einführung der Eisenbahn in den USA panische Angst vor der atemberaubenden Geschwindigkeit von 15 m/h hatten.

Fliegen, Fleisch essen, Plastik verwenden: Das alles ist nicht nachhaltig – und wer es trotzdem tut, kann sich nicht glaubwürdig für Klimaschutz einsetzen. Oder? Ich finde: Ganz so einfach ist es nicht.

Die Klimaveränderung und ihre Folgen sind bereits heute deutlich spürbar. Überflutungen, Artensterben und die letzten Hitzesommer weisen darauf hin, dass die Erderwärmung ansteigt – deutlich schneller als bisher angenommen. Höchste Zeit, dass etwas getan wird.

Wer etwas tut, wird kritisiert

Doch wer etwas tut, muss mit Kritik rechnen. So wie die Aktivistin Greta Thunberg, die ihren Reiseproviant auch schon in Plastiksackerln eingepackt hat. Ihnen wird Doppelmoral vorgeworfen, weil sie Nachhaltigkeit predigen, diese aber selbst nicht zu 100 Prozent leben – und das ist ein Problem.

Denn die Annahme, dass sich nur diejenigen glaubwürdig fürs Klima einsetzen dürfen, die ökologisch einwandfrei leben, ist falsch, unrealistisch und noch dazu gefährlich. Sie suggeriert, dass das Engagement für Klima- und Umweltschutz eine Sache radikaler Ökos und Nachhaltigkeits-Perfektionistinnen ist. Sie suggeriert, dass man als Normalbürgerin keinen Anspruch darauf hat, von der Politik ein Plastik-Verbot zu verlangen, solange man sein Müsli in der Plastikverpackung kauft. Und weil man nichts mehr richtig machen kann, führt diese Annahme bei vielen Menschen dazu, es gleich ganz bleiben zu lassen.

Schlusswort:

Jeder Schritt zählt

Das Credo „ganz oder gar nicht“ funktioniert bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht. Klar: Selbst vollkommen unnachhaltig zu leben, ohne jegliche Bereitschaft zu Veränderung, ist unglaubwürdig und zu wenig. Aber wir müssen nicht alles sofort perfekt machen. Gar nichts zu tun, ist in diesem Fall deutlich schlimmer, als wenigstens ein bisschen etwas zu tun.

Jeder Schritt schafft Aufmerksamkeit. Und je mehr Menschen Bescheid wissen und auf Veränderung pochen, desto mehr Druck können wir auf politische Akteure und EntscheidungsträgerInnen ausüben. Jede Person mehr, die auf Fleisch verzichtet oder das Auto stehen lässt, erhöht die Chance darauf, dass Gesetze und Regelungen erlassen werden, die den Klimawandel aufhalten und die Dritte Industrielle Revolution anstoßen können.