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Digitalisierung der FM – Chancen und Risiken

Wir drei Lehrlinge fühlen uns geehrt zu einem Thema, das viele von uns in den letzten Wochen besonders beschäftigt hat, eine Zoom Runde zu gestalten. Die ursprüngliche Vorgabe war: 3 kurze 5minütige, dann 7minütige Referate, experimentell vorgehen, Visualisierung ausprobieren. Dann wurde das doch eingeschränkt, keine Breakout Räume, nicht zu viel Seminarcharakter. Es bleibt, unser Vortrag ist im Spannungsfeld: – RA vs profane Seminararbeit – Einzelbaustücke vs Teamarbeit Auch wir drei waren uns nicht immer einig, wie wir das sehen sollen.

Das Programm von heute:

1. Nach der Globalisierung endlich die Digitalisierung? (Hans)

2. Wozu brauchen wir Deckung? (Birgit)

3. Verschwiegenheit? (Ernesto)

Anschließend Diskussion nach den neu ausgegeben Regeln.

Nach der Globalisierung endlich die Digitalisierung?

Meine letzte RA war am 20.2., am 17.3. kam es zum Shutdown, am 16.4. haben wir uns in einer Zoom Runde getroffen. Aus meiner ganz persönlichen höchst subjektiven Sicht war das kein sehr erfolgreiches Meeting. Aus einer Runde von Schilderungen persönlicher, familienintimer Erlebnisse, wurde plötzlich eine Diskussion auf politischer Ebene, in der sich einige verteidigen mussten, warum es im Shutdown mit den eigenen Kindern zu Spannungen kommen kann.

Der Gedanke, der mir durch den Kopf schoss: Erste bei der Globalisierung, letzte beim Umgang mit Digitalisierung! Globalisierung und Digitalisierung sind ja die beiden wichtigsten Treiber, die immer wieder genannt werden, wenn wir versuchen die Veränderung der Welt zu erklären. (Finanzkrise, COVID19, … – Szenarientechnik, andere Treiber: Urbanisierung, Individualisierung, Mobilität, …) Das Ziel meiner kurzen Ausführungen hier ist, die Notwenigkeit und umfangreichen Möglichkeiten der Digitalisierung für die FM aufzuzeigen und die Dringlichkeit zu umreißen, neue Wege in einem test-and-learn Verfahren einzuschlagen.

Ich nähere mich dem Thema als Lehrling, der bisher die eigene Rezeption und 7 RAn erlebt hat, der sozusagen im Hineinwachsen in die Gemeinschaft und ihre Bräuche steht. Das hier teilweise eine Außensicht einnehme, ist dabei unvermeidlich.

Und wohl gewollt. Wir Lehrlinge tragen nun zu einem Thema vor, das aus meiner Sicht zentral für ein erfolgreiches Weiterbestehen der Gemeinschaft ist. Denn, die Außenwelt hat sich massiv verändert, und verändert sich noch weiter und, wie sagte ein bekannter Manager:

„If the rate of change on the outside exceeds the rate of change on the inside, the end is near.” – Jack Welch

In zwei Punkte möchte ich meine Ausführungen gliedern: 1. Globalisierung, 2. Möglichkeiten Digitalisierung

1. Globalisierung

Habe die Geschichte nicht tiefgehend studiert, aber es ist doch sehr beeindruckend, was bei der Gründung vor 300 Jahren los war.

Frühe Globalisierung der FM:

1375 „Free Mason“ 1736 Schottland 1717 24. Juni, London 1737 Hamburg 1723 Old Charges 1738 Frankreich /1688?) 1728 Madrid 1741 Wien 1730 Irland 1746 Venedig 1731 Florenz 1780 USA

Die FM haben die Werte der Aufklärung in die Welt hinausgetragen, Franzosen (Marquis de Lafayette), Preußen (Friedrich Wilhelm von Steuben) mit Benjamin Franklin haben die amerikanische Unabhängigkeit beeinflusst.

Und natürlich die Ideen hinter Französischen Revolution.

Die zentralen Figuren von damals werden als gleichgesinnte Idealisten beschrieben, die Ideen in den Mittelpunkt ihres Tuns stellten:

Humanität, Freiheit, selbstständiges Denken, verantwortliches Handeln.

FMei scheint weniger eine straffe Organisation gewesen zu sein, als eine Bewegung und ein Netzwerk Gleichgesinnter.

Heute: weltweit 6 Millionen Freimaurer, 15.000 in Deutschland (Prolog zum Buch „Freimaurer: Wie sie die Prinzipien…“, 2020)

FM hat (1) sich selbst damit „globalisiert und hat (2) zumindest die frühe Globalisierung der Neuzeit wesentlich beeinflusst (auch wenn das damals nur die westliche Welt war).

2. Möglichkeiten der Digitalisierung

Wie war mein erster Eindruck als Lehrling dazu? Ein sehr verschwiegenes Netzwerk. Nur bestimmte Leute erzählen bestimmte Dinge. Tiefgehende Interviews, man nimmt sich Zeit für die Aufnahme. Auf bestimmte Prinzipien wird man eingeschworen. Vor allem: Niemals jemanden aus der Deckung bringen. Aber dann: ungeschützter Emailverkehr. Auch mit vertraulichen Dokumenten im Anhang. Und vor allem: eine ungeschützte Website der LGL (http://www.liberale-grossloge.org/).

Aber großartig ist die Datenbank mit den BS, einfach abrufbar, leider auf ungeschützter Website.

Der Begriff Digitalisierung bezeichnet „etwa seit den 1970er Jahren das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate und ihre Verarbeitung oder Speicherung in einem digitaltechnischen System.“ (Wikipedia)

SEIT DEN 1970ER JAHREN. ALSO FAST 50 JAHREN!

Ich versteh, dass man sich dagegen wehrt und nicht in die Beliebigkeit einer sich immer weiter standardisierenden Welt abgleiten will.

Die Frage ob das ein Fluch oder Segen ist, ist aber müßig. Die Welt da draußen hat sich verändert und das ist die Rahmenbedingung.

Wir können nur das Beste draus machen. Dazu aber müssen wir der Digitalisierung positiv gegenüberstehen und die Chancen und Möglichkeiten suchen. Zum Beispiel:

1. Kommunikationsplattform wie Slack

2. Videokonferenzen

3. Chatsysteme

4. Diskussionsforen

5. E-Learning, Schulungen (Lehrlings- und Gesellenunterreicht)

6. öffentliche Veranstaltungen

7. virtuelle Rundgänge in Museen

8. Ansprache neue Mitglieder, Verjüngung

9. Transparenz

10. sicherer Datenaustausch

11. weltweites Netzwerken

Netzwerk, Bewegung – hochmoderne Begriffe, die sich gerade aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten wandeln.

Interessant dazu, ein neues Buch aus Deutschland:

Freimaurer: Wie Sie die Prinzipien des erfolgreichsten Netzwerks der Weltgeschichte für Ihre Persönlichkeitsentwicklung nutzen (Deutsch),

Gebundene Ausgabe – 18. Februar 2020 von Jan Snoek Prof. Dr. (Autor), Werner H. Heussinger (Autor), Heike Görner (Autor), Ralph-Dieter Wilk (Autor)

Eine Ansage von Geschwistern in Deutschland, die ANDERS ist:

• Offensiv Mitglieder werbend

• Moderne Business Terminologie

Im Vergleich zu: „Erkenne dich selbst – beherrsche dich selbst – veredle dich selbst“

„Am rauen Stein arbeiten“

„Weisheit gründe den Bau, Stärke führe ihn aus, Schönheit ziere ihn!“

Neue Technologien und neue Sprache versus alte Rituale – ist das ein Spagat, den wir überbrücken können?

Diese Frage kann man wohl nur nach einer Antwort auf die Frage des WARUM beantworten. Warum gibt es uns? Warum tun wir was wir tun? Was ist der ZWECK der FM?

Und hier kommt Sr Ernas Bild zum Tragen:

Der FM aus dem 18. Jht, würde er hierher gebeamt, er sollte sich hier zurechtfinden.

Das steht frontal im Spannungsfeld zu dem, was uns blühen könnte:

Eine RA im virtuellen Raum mit VR Brille!

Schlussworte.

Meine (vorläufige) Einschätzung Ich bin ja ein Managementdenker. Habe gelernt, jede Organisation in 3 Dimensionen zu sehen.

Struktur: klar strukturiertes, komplexes dezentrales System

Kultur: höchst vielfältig, Welt der Symbole und Rituale, Umgangsformen, Erkennungszeichen

Strategie: Wohin wollen wir? Deutsche FreundInnen scheinen mit in moderner Sprache úm Mitglieder zu werben (siehe Buch oben). Aber was wollen wir? Haben wir auch kurzfristige Ziele? Da weiß ich zu wenig. Aber was ich jedenfalls nicht sehe, ist eine klare Strategie zum Umgang mit Digitalisierung.

Aus meiner Sicht ist es keine Frage des Wollens! Wenn die Welt komplexer wird, muss man selbst auch komplexer werden. Ich meine, wir kommen nicht umhin, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen und uns damit zu transformieren!

Ernas Bild gefällt mir gut, vom FM des 18. Jhts, der sich auch hier und heute zurechtfinden soll. Denn der große allgemeine Zweck – „Frei von Vorurteilen an einem Gebäude der Menschlichkeit arbeiten“ – hat sich nicht verändert in den letzten 300 Jahren verändert:

Humanität, Toleranz, Kosmopolitismus, Gewissensfreiheit, Pluralismus.

Soll eine Rituelle Arbeit im virtuellen Raum stattfinden?

Nein, für mich im Moment unvorstellbar!

Der Mensch, ein Wesen auf der Suche nach dem Sinn, ist auf seine Sinne angewiesen und braucht Rituale – um sich zu sammeln, zu sich selbst zu finden, sich in eine Gruppe einzufügen, mit anderen zu arbeiten.

Hier liegen wohl auch die Stärken der FM!

Soll sich die FMei digitalisieren?

Ja! Unbedingt. Dafür, meine ich, benötigt sie eine klare Strategie! Auch wenn wir dann langsam und schrittweise vorgehen werden.

Wozu brauchen wir Deckung?

Wenn wir von Deckung reden, dann meinen wir Verschiedenes:

1. Deckung als Synonym für die Anonymität eines Bruders, einer Schwester über die Mitgliedschaft beim Bund, im weitesten Sinne meinen wir also Verschwiegenheit.

 2. Im Ritual tragen die Aufseher Sorge dafür, dass die Loge gehörig gedeckt ist.

3. Deckung heißt aber auch, die Loge zu verlassen.

Angesichts der Dringlichkeit des Themas, möchte ich mich auf die ersten beiden Punkte konzentrieren. Denn darum geht es.

Deckung hat mit der altenglischen Tradition des Tylors (des Dach- oder Ziegeldeckers) zu tun. Er war für die ‚Deckung’ der Loge verantwortlich (und übrigens auch für die Kreidezeichnung am Boden). Er war es, der den letzten Dachziegel von außen auflegte, wenn alle Brüder in der Loge waren. Tat er das nicht, weil z.B. nicht alle anwesend waren, befand man sich eben ‚unter freiem Himmel’.

Die Alten Pflichten von 1723 geben uns über das Betragen in Gegenwart von Fremden, welche nicht Maurer sind, vor: Ihr sollt in Reden und Betragen vorsichtig sein, dass auch der scharfsinnigste Fremde nichts zu entdecken vermöge, was nicht geeignet ist, ihm eröffnet zu werden. (Zuweilen müsst ihr auch ein Gespräch ablenken und es klug zur Ehre der Ehrwürdigen Bruderschaft leiten.)

Das Reden und Betragen im digitalen Raum ist aber so gut wie immer ungeschützt. Facebook, E-Mails, WhatsApp, ja auch Zoom sind offene Bücher für jeden, der sich etwas besser mit IT-Technik auskennt. Und wenn es nur jeden für sich betreffen würde, könnte man unsere Unvorsichtigkeit damit rechtfertigen, dass natürlich jeder für sich entscheiden kann, ob er oder sie seine oder ihre Mitgliedschaft offenlegt. Aber jede Nachricht, die wir einander schreiben, richtet sich zumindest an ein anderes Mitglied. Wenn diese Nachricht, und sei es auch nur die Kontaktdaten und ein Betreff, der masonisch konnotiert ist, – vom Inhalt gar nicht zu reden – von Fremden mitgelesen wird, ist die Deckung unserer Geschwister schon nicht mehr gewährleistet. Und wir haben doch aber versprochen, unverbrüchliches Schweigen zu bewahren. Schließlich geht es nicht nur um uns als Einzelperson. Es geht auch immer um den Anderen.

Diesem Teil des Gelöbnisses gerecht werden und ihn in Einklang mit unserer Kommunikation zu bringen, ist ein Anspruch, den ich noch nicht gänzlich verstanden habe. Ich möchte dann später mit Euch diskutieren, wie er zu verstehen ist.

Mit der Digitalisierung haben die Gefahren ja nicht abgenommen. Problematisch sehe ich aber nicht nur die digitale Kommunikation.

Stellen wir uns vielleicht folgendes vor:

In 2 bis 3 Monaten treffen wir uns wieder physisch in unseren Räumlichkeiten. Obwohl wir alle Maßnahmen einhalten, also Desinfektionsmittel bereitstellen, Abstand halten – wobei die Frage ist, wie das Ritual dann in seinen Einzelheiten durchgeführt werden kann? – und Handschuhe tragen, kommt es in der Folge unseres Treffens zur Verbreitung einer Corona-Infektion bei Zweien von uns. Die Gesundheitsbehörden müssen alle Personen, mit denen Infizierte innerhalb der letzten 2 Tage Kontakt hatten, verständigen, damit sie sich in Quarantäne begeben. Dazu werden die Handydaten der Infizierten ausgewertet. So gelangen die Kontaktdaten von uns allen, die bei diesem Treffen waren, in die Hände des Gesundheitspersonals, das zweifellos zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Doch überall, wo Daten gespeichert werden, werden sie auch missbraucht, sagte mir schon vor Jahren ein befreundeter IT-Experte.

Anderes Szenario: Jemand von uns ist mit einem Wirtschaftstreibenden befreundet, der in der Baubranche eine bedeutende Stellung hat. Irgendwann übernimmt man für ihn als Freundschaftsdienst einen Gesellschaftsanteil. Damit ist keine Arbeit verbunden, man hält ihn nur treuhändig. Als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dem Wirtschaftsboss Betrug und Untreue in Millionenhöhe vorwirft, weil er Geschäfte mit mehreren Liegenschaften und Gesellschaftsanteilen getätigt hat, ist sich die WKStA sicher, dass er das alles nicht allein gemacht haben kann, dazu brauchte er Berater, Manager, Geschäftspartner. Es kommt zu Hausdurchsuchungen bei allen, denen der Oberstaatsanwalt habhaft wird, auch bei unserem Bruder oder unserer Schwester. Der PC wird mitgenommen, auf diesem befindet sich die Mitgliederliste unseres Vereins – wohlgemerkt unverschlüsselt. Es werden in der Folge auch E-Mail-Korrespondenzen ausgewertet, dabei werden unsere Arbeitstafeln, Protokolle und Rituale zum Ermittlungsakt genommen. Ich weiß, dass das bereits passiert ist.

Und dann lesen wir Schlagzeilen in der Zeitung, dass H. C. Strache in seinen kruden Verschwörungstheorien die Israelitische Kultusgemeinde, die ÖVP und Freimaurer für den Ibiza-Skandal verantwortlich macht.

Und jetzt ein Blick in meine Welt: Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei, die politisch und gesellschaftlich auf der mir diametral entgegen gesetzten Seite positioniert ist. Meine Chefs und ich akzeptieren einander, vertrauen tun wir uns nicht. Wenn die auch noch wüssten, dass ich dabei bin, ist meine Karriere vermutlich beendet.

Wir brauchen gar nicht weit zurückschauen, um zu erkennen, dass Verfolgung und Repression ganz präsent sein können. Deshalb empfinde ich die äußere Deckung als notwendiges Kriterium.

Meines Erachtens ist sie aber auch Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine innere Einstimmung finden können. Die alltäglichen Gedanken und Sorgen abzustreifen, das Draußenliegende draußen zu lassen. Und mich stattdessen auf die Gemeinschaft und das Erlebnis zu fokussieren, auf das vertrauensvolle Beisammensein, auf die Ziele, die wir mit der Arbeit erreichen wollen: Das Herz zu erwärmen und den Geist zu erhellen.

Die neuen Pflichten drücken es prägnant aus:

(In der Loge sollt Ihr frei von den Bedrängnissen des Alltags die Sammlung finden, um unvoreingenommen und gemeinsam mit Euren Brüdern die wichtigen Fragen Eurer Gegenwart und Eurer Gesellschaft zu behandeln.) – Die Deckung der Loge erlaubt Euch, Eure Ansichten ohne Rücksicht auf profane Bindungen zu äußern, die Bruderschaft wird immer bereit sein, sich mit Euren Meinungen zu befassen.

Wenn aber die äußere Deckung nicht gegeben ist, kann meines Erachtens auch keine innere Deckung hergestellt werden. Wenn man nicht sicher sein kann, dass das Gesagte auch tatsächlich verschwiegen bleibt, ist eine vertrauensvolle Öffnung nicht möglich.

Zusammenfassung:

Die maurerische Deckung ist eine Verantwortung gegen uns selbst und gegen die Geschwister. Die Deckung ernst nehmen, heißt auch Digitalisierung mitzudenken. Was uns im analogen Umgang selbstverständlich ist, nämlich, dass man in Anwesenheit von Profanen keine maurerischen Gespräche führt oder, dass wir von Geschwistern nicht sagen, dass sie beim Bund sind, sollte auch in der digitalen Welt gelten.

Fragen für die virtuelle Diskussion:

Welche Verantwortung tragen wir überhaupt für die Deckung der anderen Mitglieder? Ist es mit unserem Gelöbnis vereinbar, dass wir unsere E-Mails unverschlüsselt versenden oder über einsehbare Messenger-Dienste kommunizieren oder Gruppeninterna ungeschützt auf unseren Rechnern liegen lassen?

Schlusswort:

Die Deckung bildet zwar ein Dach, das einigermaßen Schatten spendet und leidlich gegen den Regen, aber nicht gegen die Zugluft schützt.

(unbekannt)

Weisheit im Leben

Wolfgang T.

Ich möchte heute über Weisheit im Leben und die Wege dorthin mit Hilfe der FMei sprechen:

„Weisheit gründe den Bau“ haben wir vorhin vom MvSt. beim Entzünden der 3 kleinen Lichter gehört. Und wir wissen: der MvSt ist nicht nur eine Person – in diesem Fall Br. Peter – der MvSt. der Loge ist auch ein zentrales Symbol in der FMei. Für uns symbolisiert er das Licht, das gleich der Sonne aus dem Osten heraus die Loge erleuchtet. Als Organisator und Planer fungiert der MvSt. quasi als Vertreter des GBAW in der Loge. Und diesem zentralen Symbol, dem MvSt. ist auch die Säule der Weisheit zugeordnet. Das lässt erkennen, welch hoher Stellenwert dem Begriff der Weisheit in der FMei zukommt.

Und dies von allem Anfang an: erinnern wir uns auch an die Aufforderung des MvSt. bei der Rezeption nach der ersten Reise: „Erkenne Dich selbst! – Unbeirrt durch den Lärm der Welt wandelt der Weise seinen Weg zu Wissen und Wahrheit, fest und kühn in den Stürmen des Lebens, hohe Ziele im Sinne. Aus Selbsterkenntnis erwachse auch Ihnen einst solche Weisheit!“

Es gehört somit zu den Aufgaben und Zielen des Freimaurers, durch Selbsterkenntnis Weisheit im Leben zu erlangen. Um sich selbst zu vervollkommnen und um dem eigenen Umfeld menschlich und geschwisterlich zu begegnen und derart als kleines Rädchen zum Fortschritt der Menschheit beizutragen.

Doch was bedeutet eigentlich Weisheit? Es gibt unzählige Definitionen und Konzepte dazu, die sich in der Regel in den Spannungsräumen zwischen Rationalität und Intuition, Wissen und Glauben sowie zwischen Erfahrung und Instinkt bewegen:

Übereinstimmung herrscht in der Ansicht, dass Weisheit von geistiger Beweglichkeit und Unabhängigkeit zeugt: Sie befähigt ihren Träger, systematisch Dinge zu denken („eine weise Erkenntnis“, „ein weiser Entschluss“, „ein weises Urteil“), zu sagen („ein weises Wort“, „ein weiser Rat“) oder zu tun („ein weises Verhalten“).

Irgendwie weiß ja jeder von uns, was in etwa mit Weisheit gemeint ist, auch wenn es sich so mannigfaltig definieren lässt. Nicht weise ist es jedenfalls, von sich zu behaupten, weise zu sein. Und beim Gegenteil von Weisheit, bei der Dummheit tut man sich mit dem Definieren auch viel leichter! Von Weisheit muss auch Wissen unterschieden werden. Wissen kann ich erwerben, weise muss ich werden. Wissen ist immer unbescheiden. Um Wissen zu wollen, muss ich auch unbescheiden sein, muss an die eigenen Grenzen stoßen und darüber hinaus. Weisheit hingegen ist bescheiden. Man kann sich nur bemühen, weise zu werden und diese Weisheit auch zu leben. So dürfte die Zielsetzung „Weisheit im Leben“ wohl auch gemeint sein. Werde weise und lebe danach.

Und wie wird man weise? Und inwiefern kann uns die Freimaurerei dabei eine wesentliche Hilfe sein? Liebe Geschwister, lasst mich nun einen möglichen Weg zu Weisheit an Hand von fünf Prinzipien mit Euch gehen. Diese wurden von der an der Universität Klagenfurt lehrenden Entwicklungspsychologin Judith Glück in ihrem Buch „Weisheit: Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens“ aufgestellt.

Das Buch und diese Prinzipien haben mich bei meinen Recherchen zu diesem Baustück besonders angesprochen, weil es eigentlich alles für mich in leicht verständlicher Form subsumiert, was ich auf meiner Suche nach den Parametern für den Weisheitsbegriff gefunden habe.

Ich möchte Euch diese 5 Prinzipien nun kurz vorstellen, um danach zu versuchen, unseren freimaurerischen Bezug dazu herauszuarbeiten:

Das erste Prinzip lautet: Offenheit

Weisheit kann sich nur dann entwickeln, wenn wir bereit sind, uns selbst kritisch gegenüberzustehen und auch zu verändern. Wenn wir neuen Erfahrungen nicht mit einer bereits vorgefassten Sichtweise begegnen, die wir gerne beibehalten, sondern wenn wir auch willens sind, uns überraschen, beeindrucken und auch verändern zu lassen.

Lässt sich Offenheit anderen Menschen gegenüber trainieren? Das geht: ich suche mir eine Person aus, die mir ziemlich fernsteht, beispielsweise ein Kollege im Beruf, der auf mich wenig sympathisch und abweisend wirkt, oder jemand aus der Verwandtschaft, zu dem ich – warum auch immer – keinen besonderen Zugang habe.

Versuche ich ganz gezielt, Interesse an diesem Menschen zu zeigen, kann vielleicht schon allein durch eine solche Interessensbekundung meinerseits eine ganz neue Art des Kontakts entstehen. Man versteht vielleicht auch das bisherige Verhalten des anderen besser. Oder es ändert sich auch nichts und man wird in seinem negativen Eindruck bestätigt. Auf jeden Fall hat man die Möglichkeit zugelassen, eine eigene vorgefasste Meinung von einem anderen Menschen durch eigene Offenheit zu verändern.

Das 2. Prinzip: Der gute Umgang mit Gefühlen

Gelingt es uns immer, so zu handeln, wie wir es eigentlich gerne würden? Unsere Emotionen immer im Griff zu haben? Man weiß, z.B., dass es sowohl für die Situation als auch für das eigene Wohlbefinden besser wäre, sich nicht über den unhöflichen Kellner    zu ärgern oder dem Teenager der Familie freundlich zu sagen, dass sich das schmutzige Geschirr nicht von alleine abräumt.

Ein Überschießen der Gefühle kann uns daran hindern, ruhig zu überlegen und klar zu denken. Abzuwägen, welche Kollateralschäden ungeregelte Gefühlsausbrüche haben können. Das gilt jetzt nicht nur für den Jähzorn, sondern natürlich auch für alle anderen Gefühls- Regungen. Und natürlich ganz besonders auch für all unsere Begierden! Gier nach Reichtum, nach Anerkennung und anderem!

Doch auch das andere Extrem, das Bestreben, die eigene Gefühlswelt zu stark zu lenken, zu unterdrücken oder zu ignorieren ist keine Lösung und hat höchstens schwere seelische Störungen zur Folge.

Der goldene Mittelweg, der geregelte Umgang mit der eigenen Gefühlswelt erfordert ständiges Bemühen, eigene Gefühle zwar zuzulassen aber diese, der jeweiligen Situation angepasst, zu dosieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von hoher emotionaler Intelligenz, die den weisen Menschen ebenfalls auszeichnen sollte.

Das 3. Prinzip: Einfühlungsvermögen

Liebe Geschwister, wir alle haben von Natur aus eine gewisse Neigung, anders zu empfinden, wenn es um Menschen geht, die wir als anders oder als einer fremden Gruppe zugehörig sehen. Dieses Verhalten hat seine Wurzeln in unserer evolutionären Vergangenheit, wo es einen Überlebensvorteil gesichert hat, die eigene Gruppe zu bevorzugen und andere abzulehnen und zu bekämpfen, besonders bei knappen Ressourcen.

Auch heute wird die Ablehnung anderer Gruppen in unserer Gesellschaft besonders sichtbar, wenn diese uns real oder  vermeintlich etwas wegnehmen könnten. Damit sind jetzt nicht nur Migranten gemeint, sondern auch Angehörige anderer sozialer Gesellschaftsschichten, anderer Obödienzen oder des Nachbarortes – eben einfach Andere!

Und wie einfach ist es doch, in Stereotypen zu denken und zu leben! Schon im Voraus zu wissen, wie diese Anderen denken und handeln und wie sehr mich das von ihnen unterscheidet. Vorurteile zu pflegen und diese immer wieder freudig bestätigt zu wissen. Männer mit Hut fahren ja wirklich schlecht Auto, oder?

Solchen Stereotypen entgegengesetzt wirkt die Bewegung des Diversity Management. Sie trachtet jede Form von Diskriminierung zu verhindern und damit die Chancengleichheit für alle zu verbessern. Dabei steht keine bestimmte Minderheit im Fokus, sondern die Gesamtheit aller Mitmenschen mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Bei den Unterschieden sowohl die äußerlich wahrnehmbaren, wie Geschlecht, Ethnie, Alter und Behinderung, als auch subjektive Unterschiede wie sexuelle Orientierung, Religion und Lebensstil.

Als Schattenseite des Diversity Managements kann es bei Menschen mit starken Verlustängsten zu Verunsicherung, Neid, Orientierungs- losigkeit und dem Wunsch nach einer starken Führungspersönlichkeit kommen.

Der gesellschaftliche Diskurs zwischen den Extremen „mir-san-mir“ und „Gutmenschentum“ polarisiert unsere Gesellschaft heutzutage bei uns, aber auch weltweit. Wie so oft liegt auch hier der Weisheit letzter Schluss in der Mitte und zeichnet sich durch wohlüberlegten Zugang, durch Empathie und Mitgefühl jedem anderen – stets als Individuum betrachtet – aus.

Prinzip Nr. 4: Kritisches Reflektieren

Menschen neigen dazu, auch bei komplizierten Sachverhalten einfachen Erklärungen Glauben zu schenken, das erspart das Denken! So dominieren heute vielfach einfache Lösungen für komplexe Probleme unser Leben. Die Werbung verspricht uns permanent einfache Lösungen, auch in der Politik werden durch Simplifikationen und Verallgemeinerungen Wahlen gewonnen.

Ein kluger Mensch erlebt seine Umgebung aufmerksamer, kritischer und bemüht sich um einen möglichst großen und umfassenden Wissenshorizont. Vermeintlich einfache Problemlösungen machen den kritisch denkenden Menschen eher skeptisch. Bei Konflikten bedenkt er die Komplexität der Hintergründe, weiß, dass es Beteiligte mit unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen geben kann, und dass bei einer allzu einfachen Lösung manche – oft genug Schwächere – auf der Strecke bleiben können.

Schon die Bereitschaft, in alle Richtungen gesprächsoffen zu sein und sich in andere Sichtweisen hineinzuversetzen, kann eine Konfliktsituation so weit beruhigen, dass eine Lösung möglich wird. Diese Weitsicht zeichnet ebenfalls den weisen Menschen aus.

Nun haben wir also schon 4 Prinzipien auf dem Wege zur Weisheit gehört, die ich kurz wiederholen möchte: Offenheit, einen guten Umgang mit der eigenen Gefühlswelt, Einfühlungsvermögen anderen gegenüber und kritisches Reflektieren.

Und nun noch das 5. Prinzip: Die Überwindung der Kontrollillusionen

Was bedeutet das?

Liebe Geschwister, ich bin mit meinem Dasein zufrieden, ich halte mich – bei aller Bescheidenheit – für ziemlich intelligent und sehe mich mit meinen Ansichten meist im Recht.  Und ich bin auch felsenfest davon überzeugt, mein Leben völlig unter Kontrolle zu haben. Und genau das ist eine Illusion – eine echte Kontrollillusion.

Wir Menschen glauben gerne, auch Geschehnisse kontrollieren zu können, die nachweislich absolut nicht beeinflussbar sind. Unsere Gehirne haben sich evolutionsbedingt so entwickelt, dass sie beständig Sinn in allem entdecken möchten und so permanent nach Kausalitäten fahnden.

Und daher glaubt man gerne, alle Dinge müssten stets aus einem bestimmten Grund passieren, den man auch beeinflussen kann. So schätzen Menschen ihre Gewinnchancen beim Lotto viel höher ein, weil sie selbst die Zahlen ausgewählt haben.

Ich kann dafür sorgen, dass es nicht regnet – indem ich den Regenschirm mitnehme! Ich klopfe auf Holz, um etwas nicht zu „verschreien“. Doch eigentlich nährt solches Denken höchstens Aberglauben und Glauben an übernatürliche Phänomene.

Gerade in Zeiten der Unsicherheit und Krisen neigen wir besonders dazu, an übernatürliche Heilsversprechen zu glauben, auch unter Stress schicken wir gerne ein Stoßgebet zum Himmel.

Psychologisch betrachtet handelt es sich bei jedem Aberglauben oder Glauben an übernatürliche Dinge um klassische Kontrollillusionen, die man als kritischer und weiser Mensch selbst erkennen und hinterfragen sollte. Vieles im Leben passiert, ohne dass man es voraussehen könnte. Das soll nicht verunsichern, sondern uns dazu bringen, Geschehenes anzunehmen und uns bemühen, damit entsprechend umzugehen.

 Soweit die 5 Prinzipien nach Prof. Glück auf dem Weg zu Weisheit im Leben. Durch das Zusammenspiel dieser Prinzipien entsteht mit der Zeit eine kontrollierte, distanzierte und reflektierende Haltung allen Dingen im Leben gegenüber, die es uns ermöglicht, quasi von einer Metaebene heraus zu denken, zu sprechen und zu handeln und damit weiser zu werden.

Darüber können wir gerne noch später weiter diskutieren. Doch schauen wir uns zuvor noch kurz an, wie uns die Freimaurerei bei der Persönlichkeitsreifung in Richtung Weisheit helfen kann:

Beginnen wir beim ersten Prinzip:

Offenheit, Selbsterkenntnis und Selbstkritik gehören zu den ersten Dingen, die wir uns als Neophyten und junge Freimaurer-Lehrlinge zu eigen machen müssen. Schon wenige Wochen nach der Aufnahme wird uns als Baustück eine Selbstzeichnung abverlangt. Soweit ich weiß, heißt das bei Euch ein „ich über mich“. Dieses Baustück soll sich auf die eigene Person mit all ihren Eigenheiten und die persönlichen Motive, zum Bund kommen zu wollen, fokussieren.

Man konnte bereits nach wenigen Arbeiten als Lehrling erkennen, wie ernsthaft und tiefsinnig unsere Baustücke und Diskussionen sein können und weiß damit auch die Höhe der Hürde einzuschätzen, die es hier zu überwinden gilt. Nur die wenigsten haben sich vor der Selbstzeichnung überhaupt und wenn – dann sicherlich nicht in diesem Ausmaß und dieser Tiefe – jemals mit der eigenen Person auseinandergesetzt!

Die Integration in die eigene Loge, das Kennenlernen und das Zugehen auf die anderen oft so unterschiedlichen Geschwister stellen ein ideales Übungsfeld zur Vertiefung der eigenen Offenheit dar. Und es fällt natürlich leichter und geschieht viel eher, als ein gesuchtes Gesprächsexperiment mit einer fernstehenden Person, wie Eingangs als Übung zur eigenen Offenheit beschrieben.

Das 2. und das 3. Prinzip, das Beherrschen der eigenen Gefühlswelt und die Empathie für Andere würde ich natürlich vor allem den inhaltlichen Schwerpunkten eines späteren Grades zuordnen wollen.

Doch bemühen wir uns in allen freimaurerischen Graden um einen besonderen Umgang miteinander, einen geschwisterlichen Umgang, getragen von gegenseitigem Respekt und von Empathie.

Dieser besondere Umgang leitet sich schon aus den alten Pflichten ab und wird schon seit Jahrhunderten unter den Freimaurern gepflegt. Als junge Maurer lernen wir ihn kennen und schätzen. Und im besten Falle, diesen respektvollen Umgang auch in der profanen Welt zu leben.

Liebe Geschwister, wo lässt sich das 4. Prinzip, das „kritische Reflektieren“ besser erlernen und beständig üben, als im Tempel? Aktuelle Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen, esoterisch oder profan, vertieft dargelegt in einem Baustück, danach im geschwisterlichen Kreis diskutieren zu können – egal ob aktiv oder passiv – das erweitert den eigenen Horizont, lässt eigene, vielleicht eher enge Sichtweisen in Frage stellen und kann sehr inspirierend wirken. Die freimaurerische Arbeit bereichert die eigene Persönlichkeit im Sinne der Selbstveredelung. Wir müssen das nur zulassen.

Abschließend nochmals zum 5. Prinzip auf dem Weg zur Weisheit, der Überwindung der „Kontrollillusionen“: Ich schicke gleich einmal voraus, dass ich selbst mit diesem Begriff vorerst nichts Konkretes anzufangen wusste. Ich habe bisher meine Kontrollillusionen mehr oder weniger selbstkritisch gelebt und bis jetzt eigentlich gar nicht hinterfragt. So gesehen kann alleine das Verfassen eines Baustückes einen Freimaurer Wissen und Weisheit näherbringen!

Doch gleich einmal ein Beispiel einer klassischen freimaurerischen Kontrollillusion: Ich kenne in der profanen Welt einen möglichen Suchenden, vertiefe diesen Eindruck in Gesprächen mit diesem und komme schließlich zu dem Schluss, dass dieser Mensch gut in die Freimaurerei und besonders in meine Loge passt – und erliege damit gleich einmal einer ordentlichen Kontrollillusion.

Einer Kontrollillusion einer anderen Person und auch meiner Loge gegenüber. Denn im Voraus wissen kann ich es nicht, ob und wie sich mein Kandidat in die Freimaurerei und in die Loge einfügen wird und genauso wenig, ob ihn die anderen Mitglieder akzeptieren werden.

Deswegen gibt es unser Auswahlverfahren mit den 3 Gesprächen, den Berichten dazu und der Ballotage, einer geheimen Abstimmung mit einem extrem starken Minderheitenvotum der 3 schwarzen Kugeln.

Die Teilnahme am Logenleben gibt uns weiteres die Möglichkeit, an Erfahrungen und Schicksalen Anderer teilzuhaben. Quasi aus nächster Nähe zu beobachten und mitzuerleben, wie andere mit erwarteten Herausforderungen des Lebens oder auch unerwarteten Schicksalsschlägen umgehen. Und daraus auch selbst zu lernen.

Dazu ein Beispiel: auch bei beruflich ganz weit obenstehenden Geschwistern hilft die Maurerei, im frm. Leben einfach Mensch und Gleicher unter Gleichen zu bleiben. Das kann einen Pensionsschock, den vermeintlich tiefen Fall aus scheinbaren beruflichen Höhen verhindern oder zumindest nachhaltig bremsen. In meiner Loge konnte ich das schon mehrfach erleben.

Noch drastischer zeigt sich das bei unerwarteten Schicksalsschlägen, wie schweren Erkrankungen. Leider müssen wir auch solche Situationen in unserer Gemeinschaft auch immer wieder erleben, doch lässt einen die Stärke, mit der Betroffene diesen Fährnissen entgegengehen, immer wieder Mut und Hoffnung schöpfen!

Liebe Geschwister, nach etwas mehr als 30 Jahren in unserem Bund frage ich mich heute, ob ich mit Hilfe der Freimaurerei, meiner Brüder, meiner Geschwister und durch meine eigene Arbeit am rauen Stein Wissen und Weisheit im Leben erwerben konnte?

Die Frage ist natürlich falsch gestellt, „erwerben“ konnte ich nämlich nichts! Beständig nach Wissen und Weisheit streben konnte und kann ich und das einzige, was ich in all den Jahren wirklich gelernt habe, ist, immer und konsequent ein Suchender, ein Arbeiter am rauen Stein zu sein, und das hoffentlich bis zu meinem Lebensende!

Dafür, dass ich diese Möglichkeit in unserer maurerischen Welt gefunden habe und auch mit Euch gemeinsam leben darf, möchte ich Euch allen meinen herzlichsten Dank aussprechen!

Und Tage kommen, reuelose. Vom Licht der Rose angesteckt

Die eine Rose

Die eine Rose überwältigt alles,

Die aufgeblüht ist aus dem Traum.

Sie rettet uns vom Grund des Falles.

Schafft um uns einen reinen Raum,

In dem nur wir sind und die Rose.

Und das Gesetz, das sie erweckt.

Und Tage kommen, reuelose.

Vom Licht der Rose angesteckt.

Eva Strittmatter

Der Valentinstag ist nun eine Woche her und ich kann Euch versichern, dass mein Baustück keine Nachwirkung eines liebestrunkenen Einfalls ist.

Die Rose wird seit der griechischen Antike als „Königin der Blumen“ bezeichnet und hat seit jeher die Fantasie und die Sehnsucht der Menschen beflügelt.

Dieses Symbol zu erläutern und seine Bedeutung für mich zu beleuchten, ist heute meine Aufgabe. Zu Eva Strittmatter gibt es eine historisch-geografische Verbindung. Sie lebte wie ich in der DDR. Vielleicht sind der gemeinsamen Geschichte und Landschaft auch eine gemeinsame Melancholie geschuldet.

Die Rose ist bei ihr die Kraft, die alles überwältigt. Ja, sogar eine heilsbringende, rettende Wirkung schreibt sie ihr zu. Sie schafft einen neuen Raum, damit vielleicht neue Perspektiven. Sie kann als eine Verbindung zwischen den Menschen, aber auch als Einigkeit mit sich selbst verstanden werden. Das Gesetz, das sie erweckt, ist die Schöpfung. Sie bewirkt, dass die von fünf Kelchblättern umschlossene Knospe zur Blüte strebt. Und die Tage, die kommen, wenn die Rose in ihrer vollen Blütenpracht erstrahlt, werden ohne Zweifel und Reue sein, kurz gesagt – vollkommen.

In der Freimaurerei ist die Rose Symbol der Schönheit, der Verschwiegenheit und der Sehnsucht des Menschen nach einem neuen höheren Leben.[1]

Schon in alten Initiationsriten wurde der Rose eine mystische Kraft zugeschrieben, die einen verwandeln kann.[2] Wie die physische Rose, die dem Licht entgegen wächst, ist auch die menschliche Entwicklung ein Streben nach Erkenntnis und Entfaltung. Auch wenn die physische Rose vergänglich ist, das Symbol ist unvergänglich. Deshalb ist es auch nicht entscheidend, was wir mit der einen Rose gemacht haben, die uns bei der Rezeption gegeben wurde. Es geht nur um das Wesen der Rose wie es für uns vielleicht darum geht, wesentlich zu werden.[3]

Wesentlich zu werden, bedeutet: Der Mahnung an den Lehrling zu folgen – in sich zu schauen – das eigene Wesen zu schauen – die eigene Wesenhaftigkeit zu erkennen.

Im 2° findet dies vielleicht die Fortsetzung im – um sich zu schauen – vielleicht meint dies ein Wachstum von der Knospe zur Blüte – in achtsamer Verbundenheit mit dem, was einem umgibt.

Und das – Schaue über Dich – bedeutet vielleicht, der eigenen Bestimmung gewahr zu werden – und ihr zu folgen.

Die Bestimmung der Rose ist das Erblühen.

Die Bestimmung der Rose ist auch das Verblühen.

Zumindest diese zweite Bestimmung teilen wir mit der Rose.

Die erste Bestimmung – das Erblühen – möge uns gelingen.   

In der Freimaurerei spielt die Rose eine besondere Rolle. Die Rose begleitet uns von der Aufnahme bis wir in den ewigen Osten abberufen werden. Die rote Rose im Besonderen fordert uns auf, sittlich Gutes zu erkennen und auch in die Tat umzusetzen.[4] Die Rose steht für die Liebe selbst sowie für die Sehnsucht nach wahrer und gelebter Humanität und der Suche danach.

Die Sehnsucht

Die Suche ist überhaupt ein zentrales Element des freimaurerischen Selbstverständnisses, wobei Ziel und Inhalt der Suche durch die Freimaurerei nicht vorgegeben werden, sondern dem Einzelnen überlassen bleiben.[5] Die Suche ist Teil der Arbeit am rauen Stein und steht für Persönlichkeitsentwicklung mit offenem Ziel.[6] Im Mittelpunkt der spirituellen Dimension stehen Suche, Wege, Zugangsweisen und Hilfsmittel, aber nicht Endprodukte der Persönlichkeitsentwicklung.[7] Die Arbeit an sich selbst ist offen, sowohl was Mittel als auch das Ziel betrifft. Diese Spannung auszuhalten und dennoch weiterzuarbeiten erfordert ein „Fundamentales Trotzdem“: zu suchen, obwohl die Existenz und Erreichbarkeit eines Zieles unsicher sind.[8]

Gotthold Ephraim Lessing, der 1771 in die Hamburger Loge „Zu den drei Rosen“ rezipiert, befördert und gleichzeitig zum Meister erhoben wurde, hat in seinem Werk „Ernst und Falk – Gespräche für Freimaurer“ sein Ziel deutlich genannt. Er lässt Falk schon im ersten Gespräch sagen: „Die wahren Taten der Freimäurer zielen dahin, um größten Teils alles, was man gemeiniglich gute Taten zu nennen pflegt, entbehrlich zu machen.“.[9]

Unsere Arbeit am rauen Stein wird, wenn wir Erfolg haben, zu einer Gesellschaft führen, in der diese Arbeit nicht mehr notwendig sein wird. Dann ist das Gebäude der Menschlichkeit, an dem zu arbeiten wir uns auferlegt haben, vollendet. Dieses Ziel ist freilich Utopie. Wir sind aber zur Tat aufgerufen. Überall dort, wo unser Lebensweg uns hinführt, sollen wir uns für das Wahre und Gute einsetzen.[10] Das Wahre und das Richtige sind winkelrecht und damit, wenn auch unerreichbare Utopie, Maßstab für unser Handeln.

Für Goethe, einem weiteren Säulenheiligen der Freimaurerei, ist vielmehr der Weg das Ziel. Bei Goethe geht es um das Streben nach einem tätigen Leben schlechthin. Wir alle haben faustisch-strebsame Züge würde ich meinen, sonst wären wir nicht hier. Faust übersetzt die Worte der heiligen Schrift mit: „Im Anfang war die Tat“[11] und lebt diese Maxime bis zur grausamen End-gültigkeit. Fausts Streben bringt viel Leid hervor. Er lässt Gretchen im Stich, wird zum Mörder von Philemon und Baucis und zum profitgierigen Kapitalisten.

Aber – es gibt Hoffnung. „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“[12], sagt der Herr zu Mephisto. Das ist ein ermutigender Gedanke.

Der Schlüssel zur Erlösung ist bei Goethe das tätige Streben. Derjenige kann Gottes Gnade erlangen, der immer strebend sich bemüht[13]. Faust wird letztlich trotz all seiner Verfehlungen gerettet. Wenngleich also die menschlichen Taten auch nach moralischen und sittlichen Maßstäben verwerflich sind, so kann der Mensch doch gerettet werden, wenn er Suchender bleibt. Sein Suchen ist ein Streben nach dem Guten und Wahren, und damit nach göttlichen Pfaden.

Die Suche ist sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet. Die Auseinandersetzung mit der Welt, Naturphilosophie und Ethik markiert die äußere Suche.[14] Die Selbstsuche und die Selbsterkenntnis ist die zweite Seite dieses Strebens.[15] Bereits Heraklit, ein vorsokratischer Philosoph, der um 500 v. Chr. lebte, wandte sich seinem Selbst als Quelle der Erkenntnis zu und als Weg, der auf der Suche einzuschlagen ist.[16] Die Inschrift des Apollontempels von Delphi, die an seine Suche mahnt, kommt uns da irgendwie vertraut vor: Γνῶθι σεαυτόν  (Gnothi seauton), das heißt: „Erkenne dich selbst!“.[17]

Die Suche nach Wahrheit als vornehmste Pflicht der Freimaurerei wurzelt in einem sehr philosophischen und weniger religiösen Verständnis von Freimaurerei.[18] Nicht nur außerhalb uns wollen wir die Wahrheit suchen, sondern in uns und wahr werden – gegen uns selbst.[19] Hier nun setzen wir Lehrlinge den Spitzhammer vor allem an, um alles Unebene des Charakters, alles Ungerade und Verhockte in unserem Wesen mit harten Schlägen wegzusprengen, damit der göttliche Kern, der in jeder Menschenseele verborgen ist, zu Tage trete.[20]

C.S. Lewis, der Autor der Narnia-Geschichten, soll gesagt haben: „Wir sind wie Blöcke aus Stein, denen der Bildhauer mühsam menschliche Form gibt. Die Schläge seines Meißels, die uns so sehr schmerzen, sind es, was uns vollkommen macht.“[21]. Und so ist die Bearbeitung des rauen Steins die Suche nach der Form und ihrem Sinn.

Meine eigene Suche führte mich vom Naturerlebnis über die Literatur zur Religion. Was war all diesen Suchen gemeinsam? Ich wollte verstehen und das heißt für mich, mit dem Herzen zu begreifen: Zusammenhänge erkennen, meine Rolle in dieser Welt verstehen und welche Verantwortung ich trage; die Suche nach Erkenntnis, warum Menschen so sind, wie sie sind und was ich damit zu tun habe. Und im Versuch, nicht nur kognitiv zu verstehen, sondern auch mit dem Herzen zu begreifen, begegnete ich den Gefühlen, von denen die Rose spricht, wie Sehnsucht und Liebe. Und es gibt so vieles, was ich noch nicht verstanden habe: Bestimmung, Begrenzung, Tod.

Und es gibt diese Begegnungen, die Veränderungen aus–lösen, deren Kraft nicht beherrscht werden kann, deren Wirkungen erst lange nachher überblickt, und selbst dann nicht in ihrer Gesamtheit erfasst werden können.

Kann man – einem Wunsch, der einem Samenkorn gleich in einen gesetzt wurde, das Wachsen verbieten? Kann man verhindern, dass der Samen zum Lichte drängt, aus der Erde hervorbricht und zu einer Knospe heranreift? Ich empfand den Zustand als Suchende und Neophytin so.

Das Symbol meiner Suche ist diese Rose. Sie ist unendlich zart und wächst doch, unaufhaltsam der Sonne entgegen. Schiller hat geschrieben: „Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. […] Alles in ihrem Haushalte entspricht den Forderungen der Zweckmäßigkeit, überall waltet die größte Ordnung und Gesetzlichkeit, obgleich immer fort Neues schaffend, bewahrt sie sich stets den Charakter eines harmonischen Ganzen. […] Der wilde Sturm der Leidenschaften ist ihr fremd, in edler Selbstgenügsamkeit ist ihr Streben nur darauf gerichtet, ihrer Bestimmung gerecht zu werden. […] Wohl – dem Menschen, wenn auch er von dem geistigen Thaue des Himmels befruchtet, über die Gebundenheit der irdischen Scholle sich erhebt entgegen dem belebenden Lichte, das von oben kommt; wohl ihm, wenn von demselben erleuchtet und verklärt seine Unternehmungen blühen und die Früchte seiner Thaten reifen! Wohl ihm, wenn er von der Pflanze lernt, seine Freiheit unter eine höhere Ordnung zu beugen, wenn nicht Eigennutz, Habsucht und andere wilde Leidenschaften die Triebfedern seiner Handlungen bilden, wenn er den göttlichen Mahnruf erkennt, über die Grenzen des eigenen Bedürfnisses hinaus zum Wohle seiner Mitgeschöpfe zu wirken und Saaten zu streuen, an deren Früchten auch kommende Geschlechter Labung finden! Ja gewiss, der Mensch, der dies Geheimnis seiner Bestimmung der Pflanze abgelernt hat und mit voller Willenskraft anstrebt, was diese unbewusst und willenlos leistet, hat das Höchste, das Größte erreicht, denn sein Leben ist ja dann nur der Spiegel der ewigen Weltordnung, die auch in der kleinsten Pflanze klar genug sich darstellt.“[22]

Die geschwisterliche Liebe

Die Rose ist auch Symbol der Liebe. Sie trägt unsere geschwisterliche Verbundenheit. Die von Gigga überreichten Ansteckröschen zeigen mir unsere Verbundenheit zueinander. Ich trage sie auch als Zeichen meiner Zuneigung zu Euch.

Für mich steht das Symbol der Rose aber nicht nur für die Verbundenheit zu den Geschwistern meiner Loge, sondern für eine umfassende Verbundenheit mit allen Freimaurern.

In alter Maurertradition gab man diese Rose – ursprünglich ein weiteres Paar weißer Handschuhe, dem Menschen, der dem Herzen am nächsten steht. Diese Tradition soll eine Verbundenheit der Loge mit der Familie des jungen Bruders oder der jungen Schwester ausdrücken. Die Kette wird schließlich auch dadurch gestärkt, dass die Familie des Neophyten hinter dessen Entscheidung steht, diese neue Bindung einzugehen. Dahinter steht aber auch der Gedanke, dass der oder die Nächste – wenn einem selbst etwas zustößt, die Rose in die Loge bringen kann – und es möge ihm oder ihr geholfen werden.[23]

Und indem wir die Rose dem Menschen geben, der unserem Herzen am nächsten steht, binden wir diese Person in unseren erweiterten „Geschwisterbund“ mit ein. Und in Wirklichkeit ist die Geschwisterkette ja nicht endlich. Schiller beschwört in seiner Ode „An die Freude“: „Alle Menschen werden Brüder“ und drückt damit ebenfalls ein unerreichbares Ideal aus: Nämlich, dass sich alle Menschen ihrer Verbindung mit anderen Menschen, mit der Schöpfung und der Zeitgeschichte bewusst sind. Wir gehören eben alle gemeinsam zusammen.

Wir beschwören Tag für Tag die Ideale der Toleranz, Geschwisterlichkeit und des gesitteten Respekts voreinander – diese Haltung möge auch umfassend in den eigenen Kolonnen wirken.

Die geschwisterliche Liebe bedeutet für mich: Wir sind alle um eine vorurteilsfreie Begegnung hier in diesem Tempel außerhalb von Zeit und Raum bemüht. Ist dieses Bemühen und jeder noch so kleine Fortschritt nicht viel mehr wert als jedes hehre Ziel, dass unerreichbar in der Ferne leuchtet? Dem Bild der inneren Rose entsprechend, geht es für mich darum, am eigenen rauen Stein zu arbeiten und nicht an dem des Bruders oder der Schwester. Das ist jeweils seine oder ihre Aufgabe.

Im Gebäude der Menschlichkeit sind wir alle zusammen wichtige Bausteine. Wenn wir in der Kette zusammenstehen und unsere Herzen einander entgegenschlagen, spüre ich nichts Trennendes. Egal aus welcher Loge und egal aus welcher Obödienz der Bruder oder die Schwester kommt, gemeinsam zu arbeiten, also zu suchen, verbindet.

Ich verbinde mit der Rose die Hoffnung, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten – auch mit den Geschwistern anderer Obödienzen – ein lohnenswertes Ziel ist.

Die Schönheit

Die Rose ist in ihrer Blütenfülle, Schönheit und ihrem Duft Bild der Lebenskraft und der Lebensfreude, wie in ihrem raschen Verblühen Bild der Vergänglichkeit und des Todes.

Bei der Rose ist immer die Spannung zwischen den harten Dornen des Stieles und der Zartheit der Blütenblätter zu berücksichtigen. Dies kann uns daran erinnern, dass der Weg zur Entfaltung der inneren Rose des Selbst – und des höheren Bewusstseins ein dornenreichen, schmerzhafter Prozess sein kann.[24] Vielleicht führt die Suche nach Glück und Zufriedenheit den Menschen in die Irre. Im Leben geht es vielleicht nicht darum, glücklich zu sein, sondern Reife zu erlangen, auch wenn das eben heißt, durch schmerzvolle und entbehrungsreiche Zeiten zu gehen.

Die Schönheit bildet mit Weisheit und Stärke die drei Säulen, auf denen der symbolische Bau der Freimaurerei ruht.[25] Die Schönheit ziert den Bau, den die Weisheit leitet und die Stärke ausführt. Die Säule der Schönheit stellt auch den 2. Aufseher dar. Dieser überwacht die Arbeit der Nordkolonne. Sie wird erhellt von der Säule der Schönheit. Die Schönheit ist damit auch dem Lehrlingsgrad zugeordnet.[26]

Die Rose steht für Schönheit, Güte und Geschwisterliebe[27] – und damit für ein umfassendes Gefühl der Harmonie. Harmonie, die sich auch in der Architektur wiederfinden lässt:

Mit einer Rose aus Erz und Stein krönten die Bauleute des Mittelalters den Bau zum Zeichen der Vollkommenheit.[28] In der christlichen Kunst werden durchbrochene Verzierungen an Fenstern und Bögen Rosetten genannt. Das deutet aber nur auf den ersten Blick auf eine Verwandtschaft mit der Rose hin. Die ältesten Rosetten, die sich schon beim Rundbogenstil vorfinden, sind drei- oder vierteilig (sog Drei- oder Vierpass), während die Rose immer und überall typisch fünfteilig ist.[29]

Unser Bijou ziert ein Vierpass, keine Rose. Es basiert auf dem Bauhüttenzeichen der Dombauhütte zu St. Stephan. Die Bauhütten des Mittelalters entwickelten eigene Konstruktionsschlüssel, die für die Geometrie selbst, aber auch für die Erkennungszeichen der Steinmetze verwendet wurden.[30] Dieses Logensiegel findet sich in einigen Bijoux der Logen innerhalb der Liberalen Großloge sowie im Siegel des Großorient von Österreich. Auch das Logo unserer Loge steht um 45° gedreht und leicht abgeändert in dieser grafisch-geschichtlichen Verbundenheit.

Die Rose selbst findet sich in österreichischen Logen namensgebend:

Drei Rosen im Droit Humain, Wien, Lichteinbringung 2012

Zu den 3 Rosen in der Großloge von Österreich, Wien, Lichteinbringung 1969

Zu den sieben Rosen in der Großloge Humanitas Austria, schlafend seit Winter-Johannis 6017

Und in geografischer Nähe: Mozart zu den drei Rosen im Orient zu München in der Humanitas Deutschland

Verbindet man im Grundriss der Rose den Mittelpunkt eines jeden Kelchblattes durch eine Linie mit dem übernächsten, entsteht ein fünfzackiger Stern, das Pentagramm oder der Drudenfuß, Symbol und Siegelfigur des Geheimnisvollen.[31]

Die fünf Kelchblätter der Rose – sind wie Finger einer Hand – oder eben wie ein Kelch. Von den Kabbalisten wird die Rose auch als Kelch des Segens verstanden, der nach dem Mahl gereicht wird. Nach dem Mahl ist ein Verweis auf das Ende aller Tage. Zu jener Zeit wird der Kelch des Segens gefüllt sein mit Liebe, Befreiung, Rettung, Bestimmung und Umkehr, das sind die fünf Tore der Erlösung.[32]

Mögen die fünf Finger der Freimaurerhand bereits vor dem letzten Mahl helfend ausgestreckt sein – geschwisterlich gegenüber den Geschwistern – und menschlich gegenüber allen Menschen.

Sub Rosa

Bereits im Altertum wurde die Rose bei Gelagen über der Tafel aufgehängt als Zeichen dafür, dass das „sub rosa“ Gesprochene nicht weiter gesagt werden soll. Eine gemalte Rose an der Decke von mittelalterlichen Ratsstuben gilt, ebenso wie eine Rose über Beichtstühlen, als Hinweis auf Diskretion.

Nach einer Sage soll Cupido dem Harpocrates, dem Gott der Verschwiegenheit, Rosen gesandt und ihn darum gebeten haben, die Liebeshändel seiner Mutter Venus geheim zu halten; Harpocrates kam dieser Bitte nach. Harpocrates war ursprünglich ein Kind des ägyptischen Gottes Horus. Man erkennt diese Gottheit daran, dass sie den Zeigefinger der rechten Hand an die Lippen führt. Im Alten Ägypten bedeutete dieses Zeichen die Hieroglyphe für „Kind“; die Griechen interpretierten die Geste aber als „pssst“, als Aufforderung zum Schweigen.[33]

Sub Rosa gibt uns die Sicherheit, dass das, was wir im Tempel sagen und erleben, unter uns bleibt. Das schafft ein Klima des Vertrauens. Die vertraute Atmosphäre ermöglicht es, sich zu öffnen und sich durch die Impulse der anderen leichter selbst zu reflektieren.[34] In einer Zeit, wo viel Persönliches öffentlich preisgegeben wird, bildet der Tempel eine zeitlose Antithese.

Dass wir unser Ritual und das Geschehnis im Tempel nicht mit Außenstehenden teilen, schützt uns auch vor Fehlinterpretationen und Erklärungsnot. Denn vieles kann eben nur erlebt werden. Und das subjektive Erlebnis kann auch oftmals nicht erklärt werden, weil es individuell unterschiedlich aufgenommen wird, weil das, was mit uns im Tempel passiert, bei jedem andere Wirkungen hat. Und da bemühe ich jetzt den bekannten Spruch: Freimaurerei hat keine Geheimnisse. Das Geheimnis liegt nur im jeweiligen Erleben des Einzelnen. „Das wahre Geheimnis ist der Mensch“, hat es in der Freimaurer-Ausstellung von 2017 geheißen. Und das bringt mich wieder zurück zur Verschwiegenheit. Vielleicht zielt Sub Rosa somit auch auf das nur Erlebbare in der Freimaurerei hin. Vielleicht ist das Unaussprechliche das, was nur mit dem Herzen gesehen und verstanden werden kann. Mit dem Herzen sehen, heißt auch, klar und bewusst zu sehen.[35]

Ich möchte mit einem schönen Satz aus „Der kleine Prinz“ schließen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“[36]

Ich habe gesprochen.

Schlussworte

Die Frucht der Rose ist die Hagebutte.

Die Frucht der Sehnsucht – ist vielleicht die Erfüllung.

Die Frucht der geschwisterlichen Liebe – ist die Verbundenheit.

Die Frucht der Verschwiegenheit – ist das Vertrauen.

Und die Frucht der Schönheit weist vielleicht auf Künftiges – auf uns Nachfolgendes – und auf die Vergänglichkeit und damit auf das Gewahrsam sein des Lebendigen in der Zeit und im Raum – auf das Leben selbst.

Die Frucht der Freimaurerei ist das Gebäude der Menschlichkeit, an dem zu bauen wir der Geschwisterkette treu verbunden bereit sind.


[1] Lennhoff/Posner/Binder, Internationales Freimaurer Lexikon2 (2015) 715; Dosch, Deutsches Freimaurerlexikon2 (2011) 274; Sichrovsky (Hrsg), „Als ich König war und Maurer“ (2016) 602.

[2] Lennhoff/Posner/Binder, Freimaurer Lexikon2 715.

[3] D. K., Der kleine Prinz und der Bezug zur Freimaurerei? https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Der_kleine_Prinz (Stand 25.10.2010).

[4] D. K., Der kleine Prinz und der Bezug zur Freimaurerei? https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Der_kleine_Prinz (Stand 25.10.2010).

[5] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 (2014) 128.

[6] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 129.

[7] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 22.

[8] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 23.

[9] Lessing, Gespräche für Freimaurer. Ernst und Falk (1970) 456.

[10] Imhof, Kleine Werklehre der Freimaurerei – Das Buch des Lehrlings6 (2016) 101.

[11] Goethe, Faust I (1808) Studierzimmer.

[12] Goethe, Faust I (1808) Prolog im Himmel.

[13] Goethe, Faust II (1832) Bergschluchten

[14] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 129.

[15] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 129.

[16] Gowin, Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung2 147.

[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Gnothi_seauton (Stand 09.11.2019).

[18] Imhof, Kleine Werklehre der Freimaurerei – Das Buch des Lehrlings6 100.

[19] Imhof, Kleine Werklehre der Freimaurerei – Das Buch des Lehrlings6 101.

[20] Imhof, Kleine Werklehre der Freimaurerei – Das Buch des Lehrlings6 101.

[21] Attenborough, Shadowlands – Ein Geschenk des Augenblicks (1993).

[22] Königliche botanische Gesellschaft in Regensburg, Flora – Botanische Zeitung, 1818/1, 661 (661 f) (abrufbar unter https://www.biodiversitylibrary.org/item/956#page/673/mode/1up Stand 11.02.2020).

[23] Kraus (Hrsg), Die Freimaurer (2011) 78.

[24] https://symbolonline.de/index.php?title=Rose (Stand 14.01.2016).

[25] Lennhoff/Posner/Binder, Freimaurer Lexikon2 751.

[26] Sichrovsky, „Als ich König war und Maurer“ 603.

[27] Lennhoff/Posner/Binder, Freimaurer Lexikon2 751.

[28] Lennhoff/Posner/Binder, Freimaurer Lexikon2 715; Dosch, Deutsches Freimaurerlexikon2 274.

[29] Schleiden, Die Rose: Geschichte und Symbolik in ethnographischer und kulturhistorischer Beziehung (1873) 109 (abrufbar unter https://www.biodiversitylibrary.org/item/52830#page/127/mode/1up Stand 10.02.2020).

[30] Br.·. Wilhelm, Der Vierpass, Das Informationsblatt des Großorient von Österreich, Nummer 3, 1.

[31] https://symbolonline.de/index.php?title=Rose (Stand 14.01.2016).

[32] Grippo, Gleichnis von der Rose – Interpretation zum Sohar: I. fol. 1a2 (2012) 14.

[33] F.V., Unter der Rose https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_%22Unter_der_Rose%22 (Stand 24.03.2014).

[34] Semler in Die Freimaurer: Die Wahrheit hinter dem Geheimbund (2017).

[35] D. K., Der kleine Prinz und der Bezug zur Freimaurerei? https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Der_kleine_Prinz (Stand 25.10.2010).

[36] Saint-Exupéry, Der kleine Prinz58 (2002) 72.

Unser Hausgesetz

Ich hoffe, keiner von euch sitzt in der Erwartung hier, dass jetzt eine Hausgesetz-Exegese kommt. Es wäre eine leichte, aber auch seichte Übung.

Doch warum dieses Thema? Im Dezember letzten Jahres hatte ich ein Telefonat mit einem Bruder, das mich zu diesem Baustück motivierte. Warum hat es das? Lasst mich ausholen. Das letzte Jahr war, um es so auszudrücken, maurisch spannend, das Ergebnis – wir werden sehen.

Details will ich euch ersparen, aber eines wurmte mich die ganze Zeit:

Kann ich mich auf das Geschriebene überhaupt noch verlassen oder zählt nur mehr maurerisches Faustrecht? Besagter Bruder meinte zu mir: Das kommt davon, wenn keiner die Regeln kennt, jeder macht was er will…)

Dazu fiel mir aus meinem Lieblingsbuch sofort eine Stelle ein:

  • Unwissenheit ist Stärke (aus 1984 von George Orwell)

Doch was bedeutet es in dem Zusammenhang. Ich habe Orwell immer so interpretiert, dass er damit sagen will:

Selbst ein stupider Narr, der keine Ahnung hat aber überzeugend genug auftritt, kann eine Gruppe leitet wohin er will, wenn sich diese nicht ihrer Macht als Masse bewusst ist.

Nur so ist es zu erklären, dass Minderheiten über Mehrheiten herrschen können.

Unwissenheit ist Stärke – die Weltgeschichte ist voll mit Beispielen.

Umgekehrt glaube ich, dass eine gut informierte Gruppe, wo sich jeder seiner Bedeutung für die Gruppe bewusst ist, viel schwieriger durch solche Individuen, wie vorher beschrieben, zu verführen ist.

Das erfordert Mut, Ausdauer und Stärke.

Das Licht der Stärke haben wir hier in diesem Raum stehen. Der Spruch dazu lautet Stärke im Handeln.

Durch meine Zeichnung will ich das Licht der Stärke stärken.

Der erste Entwurf hierzu trug die Handschrift eines Juristen. Jedoch aus Unserem Hausgesetz wurde Die Verfassung unserer liberalen Maurerei im Staatsrechtlichen Sinne. Das entsprach nicht so ganz der Weisheit im Planen, wenn man eigentlich über das Hausgesetz sprechen wollte.

Neuer Titel oder neues Baustück? Das war hier die Frage. Es wurde ein neues Baustück.

Die Ausgangsfrage dazu lautete: Was ist eine Loge?

Nun, die Maße sind uns alle durch das Ritual und den Lehrlings-katechismus bekannt. Ein längliches Viereck vom Zenit bis zum Nadir, also allumfassend. Auch die Akteure sind uns aus Ritual und Katechismus bekannt: 3 leiten sie, 5 erleuchten sie, 7 machen sie gerecht und vollkommen.

Klingt alles wunderbar und einfach – vollste Harmonie. Wir haben nur eines vergessen… uns Maurer-Menschen.

Wann immer wir Menschen zusammenkommen, um etwas gemeinsam zu entwickeln, muss dies irgendwie organisiert werden. In der profanen Welt sind dies Gesellschaften, Vereine, Staaten etc. Wir Maurer nennen die Organisationsform „Loge“.

Doch wie ist sie organisiert?

Als Verein oder Gesellschaft wie wir sie alle kennen? Ein Vorstand machtt die Arbeit und der Rest zahlt brav ein und tut, was vom Vorstand gesagt wird. Quasi eine Logos GmbH oder der Verein nice together Logos? Wäre dem so, würde es die Freimaurerei heute nicht geben

Noch absurder wird es, wenn man an die Großlogen denkt. Die LGL als Konzernholding, AG oder Überverein? Ein lustiger, aber absurder Gedanke.

Vielleicht wie föderale Staaten?

Die Logen, gedacht als souveräne Gliedstaaten einer Großloge (Bund)? Geleitet durch einen Beamtenrat als Exekutive, mit einer Vollversammlung als Legislative kontrolliert durch alle gemeinsam als Vier-Gewalt? Passt schon eher. Doch wer setzt hier Recht durch? Eine Judikative fehlt bzw. ist nur rudimentär in Form eines temporären Schiedsgerichts vorhanden. Drei Elementen-Lehre; Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt weit und breit nicht in Sicht. Die Loge als Staat gedacht passt nicht wirklich.

Doch womit aus der profanen Welt ist eine Loge dann vergleichbar?

Ein Buchtipp und Gespräche mit einem Bruder brachten mich der Antwort näher. Vielleicht habe ich die Antwort in der falschen Welt gesucht. Vielleicht liegt sie nicht in der Menschenwelt, sondern in der Tierwelt.

Die Loge als Schwarm gedacht? Kann das die Lösung sein?

In einem Schwarm sind alle gleich. Es gibt keinen Leitvogel, der die Figuren ansagt, die geflogen oder geschwommen werden, aber dennoch herrscht Ordnung untereinander. Chaos und Ordnung zur selben Zeit geht das? Ja, es nennt sich „chaordisch“. Passt das auf die Loge?

Der Beamtenrat gibt uns allen nur die relativen Abstände vor, wie wir fliegen, nicht aber wohin. Das Entscheiden wir alle gemeinsam als Gruppe.

Die Loge als Schwarm? Für mich und zumindest einen weiteren Bruder die beste Erklärung.

So, jetzt dürft ihr mich und beschriebenen Bruder für plemplem halten.

Doch was steht den in unserem Leitbild, Anhang A des Hausgesetzes:

Der Zusammenhalt unserer Gemeinschaft ist nicht von Bürokratie getragen, sondern von dem tiefen Verständnis des Einzelnen, dass das große Ganze nur Bestand haben kann, wenn sich die Geschwister der Inhalte und Strukturen bewusst werden und sich in diese entsprechend konsequent, engagiert und mutig einbringen.

Das untermauert unsere Theorie nur weiter.

Doch wie ist es in der Praxis?

In Universum schaut das bei Vögeln, Fischen oder Bienen immer so leicht aus mit der Schwarmbildung. Wir Menschen benötigen dazu Hilfsmittel, dass ein Menschenschwarm funktioniert; doch nein, hinter einem Nachlaufen demjenigen, den wir für besonderes begabt halten, ist keine Schwarmbildung.

Unser Hilfsmittel zur Schwarmbildung des LOGOS Schwarms ist unser Hausgesetz.

Als Menschen brauchen wir das Recht als Klammer, um uns zu organisieren. Selbst wenn nur zwei von unserer Spezies zusammenkommen braucht es oft schon Verträge.  Einen Schwarmtrieb haben wir nicht. Aber das muss man unserer Spezies zugutehalten: der Mensch ging den Weg vom Faust- über Gewohnheits- zum Gesetzesrecht. Immerhin etwas.

Doch was steht nun in diesem Hausgesetz?

Manche organisatorischen/bürokratischen Dinge müssen sein.

Wer sind die Logenbeamten und wofür sind sie zuständig? Welche Aufgaben hat der Beamtenrat? Welche Funktion hat die Logenvollversammlung? Wie werden die einzelnen Gremien einberufen bzw. bestellt? Welche Quoren gibt es? Wen endsenden wir wie in welche Ämter in die Großloge?

Auch wenn es nur ein Artikel ist (9) so umfasst er doch 1/3 des Hausgesetzes.

Drei leiten sie heißt es im Katechismus des Lehrlings. Gemeint sind die hammerführenden Beamten: MvSt, 1A, 2A.

Doch was und wie leiten sie? Nun, die drei leiten nicht den Schwarm, indem sie vorne wegfliegen, sie stellen ihm nur einen Raum zum Fliegen zu Verfügung indem sie ihn aufbauen. Die Loge.

Unsere Rituale sind der Raum, in dem wir uns als Loge bewegen. Auf und abgebaut von den Hammerführenden. Auch sie sind Teil des Hausgesetzes, worüber haben wir vor zwei Wochen abgestimmt? Erraten – über zwei neue Rituale.

Wohin aber die Loge in diesem Raum fliegt, gibt nicht einmal derjenige vor, der die Zeichnung hält. Auch der Hammerschlag des MvSt bewirkt keine Richtungsänderung, sondern nur eine Rückbesinnung auf die Ordnung des Schwarms. In die Ordnung das kommt uns doch bekannt vor.

Doch was tun, wenn ein Teil der Vögel nicht fliegen will? Was tun, wenn ein Teil der Fische dem Hai links, der andere rechts ausweichen will?

Absurd, denn einem Schwarmtier würde das nie in den Sinn kommen.

Wir Menschen sind da nicht so klug. Wir brauchen dafür Regeln, die uns daran erinnern, dass es besser ist, wenn alle dem Hai links ausweichen. Ansonsten Chacos unter Wasser.

Wie ein Vogelschwarm funktioniert auch unser Logos-Schwarm, aber nur dann, wenn alle mitfliegen:

Schaut um euch! Was wären wir ohne Andreas, Ulis, Ereks, Markusse, Stefans, Peters, Ernas, Rudis, Ingeborgs, Christinas, Birgits, Claudias, Imres, Brankos, Wolfgangs, Irenes, Inas, Kaharinas, Manuelas, Monikas, Giggas, Susannes, Hanse, Gabriellas, Anitas, Ernestos.

Es würde etwas fehlen. Jeder von uns hat hier in dieser Loge seine Aufgabe, fast wie bei den Schlümpfen von Peyu. Schaut einmal euere Sitznachbarn in den Kolonen an. Ich bin mir sicher, euch fällt sofort eine Eigenschaft ein, die ihr ihnen zuschreibt.

Die böse 70%-Anwesenheitsquote im Hausgesetz soll uns am Ende des Tages auch nur daran erinnern, dass wir nur gemeinsam gut funktionieren können und dass jeder von uns gebraucht wird. Eine Arbeit ohne Muffi, pardon Stefan – da würde was fehlten.

Ohne Eigenschaften und Stärken ist niemand hier. Das macht eine Loge auch aus. Jedem von uns sollte bewusst sein, dass ohne ihn – hier in diesem Raum – den anderen etwas fehlen würde. Wir sind alle bunte Papageien in unserem Wesen auch wenn wir wie Pinguine aussehen und das ist gut so.

Gegensätze sind die Grundlage einer jeden Diskussion. Es wäre furchtbar, wenn wir alle immer nur einer Meinung wären, ja richtig langweilig.

Auch eine Batterie kann nur dann Kraft geben, wenn die Pole maximal unterschiedlich geladen sind.

Wie heißt es so schön im Leitfaden, den wir uns gegeben haben.

Unsere Zielsetzung ist die Arbeit an individuellen Stärken und Schwächen, um die freimaurerische Haltung, die im Tempel entwickelt wird, im täglichen Leben miteinander und nach außen umzusetzen.

Diese freimaurerische Haltung bedeutet für uns Humanismus, Liberalität und Pluralismus. Aufbauend auf und mit Respekt für die traditionellen Werte und Ausformungen der Freimaurerei, stellen wir uns kritisch und offen den aktuellen Themen der Zeit.

Beispielgebend für unser wechselseitiges Fordern, Fördern und Erkennen umfasst unsere Arbeit die fundierte Ausarbeitung eines Themas, der sich eine diskursive Analyse der ethischen Werthaltigkeit anschließt. Daraus gewinnen wir gemeinsam individuelle Erkenntnis und vertieftes Bewusstsein als Grundlage für kompetenteres Handeln in der Welt.

Leicht ist es nicht das Verschieden sein, aber bereichernd. Beherrsche dich selbst.

Ich denke, wir alles wissen, wie wichtig die Anwesenheit ist. Sitzen wir doch lieber in vollen Kolonen als leeren. Je mehr von uns hier sind, umso vielfältiger und bunter werden die Diskussionen. Das wollen wir doch alle, oder?

Doch wie kommt man überhaupt in den Schwarm der Loge?

Die Aufnahme von neuen Vögeln ist wohl immer der kritischste Punkt. Auch hier schaft das Hausgesetz die Ordnung, Art (7). Mit Leben erfüllen müssen wir es gemeinsam.

Die erste Grundsatzfrage stellt sich schon bei der Auswahl:

  • Muss man Maurer aus der Masse erkennen oder
  • machen wir Menschen zu Maurern?

Je nachdem, welcher Idee man folgt, laufen die Prozesse unterschiedlich.

Je nach Zugang muss die Loge anderes handeln.

Allein die Frage: Wer ist ein Suchender für uns, ist weit schwieriger zu beantworten als das der Katechismus es uns weiss machen will: Ich tappte im Dunklen und suchte das Licht, das heißt für jeden etwas anderes.

Die Antwort können wir nur in der Gruppe finden und muss immer wieder aufs Neue neu gefunden werden. Denn jeder neue Vogel verändert den bestehenden Schwarm. Er entwickelt sich.

Auf den Schultern der Interviewer liegt eine große Verantwortung. Die Verantwortung herauszufinden, ob der Vogel am Ende des Tages in unseren Schwarm als Ganzes passt oder nicht.

Die Frage ist nicht, den würde ich den gerne in unseren Reihen sehen, sondern, ist er ein Gewinn für unsere Reihen gesamt, selbst wenn ich nicht ganz grün damit bin. Das Interesse der Loge als solches zu erkennen und über das eigene zu stellen, und sich zu beherrschen, da gehört vieles dazu.

Ein gutes Interview zu führen und darüber berichten zu können, ist sicher die Königs-Disziplin und wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe, die wir hier gemeinsam vergeben können.

Es braucht aber nicht nur Interviewer in einer Loge, sondern bei jeder Arbeit einen jeden von uns.

Eine Arbeit hier kann man auch mit einem Orchester ohne Dirigenten vergleichen. Jeder hier ist Musiker und Dirigent zeitgleich. Schaut um euch!

Wir merken sofort, ob die Hammerführenden das Ritual leben oder nur herunterklopfen. Wird Branko heute motiviert mit dem Sack der Wiege durch die Kolonnen gehen oder tut er nur seine Pflicht? Wie hat Susanne heute die Gäste angekündigt? Solche Aussagen kann man über jeden treffen. Wir alle beobachten, fühlen und werden beobachtet voneinander.

Am Gelingen einer Arbeit sind wir alle beteiligt. Wenn nur einer desinteressiert ist oder glaubt das geht in nicht an, der irrt. Am Bau des Tempels braucht es jeden, besonders die Querköpfe, Nonkonformisten, Mahnenden, etc. Wer das ad personam ist?

Nun das muss jeder für sich herausfinden, wer das für ihn ist.

Auch wenn es uns manchmal schmerzt, aber am Ende zwingen uns genau diese Geschwister dazu, über unsere Handlungsweisen und Vorstellungen nachzudenken und diese zu hinterfragen.

Erkenne dich selbst klingt leicht ist aber oft eine schmerzvolle harte Übung.

Als liberale Freimaurer sollte dieser kritische Austausch aber in unser DNA stecken.

Wir haben uns vorgenommen, dies mit offenem Visier zu leben, auch wenn das manchmal schwerfällt. Beherrsche dich selbst

Die persönliche Begegnung der Geschwister ist von den freimaurerischen Grundsätzen des „Erkenne, Beherrsche und veredle Dich selbst“ getragen. Wir verpflichten uns im Umgang miteinander zu einem respektvollen Geben und Nehmen in gegenseitiger Wertschätzung und dennoch kritischer, aber gelassener Auseinandersetzung.

Es ist unser Auftrag, destruktivem Verhalten, im Besonderen, Selbstsucht, Ignoranz und Heimlichkeiten bei uns und bei anderen entgegenzuwirken.

sagt uns der Leitfaden.

Das haben wir uns zum Ziel gesetzt als Loge, als Schwarm.

Zum Gesetz haben wir gemacht:

Die Logos und ihre Mitglieder bekennen sich zu absoluter Gewissensfreiheit, Toleranz und Pluralismus sowie Forderung und Förderung der gemeinsamen Aus- und Weiterbildung. Art 1, Abs 6 des Hausgesetzes.

Das müssen wir leben das ist unsere Flugordung, die wir uns selbst gegeben haben.

Die Essenz daraus für mich:

Das Hausgesetz kann uns nur die Ordnung, wie wir fliegen sollen, vorgeben, nicht aber wohin unsere Reise geht. Wenn uns die Ordnung, in der wir auf dieser Reise fliegen, nicht passt, dann können wir sie natürlich verändern.

Das setzt aber voraus, dass wir die aktuelle kennen, verstehen und leben.

Wenn es um Änderungen der Reise, den Flug, an sich geht, auf dem wir uns befinden, dann können wir diese nur gemeinsam entwickeln. Mit von oben herab ex lege über das Hausgesetz wird es nicht gehen, auch wenn das manchmal als der einfachere Weg erscheint.

In diesem Sinne schließt kurz die Augen und denkt nach, und zwar nicht nur heute:

Was will ich noch wissen zu dem Thema?

Wo sehe ich mich oder wen anderen in der Zukunft?

Kann ich mir ein Amt vorstellen?

Soll ich einmal ein Seminar mitgestalten?

Was kann ich sonst für die Loge tun?

Wen oder was braucht es gerade?

Was wünsche ich mir von der Loge?

Wo muss ich mich selbst bei der Nase nehmen?

Was wünsche ich mir von meinen Geschwistern?

Will ich jetzt Co-Baustücke hören oder eine Diskussion mit vielen Meinungen erleben?

Wie nachhaltig ist die FM?

Eigentlich wollte ich heute ein Baustück über unseren Bruder Robert Burns halten. Der Nationaldichter der Schotten. Aber es ist das erste Baustück im neuen Jahr, das erste im neuen Jahrzehnt, und ich möchte heute einen sehr persönlichen Gedankenanstoß über die Veränderungen in diesem Jahrzehnt geben. Ein Jahrzehnt, über das es sich lohnt, auch aus Sicht der FM nachzudenken und den einen oder anderen Impuls in unserer Ausrichtung unserer Arbeit in der Loge und auch in der profanen Welt zu geben.

Begonnen hat meine Arbeit, bevor mir klar wurde, dass ich ein Baustück über Nachhaltigkeit halten möchte. Es hat für mich mit einem Gespräch mit einer deutschen Beraterin für Nachhaltigkeit begonnen. Sie definierte erstmals für mich den Begriff der Nachhaltigkeit in den drei wesentlichen Säulen der Nachhaltigkeit – der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen Nachhaltigkeit, und wir haben uns über die erfolgreiche Entwicklung eines Beratungsproduktes für die Verbesserung der Nachhaltigkeit von Unternehmen unterhalten. Wenige Tage danach übersandte sie mir ein Merkblatt der BaFin der Deutschen Finanzmarkt­­­-Aufsicht zu dem Thema „Zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“. Der Inhalt ist die Bedeutung vom Einbeziehen von Nachhaltigkeitsrisiken in Finanzierungsentscheidungen von Banken und Versicherungen. Also eine staatliche Stelle empfiehlt, Nachhaltigkeitsrisiken zu prüfen, zu evaluieren und in zum Beispiel Kreditentscheidungen mit einzubeziehen. Für mich ein Zeichen, dass ich im Bereich Nachhaltigkeit vom Wissensstand sehr weit nachhinke und dem derzeitigen Diskurs über Klimawandel und CO2-Neutralität nicht wirklich folgen kann.

Ein Buch, das ich vor einigen Jahren zu dem Thema kaufte, ist mir spontan eingefallen – Jeremy Rifkin „Die Dritte Industrielle Revolution“. Es lieferte für mich eine gute Erklärung für die derzeitigen und kommenden Entwicklungen zum Thema Nachhaltigkeit.

Rifkins Konzept der „Dritten Industriellen Revolution“ ist mittlerweile das Konzept für die Gestaltung der Zukunft, und viele Klimaschutzmaßnahmen lassen sich auf seine Konzeption zurückführen.

Rifkin sieht als Faktoren für eine industrielle Revolution jeweils ein Zusammentreffen von Kommunikations- und Informations-technologie auf der einen Seite und der Bereitstellung von Energie auf der anderen.

Die erste Industrielle Revolution befeuert durch Kohle und Dampf, die zweite durch Energie erzeugt aus Öl, Kohle und Atomkraft die Kommunikation Telefon, Fax, Fernschreiber. Besonders wichtig dabei ist für Rifkin, das bei beide Entwicklungen die Energie zentral hergestellt und verteilt wurde (Kohleabbau, Raffinerien oder Atomkraftwerke). Auch die Kommunikation und Informationstechnologie lag in zentralen, teilweise staatlichen Händen wie Post, Telefon.

Die dritte Industrielle Revolution ist im Bereich der Kommunikation bereits zu einem großen Teil verwirklicht. Mit dem Internet und all seinen Möglichkeiten haben wir bereits den ersten Faktor dieser dritten Revolution der Industrialisierung erfüllt. Dabei geht es aber nicht nur um die neue Kommunikationstechnologie, sondern vor allem um die Organisationsform. Nicht mehr zentrale hierarchisch organisierte Unternehmen dominieren die Technologie, sondern die Information wird dezentral gespeichert und verarbeitet – und ich spreche dabei nicht von Internet-Riesen, wie Google, Amazon oder Facebook, sondern von der Grundfunktion. Wikipedia ist großartiges Beispiel dafür – früher gab es Lexika in fast jedem Haushalt –, mittlerweile wird Information nicht mehr zentral zusammengetragen und geprüft, sondern dezentral zusammen-getragen und von ebenso vielen Lesern redigiert.

Die 5 Säulen der Dritten Industriellen Revolution sind laut Rifkin:

  • Umstieg auf erneuerbare Energie
  • Umwandlung des Baubestandes in Mikrokraftwerken – Energie wird vor Ort erzeugt – wie bereits in London bei Neubauten vorgeschrieben.
  • Einsatz von Speichermedien (wie Wasserstoff im lokalen Bereich und bei Energie-Infrastruktur-Knotenpunkten für den Ausgleich von Verbrauchsspitzen
  • Nutzung von intelligenten Stromnetzen, die Einspeisung von Energie in das Netz wird möglich – InterGrid
  • Umstellung der Transportflotten auf kohlenstofffreie Fahrzeuge (Batterie oder Wasserstoff)

Um ein Gefühl zu bekommen, welche Ausgaben-Anteile die Bereiche für die privaten Haushalte und damit um welches Gewicht die Ausgaben für die Wirtschaft haben:

Ein Österreichischer Haushalt hat 2018 im Schnitt

13,5% für Individual-Verkehr

0,8% für den öffentlichen Verkehr

4,7% Energie-Ausgaben im Bereich Wohnen

Die gesamten Ausgaben im privaten Bereich, die von den Maßnahmen nach Rifkin von der dritten Industriellen Revolution beeinflusst werden, sind 19% der Ausgaben eines österreichischen Haushalts.

Zu der Geschwindigkeit der Veränderungen alleine aus meiner Sicht:

Am nächsten Dienstag findet das ersten Gespräch im Deutschen Umweltbundesamt statt, bei dem von uns der Aufbau eines Ratings für die Nachhaltigkeit von Unternehmen ausgeführt wird.

Nachdem es dieses Rating für Unternehmen gibt, wird es möglich Nachhaltigkeitsrisiken bei Unternehmen zu qualifizieren und zu quantifizieren (Fertigstellung in rund einem Jahr).

Entscheidungen für Kredite und Versicherungen von Unternehmen (das Merkblatt BaFin gibt es ja bereits) werden ab diesem Zeitpunkt nur mehr an Unternehmen mit einem entsprechenden Nachhaltigkeitsindex vergeben.

Zu den einzelnen Feldern der Nachhaltigkeit:

Die ökologische Nachhaltigkeit:

Möglicherweise gibt es noch immer Skeptiker über Klimawandel und die Erderwärmung auf Grund der Energiegewinnung durch fossile Brennstoffe (Erdöl und Kohle) und den damit verbunden CO2 Ausstoß.

Am überzeugendsten war für mich die Anhörung eines Forschers des US-amerikanischen Ölkonzerns EXXON im Oktober letzten Jahres vor dem US-Kongress. Dieser Forscher gehörte in den 70er Jahren einer internen Klimaforschungsgruppe von EXXON an. Dabei wurde die Erderwärmung für das Jahr 2020 unter Berücksichtigung des steigenden Verbrauchs von fossilen Brennstoffen vorausberechnet, und diese Forschergruppe hat die derzeitige Erderwärmung auf das Zehntelgrad genau berechnet.

Die ökonomische Nachhaltigkeit

Die ökonomische Nachhaltigkeit war für mich bis zur Zusendung des Merkblattes der Bafin am klarsten formuliert und überprüfbar. Es gibt vereinfacht gesagt Businesspläne, Ressourcen-Planungen, Budgets und Monatspläne. Laufend werden die Ergebnisse erhoben. Wenn nachhaltig ein Ertrag erwirtschaftet wird, ergibt sich daraus die ökonomische Nachhaltigkeit eines Unternehmens.

Die soziale Nachhaltigkeit:

Ein spannender Bereich, der auf der einen Seite mit den Auswirkungen der dritten industriellen Revolution zusammenhängt – wie bereits angesprochen, sind davon 20% der Ausgaben der privaten Haushalte betroffen –, Energie, individueller und öffentlicher Verkehr werden sich massiv verändern. Firmen, die wir heute als prestigeträchtigsten Konzerne kennen, werden diese Veränderungen trotz großer Anstrengungen nicht umsetzen können. Dieter Zetsche hat 2010 den Einstieg in die Serienfertigung von Brennstoffzellen in Autos von Mercedes für 2015 versprochen. Letztes Jahr hat Mercedes den ersten GLC auf den Markt gekommen. Porsche ist in den USA mit seinem Model Taycan zum schlechtesten E-Auto gekürt worden.

Auf der anderen Seite die rasante Entwicklung der Automatisierung: die neue U5 wird die erste fahrerlose U-Bahn in Wien, und in Kalifornien fahren bereits die ersten LKWs autonom. Aber auch in anderen Bereichen wie bei Banken, Versicherungen wird es durch die Internet-Technologie und durch Automatisierungen zu massivem Abbau von Stellen kommen.

Die Nachhaltigkeit der FM

Die FM ist in die erste industrielle Revolution (1769) hineingeboren. Die Erklärung der Menschenrechte (1789) und die Umsetzung des Grundsatzes der französischen Revolution waren Aufgaben der FM und sind es bis heute.

Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit sehe ich die größten Notwendigkeiten für uns FM, daran zu arbeiten.

Die Abschaffung von hierarchischen Machtstrukturen und die Verteilung der Macht der Energieerzeugung – praktisch eine Demokratisierung und die kostengünstige Bereitstellung von Energien, stellen eine positive Entwicklung für die Gleichheit der Gesellschaft dar.

Eine Herausforderung stellt die Verwerfungen des Arbeitsmarktes dar. Klaus Woltron hat einmal ausgesprochen, dass Wachstumsmanagement die wichtigste und schwierigste Aufgabe für Unternehmer ist – für Politiker gilt dies auch. Die Signale sind klar. Sowohl in der EU – Ursula von der Leyen spricht vom Europa, dem klimaneutralen Kontinent – als auch in der neuen Regierungserklärung: in Österreich gibt es 1 Mio. Dächer mit Solarenergie.

Diese Entwicklung wird zu einer Neudefinition von Arbeit, Bezahlung und Leistung führen, vor allem auch die Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Inhalt des Lebens jedes Einzelnen und damit auch zu einem Wertewechsel in der Gesellschaft.

Die FM war und ist immer eine Gemeinschaft der Vordenker gewesen, lasst uns deshalb gemeinsam an diesen Veränderungen arbeiten, die Veränderungen der Rechte, die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen in einer sich rasch veränderten Zeit mitgestalten und mitdenken. Lasst uns gemeinsam einen positive Zugang zu Veränderungen finden und diese Veränderungen – jeder für sich – positiv mitgestalten als Teil einer progressiven und weiterdenkenden Gemeinschaft.

Vor der Diskussion möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen:

Der Schaffner auf meiner heutigen Reise mit der Bahn nach Linz hat mich spontan auf ein ganz wichtiges Element in der Diskussion angesprochen.

Wir alle hören, was wir hören wollen. Es geistern Geschichten durch die sozialen Netze:

Über den CO2 Ausstoß bei der Batterien-Produktion von Elektro-Autos. Sie sind genau so hoch wie der CO2 Ausstoß eines Mittelklassewagens mit 6 Litern Verbrauch auf 120.000km.

Die Diskussion von der Unmöglichkeit, verunfallte Elektro-Autos zu entsorgen.

Oder der Versuch mit autonomen Bussen in Wien, der gestoppt wird, weil eine Frau Handy lesend in den Bus gelaufen ist.

Ich möchte euch nur daran erinnern, dass die Menschen bei der Einführung der Eisenbahn in den USA panische Angst vor der atemberaubenden Geschwindigkeit von 15 m/h hatten.

Fliegen, Fleisch essen, Plastik verwenden: Das alles ist nicht nachhaltig – und wer es trotzdem tut, kann sich nicht glaubwürdig für Klimaschutz einsetzen. Oder? Ich finde: Ganz so einfach ist es nicht.

Die Klimaveränderung und ihre Folgen sind bereits heute deutlich spürbar. Überflutungen, Artensterben und die letzten Hitzesommer weisen darauf hin, dass die Erderwärmung ansteigt – deutlich schneller als bisher angenommen. Höchste Zeit, dass etwas getan wird.

Wer etwas tut, wird kritisiert

Doch wer etwas tut, muss mit Kritik rechnen. So wie die Aktivistin Greta Thunberg, die ihren Reiseproviant auch schon in Plastiksackerln eingepackt hat. Ihnen wird Doppelmoral vorgeworfen, weil sie Nachhaltigkeit predigen, diese aber selbst nicht zu 100 Prozent leben – und das ist ein Problem.

Denn die Annahme, dass sich nur diejenigen glaubwürdig fürs Klima einsetzen dürfen, die ökologisch einwandfrei leben, ist falsch, unrealistisch und noch dazu gefährlich. Sie suggeriert, dass das Engagement für Klima- und Umweltschutz eine Sache radikaler Ökos und Nachhaltigkeits-Perfektionistinnen ist. Sie suggeriert, dass man als Normalbürgerin keinen Anspruch darauf hat, von der Politik ein Plastik-Verbot zu verlangen, solange man sein Müsli in der Plastikverpackung kauft. Und weil man nichts mehr richtig machen kann, führt diese Annahme bei vielen Menschen dazu, es gleich ganz bleiben zu lassen.

Schlusswort:

Jeder Schritt zählt

Das Credo „ganz oder gar nicht“ funktioniert bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht. Klar: Selbst vollkommen unnachhaltig zu leben, ohne jegliche Bereitschaft zu Veränderung, ist unglaubwürdig und zu wenig. Aber wir müssen nicht alles sofort perfekt machen. Gar nichts zu tun, ist in diesem Fall deutlich schlimmer, als wenigstens ein bisschen etwas zu tun.

Jeder Schritt schafft Aufmerksamkeit. Und je mehr Menschen Bescheid wissen und auf Veränderung pochen, desto mehr Druck können wir auf politische Akteure und EntscheidungsträgerInnen ausüben. Jede Person mehr, die auf Fleisch verzichtet oder das Auto stehen lässt, erhöht die Chance darauf, dass Gesetze und Regelungen erlassen werden, die den Klimawandel aufhalten und die Dritte Industrielle Revolution anstoßen können.