Die Hofburg zu Wien – der profane Spaziergang

Foto Satellit

Im Vorjahr hatte ich über die geschichtliche Entwicklung der Wiener Hofburg erzählt, heute wollen wir gemeinsam einen kurzen Spaziergang durch die historische Anlage machen. Unser Treffpunkt ist die Augustinerbastei, einem Baurest der alten Stadtmauern rund um die Innenstadt, die Mitte des 19. Jahrhunderts abgetragen worden sind.

Foto Stadtmauern mit Brunnenfiguren

Zur Zeit Maria Theresias wurde hier oben das Palais Taroucca errichtet, dem späteren ständigen Wohnsitz von Marie-Christine und ihrem Ehemann Herzog Albert von Sachsen-Teschen.

Nach erheblichen Umbauten im Sinne Herzog Albrechts und dessen aufgeklärten Gedankengutes fand das Ehepaar des im klassizistischen Stil erweiterten Stadtpalais die passenden Möglichkeiten der Präsentation ihrer schon damals bedeutenden Sammlungen.

Foto Dürer Hase

In einem Servitut seines Testaments verfügte der  Herzog, dass seine grafischen Kunstsammlungen weder geteilt noch veräußert werden dürften;

Foto Erzherzog Albert

Der spätere Erbe, Erzherzog Albrecht, Enkel des Kaisers Leopold II. hier sehen wir ihn hoch zu Ross,  übernahm die Sammlung im Sinne seiner Gründer. Ihm selbst als ausgebildetem konservativen Militär fehlte jegliche künstlerische Neigung. Er begnügte sich damit, die Sammlungen  zu erhalten und gut verwalten zu lassen. Heute kennen wir sie als die Staatliche Sammlung Albertina.

Foto Reiterstandbild Erzherzog Carl

Weiter spazieren wir entlang der eleganten Gartenfassade mit dem beeindruckenden herzoglichen Wappen Sachsen-Teschen  oberhalb der Terrasse

Foto Palais Gartenseite

in Richtung der Wiener Hofburg bis zum Ende der „Cortina“ Mauer, wo  wir nach einem kurzen Blick auf die Nationalbibliothek und die bewegliche Kunstinstallation von Georg Rickey, die von Carl Djerassi  (Erfinder der Anti-Baby-Pille, wofür der Nobelpreis an ihn verliehen wurde) der Stadt Wien gestiftet worden ist.

Foto Mobile von Car Rickey, USA

Dort scharf  nach links auf die Albertina Rampe einbiegen und langsam hinunterschlendern. Normalerweise vollgeparkt, ermöglicht sie uns heute einen autofreien Blick auf die Wiener Staatsoper.

Foto Albertina-Rampe

Am Fuß angelangt, geht es nach rechts kurz in die Goethegasse – wer würde ihn nicht kennen?

Foto Goethe

durch das Hofgartentor hinein in den Burggarten.

Foto Hofgartentor

Im 17. Jahrhundert ließ der sehr kunstsinnige Kaiser Leopold I. auf der Cortina-Rampe ein gewaltiges hölzernes Opernhaus für 5000 Besucher errichten, ein Logentheater mit drei Galerien. Wegen der nahenden Türkengefahr  im Jahr 1683 wurde es allerdings abgetragen.

Heute steht an ungefähr derselben Stelle das elegante Palmenhaus, das jüngste der zahlreichen kaiserlichen Gewächshäuser in Wien.

Foto Jugendstil Palmenhaus

Weiter spazieren wir tiefer in den Garten hinein und stehen vor einem eher unscheinbaren Reiterstandbild, klein im Verhältnis der üblichen monumentalen Reiterdenkmäler in der Stadt. Es zeigt uns Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, den geliebten Ehemann Maria Theresias.

Foto Denkmal Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen

Nach seinem so plötzlichen Tod in Innsbruck war es das allererste Reiterdenkmal dieser Art in ihrem Reich. Somit hatte sie ihr geliebtes „Mäusl“ immer im Blick.

Vorbei am berühmten Wolfgang Amadeus Mozart , dargestellt als wäre er soeben dabei, ein Musikstück zu Papier zu bringen. Alle kennen wir sein wohl berühmtestes Opernwerk „Die Zauberflöte“; heute noch, wie eh und je, gibt sie der Regie die verschiedensten Möglichkeiten der Interpretation in erstaunlich unterschiedlichen Sichtweisen … nicht aber für uns!

Foto Denkmal Bruder Mozart

Nachdem wir ihm unsere Reverenz erwiesen haben, wenden wir uns der Neuen Burg zu, gemächlich an der Schmalseite in Richtung Burgtor führt uns der Weg.

Das Gartentor,  das zur Ringstraße hinausführt, hat den Namen Babenberger Tor – ist uns das früher schon einmal aufgefallen?

Foto Schmalseite Neue Burg

Und haben wir jemals bemerkt, dass  an der Neuen Burg etliche verschiedene Reliefs im Gemäuer zu sehen sind? Allegorien, verschiedenes Kriegsgerät – alles als probates Mittel zur Darstellung der kaiserlichen Macht – das kommt uns sehr bekannt vor?!

Foto Medusa Medaillon

Vor uns sehen wir bereits das Burgtor, den verbliebenen Bauteil der ehemaligen Stadtbefestigungen rund um die kaiserliche Residenzstadt. Historisch sieht es aus, ist aber ein klassizistischer Neubau des frühen 19. Jahrhunderts als die napoleonischen Truppen 1809 im Auftrag ihres Kaisers Napoleon beim Abzug aus Wien große Teile sprengten. Wir werden das noch sehen.

Jetzt aber ein Blick auf die sehr interessante  Beleuchtung des Burgtores. Eindrucksvoll ist diese Lichtinstallation aus Anlass der jährlichen Feierlichkeiten zum Gedenken an den 8. Mai 1945. Das Konzert der Wiener Symphoniker zum „Fest der Freude“ ist Tradition geworden und zieht jährlich viele Menschen an.

Foto Burgtor Beleuchtung 8. Mai

Ja, der Heldenplatz … mächtig liegt er vor uns mit dem gewaltigen Bau der Neuen Burg. Heute ist sie Heimstätte verschiedener Institutionen wie zum Beispiel Sammlung der Historischen Musikinstrumente (SAM), Weltmuseum, Lesesaal der Nationalbibliothek und noch einiger mehr. Und sehr geschichtsträchtig ist der Balkon unter dem kaiserlichen Doppeladler.

Foto Neue Burg

Die Kriegsschäden sind längst beseitigt, nur alte Fotografien geben Zeugnis davon.

Dass vor 135 Jahren nicht nur das äußere Burgtor, sondern auch die Burgbastion vor dem Leopoldinischen Trakt verwüstete wurde, erzählt uns dieser alte Stich im Detail.

Foto Historische Ansicht

Durch diese brutalen Gewaltakte hat sich dann allerdings die Möglichkeit ergeben, die Durchgänge zur inneren Burg zu erweitern. In der Vergangenheit waren Pläne zu einer Stadterweiterung  immer wieder erwogen worden. Jetzt war der Zugang zum inneren Burghof erleichtert, und wir werden ihn gleich benützen. Sofort fällt uns das ungewöhnlich gefärbte Schweizer Tor auf.

Foto Schweizer Tor

Das  Mauerwerk passt so gar nicht in die in Wien übliche Gestaltung. Dieses dunkle Rot und das matte Schwarz … in Wien würde man sagen: das kommt mir spanisch vor! Und in diesem  Fall ist es vollkommen richtig.

Ferdinand, der jüngere Bruder von Kaiser Karl V., hatte seine Kindheit in Spanien verbracht, wuchs in der spanischen Tradition auf. Als er dann von seinem älteren Bruder Karl V. quasi nach Wien „versetzt“ worden war, brachte er etliche Einflüsse seiner alten Heimat mit. Er war der Auftraggeber für den Neubau eines prunkvolleren Eingangstores in seine Residenz. Nach der neuesten Mode, der Renaissance, sollte  der Zugang über den Burggraben errichtet werden und spanisches Flair und südländische Atmosphäre in die Stadt bringen.

Eklatanter Platzmangel in der Alten Burg machte später einen Neubau auf der anderen Seite des Turnierplatzes dringend erforderlich, heute als Amalienburg bekannt. Auch das ein Bau der Renaissance. Markanter Blickfang unter dem Dachtürmchen sind zweifelsohne die drei Uhren: eine astronomische Mondphasenuhr, eine Normal- und eine Sonnenuhr

Foto Amalienburg

Der eindrucksvollste Bau im inneren Burghof  allerdings ist der Reichskanzleitrakt, den wir alle sehr gut kennen.

Foto Reichskanzleitrakt

Es ist ein mächtiger Bau gekrönt von einer ebenso mächtigen Figurengruppe.

Mit seiner überdimensionierten Kaiserkrone, dem Familienwappen des Hauses Habsburg (noch ohne Lothringen),  umgeben von der Collane des Ordens vom  Goldenen Vlies und den fanfarenblasenden  Genien unterstreicht er den Machtanspruch Kaiser Karl VI. und seines  Wahlspruches: Constanter  continent  orbem  („Unabänderlich hält er die Welt zusammen“).

Weiter lenken wir unsere Schritte über den ehemaligen Turnierplatz, in der Mitte steht das Denkmal für Kaiser Franz II., I.  Auch er hatte ein Motto:“ Meine Liebe meinen Völkern“  – das klingt sehr eigenartig, war doch seine Regierungszeit geprägt von Polizeigewalten im Metternich‘schen System.  Also rasch vorbei an den kollosalen Herkulesfiguren des  Lorenzo Mattielli, ein flüchtiger Blick zum Wappen an der Alten  Burg lässt uns verblüfft innehalten. Kein Doppeladler?

Foto Wappen König von Ungarn

Dieses Familienwappen,  ursprünglich an der Gartenmauer der Alten Hofburg in der heutigen Reitschulgasse angebracht, wurde anlässlich der Errichtung der Winterreitschule hierher versetzt.  Zu dieser Zeit war Ferdinand NUR König, daher der Königsadler.

Weiter gehen wir an den monumentalen Herkulesfiguren des Lorenzo Mattielli vorbei, die die Durchgänge flankieren und  sind jetzt unter der Michaelerkuppel: ein kurzer Blick zur Gottfried-von-Einem-Stiege; der Komponist  hatte bis zu seinem Tod hier Wohnung genommen.

Foto Gottfried von Einem

Während des Hitlerregimes bot er Gefährdeten Unterschlupf in Maria Alm bei Ramsau, Feriendomizil der Familie.  Auch meiner Mutter und ihren beiden Kindern. Ich kann mich noch gut erinnern. Sein erstes bedeutendes Opernwerk  „Dantons Tod“, 1947 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, ist Kontrapunkt zum Nationalsozialistischen Regime.

Sein schriftlicher  Nachlass ist  zu seinen  Lebzeiten den Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien übergeben worden. Gleich vis à vis ist das uns allen sehr bekannte Tor zu den Kaiser-Appartements  etc.  Heute gehen wir nicht hinein, sondern wir sind gleich am Michaelerplatz.

Foto Michaelerplatz

Ein sehr ungewöhnliches Bild, alles leer… Selbst wenn es das Griensteidl noch gäbe, heute könnten wir nicht hinein – alles ist geschlossen!

Foto Großes Michaelerhaus

Förmlich springt uns das Große Michaelerhaus in das Auge, denn hier hat der junge Joseph Haydn in einer schäbigen, feuchten Dachkammer einige Zeit hausen müssen, ehe seine Karriere einen steilen Aufstieg am Hof des Fürsten Esterhazy  genommen hat. Rechts und links von uns gibt es die beiden barocken Brunnen. Sie  stellen des Kaisers Macht zu Land und zu Wasser dar. Der Brunnen mit den Fischen und Seeungeheuern  ist besonders eindrucksvoll und passt genau ins Heute!

Foto Neptun-Brunnen

Covid19 ohhhhh, schreit Neptun entsetzt.

Schnell gehen wir weiter und da sind sie, die weißen Hengste, auch sie im Corona-Modus. Nicht auf den ersten Blick erkennbar. 

Foto Spanische Hofreitschule

Und weiter auf den Josefsplatz hinaus zum Pallavicini; da möchte ich Euch etwas höchst Ungewöhnliches zeigen, eine russische Inschrift am Palais.

Foto Sowjetische Informationstafel

Schwer zu entziffern.

Es ist ein  Kontrollzeichen der Sowjetunion  während der Zeit von 1945 – 1955; wenn die interalliierte Zone, der erste Bezirk, unter  deren Kommando stand, wurden sämtliche Gebiete streng überwacht und die Kontrollen an Hausfassaden vermerkt.

Wieder stehen wir auf einem der weitläufigen Plätze der Wiener Hofburg.

Foto Augustinertrakt Josefsplatz

Sehr viel kann er uns erzählen, wie zum Beispiel, dass hier auch das Naturalienkabinett des Kaisers Franz I. sich befunden hatte. Als dann die Wiener Bevölkerung sich gegen das Haus Habsburg 1848 erhoben hatte, es zu erheblichen Kämpfen gekommen war, brach in diesem Teil neben der Augustinerkirche Feuer aus und vernichtete einen Großteil der Artefakte, so auch den armen Bruder Angelo Soliman, den der Kaiser trotz heftiger Proteste, besonders seiner beiden Töchter, nach dessen Tod  hatte mumifizieren lassen  und als Ausstellungsobjekt der Sammlung einverleibt hatte.- Feuer kann auch eine reinigende Wirkung haben.

Foto Nationalbibliothek

Eine weitere nicht ganz unwesentliche Tafel finden wir in der Nähe des Einganges zur Österreichischen Nationalbibliothek: Es ist ein hebräisches Lobgedicht aus der jüdischen Gemeinde in Mantua  auf  Kaiser Josef II., der durch sein  Toleranzpatent 1781/82 völlige Religionsfreiheiten gewährt hatte.

Noch rasch ein kurzer Besuch in der Hofkirche Sankt Augustin zum Epitaph für Marie-Christine, einem eindrucksvollen Werk des Venezianers Antonio Canova.

Foto Epitaph Marie-Christine

Der Kreis schließt sich, denn der Auftraggeber war Herzog Albert von Sachsen-Teschen in Erinnerung an seine geliebte Gattin und Gefährtin. Als Tochter von Kaiser Franz Stephan kannte sie die Bedeutung eines internationalen Netzwerks  nur zu gut, war selber auch mit eingebunden. Tatkräftig hat sie ihn bei seiner Sammelleidenschaft unterstützt.

Foto Albertinastiege

So landen wir wieder bei der Albertina und hätten uns gemeinsam Kaffee und Kuchen verdient – im Kaffee Sacher!