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Bruder? Cagliostro

Ingeborg A. 02.11.2023

Cagliostro – eine zwielichtige und vielschichtige Persönlichkeit. Von vielen seiner Zeitgenossen des 18. Jh. als Arzt, Wunderheiler, Prophet, Mystiker und erleuchteter Meister hochverehrt, man sah ihn sogar als zweiten Messias an, von anderen als Betrüger, Scharlatan, Kurpfuscher und Hochstapler verdammt – insbesondere von der Katholischen Kirche, der allein schon sein Freimaurertum aufs Äußerste verdächtig war. Wer war nun dieser Cagliostro? Aber lassen wir ihn doch selbst erzählen:

Verehrter Großkophta!

Liebe masonischen Brüder und Schwestern!

Liebe Maurer-Söhne und –töchter!

In dubio contra reo !! – Im Zweifel gegen den Angeklagten!

Ein erprobtes Regular des Heiligen Offiziums – der Inquisition:

Stets halte sich der Inquisitor an diese Regel. Zeugnisse aus dem Kreise der Angehörigen eines der Ketzerei Bezichtigten – also seines Weibes, seiner Kinder, seiner Verwandten oder Dienstleute – mögen gegen ihn gehört werden, aber nicht für ihn. Als Schutzzeugen sind die bezeichneten Personen durch die Stimme des Blutes, der Anhänglichkeit oder des Interesses beeinflusst nicht zugelassen.

Der Inquisitor beachte daher wohl: Wenn die erste Aussage eines Angehörigen oder Hausgenossen zu Ungunsten des Angeschuldigten geht und die zweite ihn entlastet, so ist nur der ersteren Wert beizulegen, nicht der zweiten… Im Notfall muss sich das Wort der Schrift bewähren: „Des Menschen Feinde sind seine Hausgenossen.“

Mein Stand vor dem „Unheiligen Tribunal“ war von Vornherein klar umrissen, eine mögliche Einstellung des Verfahrens oder gar ein Freispruch im Reich meiner Träume angesiedelt. Meine Antwort auf die Frage, wie ich denn mit wirklichem Namen hieße – reine Form – hieß mich das Heilige Offizium verhöhnen, in dem ich antwortete:

Ich bin, der ich bin!

Ich bin das Gestern. Ich bin das Heute. Ich bin das Morgen. Mein Name ist Geheimnis!

Mein Inquisitor, Seine Magnifizenz, Francesco Valerio de Zelada, Erster Kardinal-Staatssekretär und Minister der vatikanischen Regierung seiner Heiligkeit, Pius VI., konterte:

Zelada: Wenn Er uns nicht sagen will, wie Er mit richtigem Namen heißt und wo Er geboren, dann werden wir es Ihm sagen: Der angebliche Spross eines arabischen Sultans, der unter dem Namen Acharat am Hofe des Großmufti in Medina erzogen wurde und der später unter dem erlauchten Titel Graf Alessandro di Cagliostro ganz Europa heimsuchte – dieses den Märchen von „Tausendundeiner Nacht“ entsprungene Fabelwesen heißt mit bürgerlichem Namen Giuseppe Balsamo, von Beruf Federzeichner, geboren am 2. Juni 1743 zu Palermo, Sohn der Wäscherin Felicia Balsamo, geborene Bracconieri, und des Krämers Pedro Balsamo.

Seine Akte, die Akte Cagliostro, eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten und Schriftstücken, ist umfassend. Wir haben Ihn über Jahre hinweg observiert und seine Akte in verschiedene Rubriken geordnet.

Cagliostros freimaurerische Logentätigkeiten und andere Zeugnisse seines ketzerischen Treibens – Berichte über Cagliostros Kuren und Wunder – Cagliostros alchemistische Operationen – Der Großkophta und die ägyptische Bewegung – Cagliostro und die Halsband-Affaire, usf.

Also genügend Beweise, Ihn hierher vor das Hl. Offizium zu bringen.

Der Erste Kardinal-Staatssekretär war also willens, einen exemplarischen Inquisitionsprozess zu führen – nicht gegen einen kleinen häretischen Dumm- oder Querkopf, sondern gegen mich, angeblich den gefährlichsten und berüchtigtsten Abenteurer, Magier, Ketzer, Freimaurer und Illuminaten des Jahrhunderts.

Während Zelada seine „Beweise“ auf mich – den Inquisiten – einwirken ließ, dachte er wohl erneut über seine Beweggründe nach:

Zelada:

Dieser Prozess wird eine heilsame und abschreckende Wirkung auf das gesamte europäische Freimaurer- und Illuminatenwesen haben. Doch nicht nur das, denn seit die Pariser Volksmassen die Bastille gestürmt hatten, herrscht in Frankreich die Anarchie.

Überall werden, meist unter dem Schirme geheimer Freimaurer-Gesellschaften, Komplotte gegen die Souveräne und geistlichen Oberhäupter geschmiedet, auch im römischen Kirchenstaat.

Die Welt hat sich verändert, viele Menschen scheinen nicht mehr bereit, sich dem Diktat der Kirche und den von ihr aufgestellten Dogmen zu unterwerfen.

Der römische Machtanspruch ist auf das Äußerste gefährdet. Die seit beinahe 18. Jahrhunderten fest verankerten Grundpfeiler der katholischen Kirche drohen aus ihren Fundamenten gerissen zu werden. Wie wäre es um die Kirche bestellt, wenn alle Welt zu freiem, kritischem Denken aufgerufen, nicht mehr an Sünde, ewige Verdammnis glaubt?

Wie schon vor dem Kriegskabinett Pius VI. ausgeführt, das einen einzigen Tagesordnungspunkt zum Thema hatte, nämlich die Cautio criminalis Cagliostro, vermag der Teufel in vielerlei Gestalt, unter vielerlei Verkleidungen aufzutreten.

Seine verführerischste und gefährlichste Gestalt aber ist die des Heilkünstlers, Magus und Propheten. Unter dieser täuschenden Maskerade und dem usurpierten Titel eines Grafen von Geblüt hat sich Cagliostro in allen Ländern Europas eine ungeheure Zelebrität verschafft, mit seinen angeblichen Wunderheilungen und Weissagungen, seinen gottlosen und abergläubischen Doktrinen Abertausende von Menschen in seinen Bann gezogen und vergiftet.

Vor allem in Frankreich hat er mit Erfolg seine Netze gespannt und vermittels eines weitverzweigten freimaurerischen Logensystems nach dem ägyptischen Ritus zahllose Proselyten gemacht.

Selbst höchste geistliche Würdenträger, unter ihnen der Kardinal Rohan aus Straßburg, huldigen diesem falschen Messias und seinem ketzerischen Ritus. Eine Schande für die Heilige Mutter Kirche und das Papsttum.

Während man mich, den Inquisiten (meine Frau hielt man ebenfalls gefangen), wieder in das bestgesicherte Verlies in der Engelsburg verbrachte und mich mein Inquisitor Zelada mitsamt seinen Überlegungen verließ, erinnerte ich mich meiner aus rotem Saffian-Leder gebundenen Mappe. Beamte der Inquisition hatten sie im Hause des französischen Malers Belle, wo ich meine ägyptische Loge abzuhalten pflegte, in einem Geheimfach entdeckt und sogleich konfisziert. Die Mappe enthielt mein Manuskript, das den Titel trug:

Lach, Satan!

Bekenntnisse des Allesandro Conte di Cagliostro. Von eigener Hand im Kerker der Bastille verfasst‘. (Man hatte mich inhaftiert wegen der unseligen Halsbandaffaire.)

Es ist müßig, zu fragen: Wer war ich, Cagliostro, wirklich? Je nach dem Standpunkt und Blickwinkel des Betrachters wird immer ein anderer Cagliostro zum Vorschein kommen. Doch zweifellos war ich ein Mensch mit Charisma, großer Überzeugungskraft und überragender Schauspielkunst. Als Kultfigur an zahlreichen europäischen Höfen, verstand ich, Fürsten, Könige und Königinnen in meinen Bann zu ziehen.

Von vielen meiner Zeitgenossen als zweiter Messias, Arzt und Wunderheiler, Prophet, Magier, Alchemist, Illusionist und Logengründer vergöttert, von anderen, kritischen Geistern als Scharlatan, Blender und Betrüger verdammt, wie beispielsweise die „Nachrichten von des berüchtigten Cagliostro Aufenthalt in Mitau“ der Elisabeth Gräfin von der Recke an Dorothea Herzogin von Kurland zeigten. Mein Aufenthalt in Kurland nämlich (1779) hatte binnen weniger Monate eine derartige Faszination meiner Person auf die Hofgesellschaft ausgeübt, dass mir – vermittels einer Palastrevolution – die Regierungsgewalt in diesem kurländischen Herzogtum angetragen werden sollte.

Also, mir, Alessandro Conte di Cagliostro, geborener Giuseppe Balsamo. – Haben mich also viele Zeitgenossen bewundert und verehrt, mit den armseligen Verhältnissen, in denen ich aufgewachsen bin, hätte wohl keiner von ihnen tauschen mögen. Der frühe Tod meines Babbos ließen meine Mammina, meine Schwester und mich des Nötigsten zum Überleben beraubt, zurück, so dass wir nunmehr von der Gnade meiner Onkel abhängig waren. –

Meine Kinder- und Jugendjahre in Palermo beschäftigen mich nur noch am Rande, eines ist jedoch gewiss, hier ward die Plattform geschaffen für meinen späteren Aufstieg:

Ausgezeichnet mit vielerlei Talenten, lernte ich bereits als Kind von Gauklern die mannigfaltigsten Kunststücke und Taschenspielertricks. Das Phänomen der menschlichen Sinnes-, Wahrnehmungs- und Denktäuschungen faszinierte mich Zeit meines Lebens. Und wie ich dieses Phänomen gelebt habe… ja, eigentlich bestand ich nur aus Täuschung und letztendlich täuschte ich mich auch selbst.

Ursprünglich vorgesehen für die geistliche Laufbahn – die billigste Lösung, hatte man doch einen Esser weniger, verbrachte mich meine Familie zunächst in das Seminar San Rocco, später in das Kloster der Brüder der Fatebenefratelli in Caltagirone Dort erfuhr ich zunächst als Apothekerlehrling erste Begegnungen mit der wundersamen Welt der Alchemie. Später dann in ebendiesem Kloster teilte man mich dem Bruder Krankenpfleger als Lehrling und Gehilfen zu.

Nach meiner Flucht vor den (w)armen Brüdern jener von Fatebenefratelli nahm ich Zeichenunterricht, wurde Federzeichner und schließlich Gehilfe bei einem meiner Onkel, der als Advokat tätig war. Dass ich mein spärliches Salär durch gewisse Transaktionen aufbesserte, wurde mir letztendlich zum Verhängnis, was meine Flucht nach Neapel zur Folge hatte. Die darauffolgende einjährige Lehrzeit bei Dottore Ambrosio legte gewissermaßen den Grundstein für meinen weiteren Weg als Arzt und Wunderheiler und vieles mehr, was die Menschen meiner Zeit in mich hinein interpretierten.

Gereist bin ich Zeit meines Lebens viel. – Nach meinem neapolitanischen Lehrjahr führte mich mein Weg nach Messina, wo ich mit aller Art von Betrügereien, Gauklerkunststücken und dem Fälschen von Münzen und Papieren meinen Lebensunterhalt bestritt.

Verschiedene Reisen im östlichen Mittelmeerraum ließen mich schließlich 1766 Malta erreichen, und als persönlicher Diener und Sekretär begleitete ich einen jungen Malteser-Ritter auf seinen Reisen nach Palästina und Ägypten, die er im Auftrag seines Ordens unternahm. Manche meiner Biographen meinen, ich hätte mich auch in Persien aufgehalten. Nun, wie es auch war – es ist lange her. Jedenfalls haben mich meine Aufenthalte im Orient einiges gelehrt, wie die Vertiefung meiner medizinischen Kenntnisse, der Chemie und viele in Europa unbekannte oder längst vergessene Techniken der Effekthascherei und des Trickbetruges.

Weitere Reisen, weitere Stationen. Im Grunde genommen war ich ständig auf der Flucht.

Ach, habe ich schon erzählt, dass ich am 20. April 1768 die Römerin Lorenza Feliciani heiratete? Wie ich aus einfachen Verhältnissen stammend, avancierte sie einige Jahre später zur Gräfin… Serafina, aber darüber etwas später.

Nun gingen wir – Lorenza und ich – gemeinsam auf Reisen. Wir bereisten unter wechselnden Namen ganz Europa und verkehrten häufig in den vornehmsten Häusern. Reisende in Sachen Alchemie und Geisterbeschwörung. Natürlich gab es anfänglich oft finanzielle Engpässe, doch der Not gehorchend, schreckten wir auch vor schlichter Prostitution nicht zurück. Lorenza möge mir verzeihen!

Meist waren unsere Abreisen überstürzt, sozusagen in letzter Sekunde, weil uns die örtlichen Behörden auf den Fersen waren oder weil sich anderswo günstigere Lebensumstände zu bieten schienen. So ging es einige Jahre auf diese Weise – oft unter Titel und Namen „Graf Balsamo“.

Meine schon erwähnten zahllosen Reisen quer durch Europa möchte ich nicht im Einzelnen abhandeln, aber die „highlights“, wie mein späterer Londoner Mäzen Sir Edward Hales, zu sagen pflegte, sollen diesem erlauchten Kreis nicht vorenthalten werden.

In Malta, einem weiteren „highlight“ meiner Laufbahn wurde ich schließlich der, unter dem mich die Welt kannte: Cagliostro. Hier entstand das Konzept – gemeinsam mit meinem Mentor (dem Malteser Ordensritter) – und unter der Patronanz des Großmeisters Pinto –, das mich vom Gelegenheitsgauner zum fahrenden Arzt, Magus und Freimaurer werden ließ.

Dank der Großzügigkeit Pintos und ausgestattet mit der Mitgliedschaft im altehrwürdigen Malteserorden, dem zukünftigen Entreebillet in die Londoner Großloge der Schottischen Ritter, gelangten wir m Jahre 1776 ein weiteres Mal nach London.– nach unserer „zweiten Taufe“ (man gab uns die Namen Alessandro Graf Cagliostro und Serafina Gräfin Cagliostro, geborene Prinzessin in Trapezunt).

In London lächelte uns Fortuna diesmal endlich gnädig, denn schnell wurde mir der Ruf eines außerordentlichen Wunderheilers und Wahrsagers zuteil. Zu meinen Spezialitäten zählte die Voraussage von Lotterienummern (natürlich ein ausgemachter Schwindel, der Dank erfolgreicher Bestechung eines Lotteriebeamten sehr einträglich war). Und mit dem Verkauf eines von mir entwickelten „Lebenselixiers“ klingelten endlich wieder Münzen in unseren Beuteln. So fällt in das Jahr 1776 also mein legendärer Aufstieg – seien wir ganz ehrlich – vom kleinen Betrüger zur messianischen Gestalt für weite Kreise der besseren Gesellschaft Europas.

Um diesen Qualitätssprung zu unterstützen und weil man mich berief, trat ich – wie in Malta bereits geplant und vorbereitet – 1777 der Freimaurerloge „Loge der Hoffnung“ bei, die zum Zweig der Strikten Observanz gehörte und der ebenso reichen wie mächtigen „Großloge von England“ unterstand!

Ich will mich aber nicht schlechter machen, wie meine Gegner mir üblicherweise unterstellen, denn ich habe die Idee der Humanität, Toleranz, und besonders der Wohltätigkeit – vor allem armen Bevölkerungsschichten gegenüber – sehr begrüßt. Wohl deshalb, weil eingedenk meiner eigenen Herkunft, in mir der Wunsch erwuchs, meine zahlungsunfähige Klientel kostenlos zu behandeln.

So viel zu meinem „sozialen Gewissen“, darüber verfüge auch ich, und war am Höhepunkt meiner einzigartigen Laufbahn dazu durchaus in der Lage. Mit den Prinzipien des Valentin Andreae Rosencreutz vertraut, wollte ich selbstverständlich entsprechend handeln, wonach es u.a. hieß: „Behandle die Mächtigen, Reichen und Hoffärtigen so, wie sie es verdienen; doch vergiss nie deine christliche Pflicht gegenüber ärmeren und bedürftigen Mitbrüdern und Schwestern…“.

Ich tat nicht nur Gutes, ich sprach auch darüber! Sollte die Welt doch wissen, mit wem sie es hier zu tun hatte! So gesehen, war mein soziales Engagement auch ein probates Mittel zur Förderung meiner Popularität.

Dass die „Loge der Hoffnung“ in London auch meiner Gattin den Zutritt gewährte, hatte ich zur Bedingung meiner Mitgliedschaft gemacht. Zwar hatte der Schatzmeister Sir Archibald schwer daran zu kauen gehabt – denn nach den Statuten waren keine Frauen zugelassen -, doch schließlich hatte er meine Bedingungen akzeptiert: Als Ausdruck unserer ganz besonderen ‚Wertschätzung Ihrer hochmögenden Person und der geheimen Wissenschaft, mit der Sie unsere Loge hoffentlich beglücken werden.

Aber es kam noch besser, denn nachdem ich als neu rezipierter Lehrling die neuen Brüder von meiner „überragenden Sehergabe“ überzeugt hatte, indem ich ihnen die Botschaft eines verstorbenen Meisters übergab, rief Sir Archibald:

Archibald: „Brüder und Meister! Es dürfte unserer Loge kaum zur Ehre gereichen, einen so begnadeten Kabbalisten und Seher wie Cagliostro als Lehrling aufgenommen zu haben. In Abweichung des Rituals schlage ich vor, ihn unter Umgehung des Gesellengrades noch heute zur Meisterprüfung zuzulassen und ihn sogleich in den dritten Grad zu erheben!“

Meine Meisterprüfung legte ich – verbundenen Auges – nach außen hin mit Bravour ab (mit schlotterten die Knie, ich war in Schweiß gebadet – aus Angst, dass man mir doch noch auf die Schliche kam). Doch nichts von alledem. Nachdem ich bewusst „in Ohnmacht“ gefallen war, waren meine Schottischen Ritter nicht mehr zu halten. Begeistert schrie der Venerable Br. Archibald:

Archibald: Ich begrüße den neuen Großmeister der Strikten Observanz, seine Herrlichkeit, den Grafen Alessandro di Cagliostro‘.

So wurde ich an einem Abend vom Lehrling zum Großmeister gekürt. Doch nicht nur dies: Einige Zeit später berief mich Sir Archibald zum Grand Expert, um im Auftrag der Strikten Observanz als Visitator, die zahlreichen Schwesterlogen am Kontinent zu bereisen.

Was mir im Vorfeld gewissermaßen als eine Art Aufstiegshilfe erschien, erwies sich bald als faszinierende Möglichkeit „wundersamer“ Geldvermehrung…unter Brüdern? Das Entree nicht für die bessere, nein für die höchste Gesellschaft. Abgesehen davon, war die masonische Bruderschaft meiner Zeit durchdrungen von glanzvollem Gepränge, hehren und würdigen Auftritten, was meinen Intentionen sehr entsprach.

Deshalb reifte in mir die Idee für etwas noch Pompöseres, Mystischeres. Wie schon in Malta, wie man sich heutzutage ausdrückt, angedacht, hatte ich vor, einen eigenen Orden zu gründen, der die Weisheit des Orients und die älteste Quelle der mystischen Offenbarungen mit der christlichen Religion verband und den Mitgliedern aller Konfessionen und Glaubensrichtungen offenstehen sollte.

Zugleich sollte sein Ritus so einzig in seiner Art sein, dass ich die Konkurrenz der zahlreichen anderen Freimaurerlogen, die wie die Pilze aus dem Boden schossen, nicht mehr zu fürchten brauchte.

So entstand der „Ägyptische Orden“!

(In der Folge traten dem Orden die mächtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten – vor allem Frankreichs -, und erklärte Gegner der herrschenden Bourbonen, bei.)

In Lyon begegneten mir die hiesigen Freimaurer und ihre Meister vom Stuhle zu anfangs mit kühler Reserve. Dann aber vollbrachte ich ein biblisches Wunder, indem ich einen Mann und Familienvater, den Arzt und Leichenbeschauer bereits aufgegeben hatten, wieder zum Leben erweckte. Nun liefen die Brüder der zwölf Lyoner Logen scharenweise zu mir – dem „neuen Heiland“ – über, denn sie waren ganz versessen darauf, in die höheren ägyptischen Mysterien eingeweiht zu werden

So beschloss ich als „Großkophta“, wie ich mich ab nun titulierte, und auf Drängen meiner Jünger hier die Mutterloge meines ägyptischen Ordens zu errichten, den Neuen Tempel Salomonis. Mit den von mir entworfenen Logenpatenten und Logendiplomen blühte mir ein einträgliches Geschäft; mussten doch meine Adepten, die mich mit DER GROSSE ANFANG anzureden hatten, dafür tief in die Tasche greifen:

Nach dem Geheimnis des Osiris, wonach zwölf unsterbliche Magier und Eingeweihte den Erdball regieren, einer von ihnen alle hundert Jahre wiedergeboren werde, um die Menschheit zu erleuchten, sei ich, der GROSSKOFTO, eben jener, in allen morgen- und abendländischen Teilen der Erde vom Allerhöchsten gesandt, um den Menschen das Licht zu bringen, sie zu höherer Vollkommenheit zu führen und hienieden das Neue Jerusalem zu errichten.

Da die ägyptische Loge auf dem Prinzip der Gleichheit beruhte, waren die Bürger aller Stände und aller Konfessionen zugelassen. – Als „Großkophta“ oder „Großkofto“ betrachtete ich mich selbst als Wiederhersteller der „wahren und ursprünglichen Maurerei“ sowie als Mittler zwischen dem christlichen Okzident und dem Orient – nach dem Motto: „Ex oriente lux!“

Auch Frauen waren zugelassen!

Für den später gegründeten Memphis-Misraïm-Ritus (1805 in Venedig) setzte ich durch meine Ordensgründung wichtige Impulse. Diese Memphis-Loge entstand längst nach meinem Übergang in den Ewigen Osten.

Wie gesagt, ich ließ in meinem Orden Männer und Frauen zu, wobei mir Serafina bei der Initiation weiblicher Neophyten assistierte. Sie pflegte dann die Gesichter ihrer Neophyten mit folgenden Worten anzuhauchen: „Ich hauche dir diesen Atem ins Gesicht, um in deinem Herzen die Wahrheit keimen zu lassen, in deren Besitz wir sind; ich hauche hinein, um deine guten Absichten zu stärken und dich im Glauben deiner Brüder und Schwestern zu bestätigen…“

Später erhielten die Frauen weiße Gewänder und nahmen an einer Zeremonie teil, bei der sie ermutigt wurden, die „schändlichen Bande“ ihrer männlichen Meister abzuwerfen. Danach wurden sie in den Garten und dann in einen Tempel geleitet, wo sie eine „einführende“ Begegnung mit mir selbst hatten.

Bei dieser Gelegenheit pflegte ich nackt auf einer goldenen Kugel aus dem Tempeldach herabzuschweben und meine Neophyten aufzufordern, im Namen der Wahrheit und Unschuld ihre Kleider abzulegen. Nun erklärte ich ihnen die symbolische Natur ihres Strebens nach Selbsterkenntnis, ehe ich wieder die goldene Kugel bestieg und zur Tempelkuppel empor schwebte.

Dies alles taten Serafina und ich allerdings nicht unbedingt aus reiner Nächstenliebe, denn die eingeweihten Damen bezahlten 100 Louisdor Teilnahmegebühr. Doch stammten viele der Damen aus der Aristokratie und konnten sich das durchaus leisten.

Nach dem Vorbild meiner Lyoner ägyptischen Loge sollten noch weitere Gründungen in verschiedenen Ländern Europas folgen, die sich großer Beliebtheit erfreuten, dank des phantastischen Rituals, das meine Zeitgenossen offensichtlich sehr faszinierte.

Wie mir mein späterer Inquisitor vorwarf, fand es die römische Kirche aber höchst verwerflich, dass meinem ägyptischen Orden orthodoxe Christen, Protestanten, Calvinisten, Juden, Beschnittene und Ketzer aller Art angehörten, sollte doch ein Zeichen der Versöhnung gesetzt und eine neue Ökumene gestiftet werden.

Mit immer größerem Erfolg führte mich mein Reiseweg weiter – Serafina immer an meiner Seite – meine spiritistischen Sitzungen, alchemistischen Experimente und Prophetien fanden ihre Fortsetzung in den Niederlanden, in Deutschland, in der Schweiz, sogar bis nach St. Petersburg gelangten wir.

Wie wir uns den persönlichen Zorn der Zarin Katharina der Großen zuzogen, vermag ich allerdings nicht mehr zu sagen, konnte ich doch zahlreiche Wunderheilungen und die Einrichtung eines Armen-Krankenhauses meinem Konto verbuchen. Mit knapper Not entgingen wir der Verhaftung – uns blieb nur noch die Flucht aus dem Russischen Reich.

Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Warschau nahmen wir Wohnsitz in Straßburg. In Straßburg fand ich meine treuesten Anhänger…und Finanziers: den Kardinal Rohan aus höchstem französischem Adel, den Basler Bankier und Kaufmann Jacob Sarasin und den Philosophen und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater.

Nach einigen weiteren Etappen ließen Lorenza-Serafina und ich uns 1785 in Paris nieder – sozusagen als Nachfolger des im Jahre zuvor abgereisten Wunderheilers Messmer. Man empfing uns mit offenen Armen. Auch mein ägyptischer Ritus wurde sehr erfolgreich angenommen, alles lief nach meinen Erwartungen, bis…

Ja, bis zur Halsbandaffäre, an deren Beteiligung man mich fälschlicherweise bezichtigte und mir die Kerkerhaft in der Bastille eintrug. Der Prozess, den der französische Staat gegen mich führte, endete zwar mit Freispruch, doch der Landesverweis aus Frankreich durch den König blieb uns beiden nicht erspart.

(Doch das mir vom Illuminaten-Bund aufgetragene Ziel, das Ansehen des Herrscherhauses zu untergraben, Empörung im Volk zu schüren, war durch meine Intrige erreicht worden. Der französische Thron wackelte bedenklich.)

Die eigentliche Hauptverantwortliche, Jeanne de la Motte-Valois, spiegelte Kardinal Rohan vor (erkennen Sie die Querverbindung? Mein Einfluss auf Rohan war Legende), er könne sich Hoffnungen auf die Gunst der Königin Marie-Antoinette machen, und bot sich als Vermittlerin an. In diesem Zusammenhang gelang es ihr, ein überaus kostbares und ein Vermögen wertes Halsband, das der Kardinal der Königin zugedacht hatte, an sich zu bringen und auf eigene Rechnung zu verkaufen.

Im letzten Abschnitt meines turbulenten Lebens überlasse ich meinem Ankläger, dem Kardinal-Staatssekretär Zelada, noch einmal das Wort:

Zelada: Heiliger Vater, verehrte Magnifizenzen und Eminenzen!

Nachdem Cagliostro aus Frankreich ausgewiesen und als gefährlicher Betrüger und Ränkeschmied erkannt worden war, irrte er mit seiner Gattin durch halb Euroipa.

Kein Land wollte ihn mehr aufnehmen, nur der Kirchenstaat war so gnädig, ihm freies Geleit nach Rom zu gewähren. Das Hl. Offizium hat ihn zunächst als Informant zur gewinnen versucht, da er als weitgereister Mann eine unschätzbare Erfahrungsquelle bezüglich der freimaurerischen Geheimgesellschaften Europas darstellt, jedoch hat er sich der Zusammenarbeit verweigert. Stattdessen hat er in Rom eine geheime Loge nach dem ägyptischen Ritus gegründet – und damit wissentlich gegen die Verdammungsbullen Clemens‘ VII. und Benedikts XIV. gegen die freimaurerischen Zusammenkünfte und Logen verstoßen.

Das Hl. Offizium ist auch im Besitze eines Schreibens Cagliostros, das dieser an die französischen Generalstände richtete:

‚Voller Bewunderung und Verbundenheit mit dem französischen Volk sowie aus Respekt gegenüber seinen Gesetzgebern und Volksrepräsentanten sehne ich mich danach, ohne Gefahr in das Land meines Herzens zurückzukehren und den Rest meines Lebens im Schoße einer Nation zu verbringen, aus dem mich ein willkürliches königliches Edikt verwiesen hat.‘

Zelada: Heiliger Vater, verehrte Magnifizenzen und Eminenzen!

Die Französische Revolution droht die bisherige Ordnung der Welt umzustürzen. Die Privilegien des Adels und des Klerus wurden abgeschafft, die Kirchen und Klöster geplündert und angezündet. Die geplante „Zivilkonstitution des Klerus“ sieht vor, alle Priester und geistlichen Würdenträger fortan dem Staate zu unterstellen. Dies ist die schlimmste Beleidigung gegen das Papsttum

Ich plädiere, an dem Sendboten der Revolution in Gestalt des Grafen Cagliostro ein Exempel zu statuieren, in dem wir, als Diener der heiligen Kirche und des Stuhls Petri, selbigen einem hochnotpeinlichen Inquisitionsprozess unterwerfen. Wir sind aufgerufen, unsere christliche Sendung und Wehrhaftigkeit zu beweisen.

In Gloriam coeli Dei!

***

Der Prozess gegen Cagliostro wegen Häresie, Zauberei und Freimaurerei zog sich bis ins Jahr 1791 hin – man konnte unter anderem auch seine Frau Lorenza/Serafina als Zeugin gegen ihn beeinflussen – und endete mit einem Todesurteil, das Papst Pius VI. in lebenslange Kerkerhaft umwandelte. In seinem Gefängnis, der Festung von San Leo bei Montefeltre im Herzogtum Urbino, ging Cagliostro am 26. August 1795 in den Ewigen Osten ein, zwei Jahre bevor die französischen Revolutionsheere in Rom einmarschierten. Seine Prophezeihung erfüllte sich: Der Kirchenstaat wurde mitsamt dem Hl. Offizium aufgelöst, Papst Pius VI. von Napoleons Truppen verschleppt und schließlich in die südfranzösischen Stadt Valence deportiert, wo er im Jahre 1799 verstarb.

Geld – Gold – Alchemie und Freimaurerei

Markus J. 30.11.2023

In der profanen Welt dreht sich (fast) alles um das „liebe“ Geld. Es treibt die Menschen an,
bedeutet für sie Energie. Bei den einen schürt es die Gier nach mehr davon, bis vielleicht der
Kollaps gewagter Finanzkonstrukte folgt. Bei anderen löst die laufende Beschäftigung mit
einem zu wenig an Geld nach dem Gesetz der Anziehung noch mehr gefühlten Mangel daran
aus.
Das Wort Geld stammt vom althochdeutschen gelt, das so viel bedeutete wie Entgelt, Zins,
Lohn, Opfer, Einkommen, Wert oder gelten. Bereits Aristoteles erkannte die auch heute
unumstrittenen drei Funktionen des Geldes als Tauschmittel, Wertmesser und
Wertaufbewahrungsmittel.
Für viele bestimmt der Geldbesitz, ob das individuelle Streben nach Freiheit (finanzielle
Unabhängigkeit) und Zufriedenheit, aber auch nach sozialem Einfluss und Macht befriedigt
werden kann. Geld zu bekommen bedeutet Wertschätzung. Menschen sind bereit, für Geld
zu arbeiten; dabei werden sie zu Wettbewerbern und Konkurrenten. Kämpfe und Kriege sind
um Schätze entstanden, und mancher hätte mit einem kleineren Schatz länger gelebt.
Gleichwohl, ob der Schatz in Form von Geld oder wie früher aus Gold besteht.
Gold wird mindestens seit sechs Jahrtausenden vor allem für rituelle Gegenstände und
Schmuck verwendet sowie seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. in Form von Goldmünzen als
Zahlungsmittel genutzt.
Der Goldabbau in Europa war nicht sehr ergiebig und so wurde die Gier nach Gold mit der
Vormachtstellung der europäischen Seemächte Spanien, Portugal, England und Italien zu
einem maßgeblichen Grund für Kriege und Eroberungszüge der Neuzeit. Im 19. Jahrhundert
führten Funde in Kalifornien und Alaska, aber auch in Australien und Südafrika zum
Goldrausch.
Solange die frühe Erde noch keine feste Kruste hatte, ist alles Gold aufgrund seiner hohen
Dichte ins Erdinnere gewandert. Wir finden heute nur noch Gold, das nach der
Krustenbildung durch einen Supernova-Kernkollaps auf die Erde gelangt ist oder durch
vulkanische Prozesse wieder an ihre Oberfläche kam.
Beim Abbau von Gold kommen häufig hochgiftige Chemikalien wie Arsen, Quecksilber und
Zyanid zum Einsatz. Durch Fortschritte in den Gewinnungsmethoden, Vernachlässigung der
Abfallproblematik und bei hohem Marktpreis lohnt sich sogar der Abbau von Erz, das nur ein
Gramm Gold pro Tonne enthält. Alte Abraumhalden ehemaliger Goldvorkommen werden
deshalb mittels verbesserter Technik nochmals aufgearbeitet.
Gold war immer ein knappes Gut und daher heiß begehrt. Es repräsentierte Reichtum und
Macht. Die Hoffnung, Gold künstlich herstellen zu können, wurde daher von vielen Kulturen
über Jahrhunderte gehegt. Dabei entstand unter anderem die Sage vom sogenannten Stein
der Weisen, der von den Alchemisten Gold aus unedlen Metallen entstehen lassen sollte. Die
Alchemie wurde gelegentlich als „künstliche Darstellung von Silber und Gold“ oder schlicht
als „Goldmacherei“ aufgefasst.

Die Herkunft des Wortes Alchemie ist eng mit ihrer geschichtlichen Entwicklung verbunden.
Zu den Grundlagen gehören Astrologie, Magie, Kabbala und Hermetik. Das Wort Alchemie
leitet sich vermutlich vom arabischen al-kimiya ab als Name, mit dem die alten Ägypter ihr
Land bezeichneten bzw. vom griechischen chymeia als Lehre des Schmelzens und Gießens.
Im chinesischen steht kim-lya für Goldmachersaft und kem für Transmutation.
Bereits um 3500 v. Chr. gab es sumerische Metallarbeiter in Mesopotamien, um 3000 v.Chr.
ägyptische Goldschmiede. Im 1. Jh v. Chr. entwickelte sich die chinesische Alchemie mit dem
Taoismus zu Philosophie und Religion. In der alexandrinischen Epoche im 3. Jh. n. Chr., auch
als 1. Blütezeit bezeichnet, entwickelte sich die griechisch-ägyptische Alchemie. Ägypten als
Khem, das „dunkle Land“, steuerte die Technologie über Erfahrungen in Chemie, Metallurgie
und im Färben von Glas bei; weitere Grundlagen bildeten die babylonische Astrologie, die
ägyptische Zauberkunst, die griechische Philosophie und die jüdisch-christliche Mystik.
Im 5. Jh. n. Chr. kommt die arabische Alchemie ins Spiel, 3000 Texte wurden ins Syrische
übersetzt. Im 11. und 12. Jh. werden arabische Texte in Toledo in Latein übersetzt. Ein
holisƟsches Weltbild mit Mikrokosmos und Makrokosmos entwickelt sich und läutet die 2.
Blütezeit ein. Das 12. und 13. Jh. brachte die Ausbreitung der Alchemie in Westeuropa,
ausgehend von den Universitäten in Palermo, Toledo, Barcelona und Segovia.
In der 3. Blütezeit im 17. und 18. Jh. begann die Spaltung der Alchemisten: die einen
beschäŌigten sich mit den naturwissenschaŌlichen Aspekten der Alchemie und begründeten
allmählich die Chemie. Die „spirituellen“ Alchemisten wendeten sich von den
„naturwissenschaftlichen“ Alchemisten ab und den Rosenkreuzern zu, einer Bruderschaft
(„Fraternitatis Rosae Crucis“), die sich frommen Werken wie der Heilung von Kranken
widmete.
Die Alchemie ist natürlich auch mit Namen verbunden. Aus dem alten Ägypten und der
Antike ist zunächst der legendäre Hermes Trismegistos hervorzuheben („dreimalgrößter
Hermes“, weil er auf der Erde, im Himmel und in der Unterwelt (Hades) als König, Priester
und Alchemist wirkte), dessen Name als Gründungsmythos der historisch beispiellosen
Verbindung von chemisch-technischer Praxis und Naturphilosophie gilt. In dieser Gestalt sind
neben unbekannten früheren Alchemisten auch zwei Götterfiguren, der ägyptische Thot, der
Schöpfer der Weisheit und Magie, und der griechische Hermes, der für die Hellenen die
Personifikation allen Wissens und des schöpferischen Geistes war, vereinigt. Hermes
Trismegistos war erster Namensgeber der Alchemie (Hermetische Kunst, ars hermetica) und
wird mit dem allmächtigen Baumeister aller Welten assoziiert.
Weitere Namen aus der Antike sind Empedokles (ca. 490 – 430 v. Chr.), Demokrit (ca. 470 –
380 v. Chr.) und Pseudo-Demokrit, Maria, die Jüdin und Kleopatra, die Alchemistin (ca. 300 –
400 n. Chr.). Aus dem arabischen Kulturkreis ist insbesondere Geber (ca. 721 – 815) zu
nennen, der als Vater der Chemie gilt.
Abendländische Vertreter sind insbesondere Albertus Magnus (Albert von Lauingen; vor
1200 – 1280), Roger Bacon (1214 – 1292/94), Paracelsus (1493 – 1541), John Dee (1527 –
1608), Elias Ashmole (1617 – 1692), Isaac Newton (1643 – 1727; hielt dies zeitlebens
geheim), Robert Boyle (1627 – 1692) und Johann Friedrich Böttger (1682 – 1719).
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Auch Goethe hat sich in seinen jungen Jahren intensiv mit Alchemie und mit „Luftsalz“ und
„Kieselsaft“ beschäftigt.
In die Übergangszeit von der Alchemie zur Chemie im 17. Jahrhundert fiel der Beginn der
spekulativen Freimaurerei. Das Ende der Alchemie kam im 18. Jahrhundert.
Nebst ernsthaften Alchemisten gab es auch Scharlatane und Goldmacher, die Königen und
vermögenden Personen versprachen, Blei und andere unedle Metalle in Gold verwandeln zu
können. Raimundus Lullus machte sich an die Ausarbeitung eines Prozesses zur Gewinnung
des Lapis („Stein der Weisen“) und schreibt 1332 in dem ihm zugeschriebenen
„Testamentum“, er habe in London gelebt und für König Edward III. (1312 – 1377) aus
Quecksilber, Zinn und Blei 60.000 Pfund Gold gefertigt. Dies ist die größte Menge künstliches
Gold, die je von einem einzelnen Adepten (einem Kundigen der Kunst Alchemia) fabriziert
worden sein soll.
Ein weiteres Beispiel ist Rudolf II. von Habsburg, den seine Leidenschaft für die Alchemie in
den Ruin trieb.
Die Goldmacher waren, wie die meisten Hochstapler, von einnehmendem Wesen, mit der
Hofeetikette vertraut, kultiviert und gebildet. Ob jemand sein Vermögen damals an einen
Goldmacher oder heute an einen sogenannten Finanzinvestor verliert, ist letztlich völlig
gleichgültig.
Eine Definition der Alchemie mit einem Wort wäre Transmutation. Damit meinen die
Alchemisten eine allmähliche Änderung aus einem niederen Zustand zu etwas Edlerem. Alle
Dinge auf Erden würden sich weiterentwickeln bzw. wachsen. Unedle Dinge wurden in ihrem
Reifeprozess unterbrochen oder sind unvollkommen geblieben. Mithilfe der Alchemie sollte
dieser Prozess fortgeführt und beschleunigt werden. Ein Leitspruch in den Laboratorien
lautete daher: „Die alchemisƟsche Kunst vollendet was die Natur begonnen hat.“
Den mythologischen Zeitpunkt, zu dem der Reifeprozess aller Dinge (vielleicht sogar im
ganzen Universum) unterbrochen worden ist und sich sehr stark verlangsamte, sehen die
Alchemisten den Zeitpunkt als Eva und Adam durch die Schlange verleitet vom Baum der
Erkenntnis über Gut und Böse gegessen hatten und aus dem Paradies verbannt wurden.
Vor dem Sündenfall sollen Adam und Eva ein zweigeschlechtliches Wesen in einem Körper
gewesen sein. Deshalb finden sich in der Alchemie immer wieder die Symbole eines
zweigeschlechtlichen Hermaphroditen, eines Baumes und der Schlange. In der
Paradieserzählung der Bibel wird bildhaft zum Ausdruck gebracht, dass etwas, was zuvor eins
war, sich voneinander abspaltete. Die Alchemisten sehen daher den eigentlichen Sündenfall
in Form der Trennung des hermaphroditischen, androgynen Menschen durch das Feuer der
Erkenntnis in eine männliches und ein weibliches Geschöpf.
Die modernen Wissenschaften haben den Sündenfall als sagenumwobenen Zeitpunkt
gleichsam in ihre Theorie des Urknalls übernommen mit der Explosion aller Materie im
Universum an einem Ort zu einem weit enƞernten Zeitpunkt. Diese Explosion soll zu einer
endlichen aber bereits lange andauernden Expansion allen Seins im Universum geführt
haben.

Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) war der für die Elementenlehre der Alchemie wichtigste
Philosoph. Er ging von einer Urmaterie (materia prima) aus und postulierte vier
Grundqualitäten. Durch Ansatz von jeweils zwei dieser Grundqualitäten gelangte er ebenso
zu vier Elementen: Feuer (warm – trocken), Luft (warm – feucht), Erde (kalt – trocken) und
Wasser (kalt – feucht). Jeder irdische Körper, auch der Mensch, bestünde demnach aus allen
vier Elementen in wechselnden Mischungsverhältnissen.
Die frühen Mediziner behandelten Krankheiten als Imbalance der Elemente durch Zufuhr
eines fehlenden Elements oder leiteten ein Zuviel ab.
Eine weitere Bezeichnung für das Große Werk, die Gewinnung des Steins der Weisen, ist die
Quadratur des Kreises. Der Kreis steht für Gott und Himmel und das Quadrat für Mensch und
Erde. Die „unmögliche“ Aufgabe, den Kreis in ein Quadrat zu überführen steht für die
Überführung eines unedlen Metalls in ein edles. Jeder kennt die Skizze des vitruvianischen
Menschen von Leonardo da Vinci.
An die Vier-Elemente-Lehre schließt die Schwefel-Quecksilber-Theorie (ca. im 9.Jh.) an: alle
Metalle können aus den vier Elementen hergestellt werden, durchlaufen aber bei der
Umwandlung die Zwischenstufe von Schwefel/Quecksilber. Spirituell steht Quecksilber für die
Seele und Schwefel für den Geist. Schwefel besƟmmt die Farbe und die Oxidierbarkeit
(Brennbarkeit) und Quecksilber den metallischen Charakter der daraus resulƟerenden sieben
Metalle Blei, Zinn, Eisen, Kupfer, Quecksilber, Silber und Gold. Jedes weitere Metall steht für
eine höhere Stufe im alchemisƟschen Prozess der TransmutaƟon von Blei zu Gold. Die sieben
Metalle entsprechen den damals bekannten 7 Planeten. Die KonstellaƟon der Planeten war
wichƟg für das Gelingen chemischer ReakƟonen.
Paracelsus (1493 – 1541) war Alchemist, Arzt, Astrologe, MysƟker und Philosoph. Die
Alchemie setzte er vor allem zur Herstellung von Medikamenten ein und erzielte beachtliche
Heilungserfolge. Er erweiterte die Schwefel-Quecksilber-Theorie um das Prinzip Salz und
komplettierte damit die Analogie Körper (Salz; Festigkeit, Erde) – Seele (Schwefel;
Bewusstsein, Feuer und Luft) – Geist (Quecksilber; Wasser der Weisen, Wasser).
Diese drei Elemente finden sich mitunter als V.I.T.R.I.O.L. in der dunklen Kammer bei der
Aufnahme eines Neophyten.
Vitriol ist einerseits die Bezeichnung für die kristallwasserhaltigen Salze der Schwefelsäure
von zweiwertigen Metallen wie dem weißen Zinkvitriol, dem grünen Eisenvitriol und dem
blauen Kupfervitriol, anderseits ein alchemisƟsches Anagramm bzw. Akronym und ist als
Abkürzung zu verstehen:
Visita Interiora Terrae RecƟficando Invenies Occultum Lapidem, was übersetzt heißt:
„Betrachte, was im Inneren der Erde liegt: indem du es läuterst, wirst du einen zuvor
verborgenen Stein erhalten“ (oder frei übersetzt: entdecke den wahren Kern einer Sache,
also dessen Geist als fünŌes Element oder die Quintessenz).
Diese Formel wird dem Alchemisten Basilius ValenƟnus (16./17. Jh; deutschsprachiger Autor
alchemistischer SchriŌen) zugeschrieben; Rosenkreuzer und Freimaurer übernahmen den

Merksatz, wobei sie den ursprünglichen Zusatz „veram medicinam“ (wahre Medizin)
wegließen.
Ab 1599 ist der Vitriol-Spruch zusammen mit einem Emblem untrennbar mit der Tabula
Smaragdina verknüpft – dem Glaubensbekenntnis der Alchemisten.
Die Tabula Smaragdina ist ein traditionell dem Hermes Trismegistos zugeschriebener Text,
der die philosophische Basis der Hermetik bildet und als Grundlagentext der Alchemie gilt.
Die älteste erhaltene Textversion findet sich im Anhang zu einem arabischen Manuskript des

  1. Jahrhunderts. In den zwölf dunklen, allegorischen Sätzen spiegelt sich die Vorstellung von der Herstellungsformel des Steins der Weisen und eines Zusammenhangs von Mikrokosmos
    und Makrokosmos: Das was unten ist, ist wie das, was oben ist, und das was oben ist, ist wie
    das was unten ist, ein ewig dauerndes Wunder des Einen.
    Paolo Coelho schreibt dazu in seinem Alchimisten: „Die Smaragdtafel stellt einen direkten
    Zugang zur Weltenseele dar. Die Weisen hatten erkannt, dass die Welt lediglich ein Abbild
    des Paradieses ist. Die bloße Existenz dieser Welt ist die Garantie dafür, dass es eine
    vollkommenere Welt gibt. Gott erschuf diese Welt, damit der Mensch durch das Stoffliche
    seine geistigen Gesetze erkennen lernt.“
    Das Große Werk bestand aus zwei Teilen: einem äußeren Werk (opus magnum physicum),
    mit dem Ziel unedles Metall in Gold zu verwandeln und einem inneren Werk (opus magnum metaphysicum) mit dem Ziel der Vervollkommnung der Seele und der Umwandlung des Experimentierenden selbst. Der Adept, der diese Wandlung vollzogen hatte, trug das spirituelle (philosophische) Gold in sich, das Opus Magnum war vollbracht.
    „Es ist vollbracht“ waren nach dem Johannes-Evangelium auch die letzten Worte von Jesus am Kreuz. Christus selbst wird auch als das Endprodukt des Opus Magnum, als der Stein der Weisen, dargestellt.
    Die überwiegende Zahl der Alchemisten widmete sich in der Hoffnung auf Reichtum und
    Unsterblichkeit dem äußeren materiellen Stein der Weisen. Er wurde aber auch als Elixier
    (arabisch el iksir steht für Stein der Weisen) für ewige Jugend und Schönheit gesehen.
    Viele der alchemistischen Arbeitsmethoden und Gefäße haben Eingang in die moderne
    Chemie gefunden.
    Im Jahr 1941 gelang es Harvard-Physikern tatsächlich mithilfe eines Linear-
    Teilchenbeschleunigers ein radioaktives Isotop des Quecksilbers in reines Gold zu
    verwandeln. Der Aufwand war enorm und die Kosten untragbar. Eine Transmutation aber
    fand statt.
    Die Stufen der Transmutation bestanden schon in der Antike aus vier (später drei: nigredo, albedo und rubedo) grundlegenden Phasen. Die genaue Reihenfolge der alchemistischen Operationen waren nicht exakt definiert. Zusammen mit der unübersichtlichen Vielfalt an Variationen machte dies ein genaues Schema unmöglich. Nicht zuletzt darum handelt es sich bei der Alchemie um eine Kunst.

    In „Des Hermes Trismegistos wahrer alter Naturweg“ bleibt die alte Mahnung der Weisen
    bestehen, dass, wer mit profanen oder materiellen Gedanken arbeite, nichts schaffen werde.
    Nur wenn sich der Alchemist auch als Experimentator in das Experiment einbringt, also auch
    seelisch und geistig, kann er den Stein der Weisen finden und das Große Werk vollenden.
    Dies ist eine zentrale Botschaft der Alchemie und auch der Freimaurerei.
    Für das innere Werk soll zunächst die Aufmerksamkeit von außen nach innen gelenkt
    werden. Dies führt dazu, die eigene Unvollkommenheit anzunehmen und das Unbewusste über sich selbst wahrzunehmen. Der Begründer der Tiefenpsychologie C.G. Jung erkennt bildhafte Zusammenhänge im Unbewussten und bezeichnet sie als Archetypen. Die wichtigsten Symbole für Jung waren der Hermaphrodit (Hermes und Aphrodite) und das Königspaar.
    Die „Chymische Hochzeit des Christiani Rosenkreutz Anno 1459“, ein Manifest der
    Rosenkreuzer aus 1616, hat die Form eines sinnlichen, teilweise obskuren, alchemistischen Märchens und erzählt von der Hochzeit eines Königs und einer Königin, die sich über sieben Tage erstreckt. Das Motiv der Hochzeit von König und Königin ist in der alchemistischen Literatur sehr bekannt und symbolisiert die Vereinigung der Gegensätze bzw. die Vereinigung von Mercurius und Sulphur. Die sieben Tage beziehen sich auf das häufig in sieben Stufen beschriebene Opus Magnum. Dies mündet in der Vereinigung der Gegensätze, in der chymischen Hochzeit, der mystischen Hochzeit, der Heiligen Hochzeit. Die Figur des Christian Rosenkreutz ist eine Schöpfung des evangelischen Theologen Johann Valentin Andreae (1586 bis 1654), der als einer der Urheber der Rosenkreuzer-Legende gilt.
    Die Alchemisten hielten ihr Wissen arkan und verwendeten ein System von Decknamen und Symbolen.
    Die Alchemie kombiniert auf einfache und geniale Weise die Zahl 3, dargestellt durch ein
    Dreieck, mit den vier Elementen. Aus zwei übereinander liegenden Dreiecken wird das
    Hexagramm gebildet, als Symbol für die Vereinigung der Gegensätze. Die aufrechte Pyramide stellt die Macht des Königs dar, die andere Pyramide repräsentiert die Macht des Priesters, die im Himmel begründet ist und zur Erde hinabreicht. Enfernt man die beiden waagrechten Linien des Hexagramms verbleiben als Symbolpaar Winkelmaß und Zirkel. Das alchemistische Winkelmaß steht für Mercurius, den Geist, der Zirkel für Sulphur, die Seele. Das Hexagramm steht aber auch für die Vereinigung der vier Elemente.
    Die Quintessenz als die vier Elemente ergänzt um den Geist als fünftes Element wird als
    Pentagramm dargestellt, auch als Synonym für die mythologische Jesus Christus-Gestalt als Geist Mercurius an der Spitze des Pentagramms.
    Die Zahl 3 als heilige Zahl der Freimaurerei, wird ebenfalls als Dreieck dargestellt und findet sich in der Form der Kelle oder den drei Lichtern. Das Symbolpaar Winkelmaß und Zirkel, das Symbol der Vollkommenheit in der Freimaurerei, steht für den Sieg des Geistes (Zirkel) über die Materie (Winkelmaß).
    Ein wichtiges Symbol des Judentums, die Bundeslade, hatte zwei Tragestangen. Diese stehen ebenso wie das Hexagramm für das Prinzip der Dualität. Später symbolisierten die beiden Stangen die beiden Säulen des Tempels Salomos, J und B.

    Das Bild des Philosophischen Eis aus der Theoria Philosophicae Hermeticae um 1620
    bezeichnet die Vereinigung zweier Prinzipien (Mercurius und Sulphur) zu einem Höheren,
    aber auch die Vereinigung des männlichen und weiblichen Prinzips zum Hermaphroditen bei der Zubereitung des Steins der Weisen. Der „Rebis“ (lat. zwei Dinge) ist das Endprodukt des Opus Magnum und zeigt neben dem Hermaphroditen ebenfalls Zirkel und Winkelmaß.
    In seiner Monas-Hieroglyphica („verborgene Einheit“) aus 1564 zeigt John Dee durch Punkt, Linie und Kreis Verbindungen zwischen Universum, Schöpfung und Mensch auf und erläutert diese in 24 Lehrsätzen. Das Symbol umfasst eine Fülle von Assoziationen, Verhältnissen und Querverweisen nach den Prinzipien der Kabbala. John Dee erkennt in seiner Hieroglyphe auch die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi. Die Monade ist dem Habsburger Maximilian II. (1527 – 1576) gewidmet; sie wird in der „Chymischen Hochzeit“ abgedruckt.
    In einer rosenkreuzerischen Schrift aus 1714 wird das Symbol der Monas Hieroglyphica mit Tubalkain verbunden. Mondsichel, Sonne, Kreuz der Elemente und das astrologische Zeichen des Widders (das für das Feuer steht) werden bestimmten Körperstellen Tubalkains zugeordnet.
    Nach Elias Ashmole (1617 – 1692) ist die Alchemie weder eine Wissenschaft, noch eine
    Technik, sondern eine Kunst. Während der Techniker seine Arbeit nur ausführt, bringt sichder Künstler selbst in die Arbeit ein. Er ist das Experiment im Experiment, der Beobachter kann nicht vom Beobachtungsgegenstand getrennt werden. Ashmole, selbst Freimaurer und Rosenkreuzer, prägte den Begriff der königlichen Kunst, welcher ebenso für die Freimaurerei beansprucht wird. Die Königliche Kunst steht auch für die „Liebe zur Weisheit“, einer Veredlung/ Vervollkommnung des Menschen.
    Solve et coagula ist eine essentielle Formel zum Verständnis der Alchemie. Löse (solve), um die Ursubstanz aus dem Stoff zu gewinnen. Verbinde (coagula) sodann die Ursubstanz zu einer neuen, besseren Substanz. Solve et coagula ist symbolhaft mit einem Ouroboros, einer Schlange, die sich in den Schwanz beißt, dargestellt. Diese steht für einen, in sich
    geschlossenen und wiederholt ablaufenden Wandlungsprozess der Materie, oft in Form von zwei Drachen, der eine oben mit Flügeln, Füßen und Krone (solve), der andere unten quasi nackt (coagula). Als ein Ouroboros stellen sie das Symbol der kosmischen Einheit dar und umschließen als Kreis ein zweifaches Hexagramm mit Winkelmaß und Zirkel, Symbole der Vollkommenheit. Symbole der Planeten bzw. Metalle vervollständigen die Darstellung, wobei die Sonne oben bei solve steht und der Mond unten bei coagula. Solve steht daher im Jahreskreis der Freimaurer für Sommerjohannis und im Tagesablauf für Hochmittag, während coagula für Winterjohannis und Hochmitternacht steht.
    Der alchemistische Merkurbrunnen aus dem Rosarium Philosophorum könnte als
    alchemistischer Arbeitsteppich bezeichnet werden und hat einige Gemeinsamkeiten mit dem freimaurerischen Tapis. Dieses Rosarium ist eine Bildersammlung zum Prozess des inneren Opus Magnum und wurde 1550 publiziert. In der Mitte der Darstellung steht ein runder Brunnen, das Vas Hermeticum, die alchemistische Retorte, als Symbol des Menschen.
    Darüber schwebt ein zweiköpfiger Drache, Symbol der Zweiheit und des Urgegensatzes.

    Die Parallelen zum Freimaurer-Tempel sind evident. Die Wolkensäulen entsprechen den
    Säulen J und B, beide Bilder zeigen Sonne und Mond. Die vier Sterne entsprechen den vier Elementen und den Himmelsrichtungen. Die drei kleinen Lichter entsprechen den drei Brunnenröhren, aus denen Wasser als Symbol für die drei Prinzipien Körper, Seele und Geist fließt. Die drei großen Lichter werden durch die dreizackige Krone bzw. Blüte auf der Brunnensäule symbolisiert.
    Das Ziel der hermetischen Alchemie ist nicht die Herstellung des physischen Steins der
    Weisen durch Umwandlung unedler Metalle in Gold, als vielmehr die mentale Transmutation (Umwandlung) von mentalen Schwingungen in andere Schwingungen. Die Legende vom „Stein der Weisen“ war eine Allegorie der hermetischen Philosophie, die von allen Studenten der wahren Hermetik wohl verstanden wurde. Das „Kybalion“ wird dem Hermes Trismegistos zugeschrieben, ist Teil der Hermetuschen Schriften und eine Sammlung von Maximen, Axiomen und Regeln. Das alte, uns überlieferte Kybalion ist eine Offenbarung der uns umgebenden Wirklichkeit der Dinge. Ein Geheimnis, das uns, wenn es enthüllt wird, dabei hilft, das Leben von Grund auf zu verstehen und so auf das (nur augenscheinliche) „Schicksal“ Einfluss zu nehmen. Das Kybalion stellt folgende sieben „Prinzipien“ auf:
  • Das Prinzip der Geistigkeit: „Das All ist Geist; das Universum ist geistig.“ Alles Materielle ist
    vom Geist geschaffen.
  • Das Prinzip der Entsprechung: „Wie oben, so unten; wie unten, so oben.“ Wie innen, so
    außen; wie der Geist, so der Körper. Die Verhältnisse im Universum (Makrokosmos)
    entsprächen demnach denen im Individuum (Mikrokosmos) – die äußeren Verhältnisse
    spiegelten sich im Menschen und umgekehrt. Veränderungen im mikrokosmischen Bereich
    wirkten sich folglich auch auf die Gesamtheit aus (Magie). Wenn wir uns verändern,
    verändern wir unser Umfeld, unsere Gedanken beeinflussen unser Leben und unser Tun.
  • Das Prinzip der Schwingung: „Nichts ruht; alles ist in Bewegung; alles schwingt.“ Lassen wir Veränderung zu.
  • Das Prinzip der Polarität: „Alles ist zweifach, alles ist polar; alles hat seine zwei Gegensätze.
    Gleich und ungleich sind dasselbe. Gegensätze sind ihrer Natur nach identisch, nur in ihrer Ausprägung verschieden; Extreme begegnen einander; alle Wahrheiten sind nur Halb-Wahrheiten; alle Paradoxa können in Übereinstimmung gebracht werden.“ Im Ausgleich liegt das Ziel.
  • Das Prinzip des Rhythmus: „Alles fließt – aus und ein; alles hat seine Gezeiten; alles hebt
    sich und fällt, der Schwung des Pendels äußert sich in allem; der Ausschlag des Pendels nach rechts ist das Maß für den Ausschlag nach links; Rhythmus gleicht aus.“ Wir können diese Gesetzmäßigkeit nicht verändern, aber für uns nützen.
  • Das Prinzip der Kausalität: „Jede Ursache hat ihre Wirkung; jedes Phänomen hat seine
    Ursache; alles geschieht gesetzmäßig; Zufall ist nur ein Begriff für ein unerkanntes Gesetz; es gibt viele Ebenen von Ursachen, aber nichts entgeht dem Gesetz.“ Wir selbst sind für unser Wohlergehen und unser Leben verantwortlich.
  • Das Prinzip des Geschlechts: „Geschlecht ist in allem; alles trägt sein männliches und sein
    weibliches Prinzip in sich; Geschlecht offenbart sich auf allen Ebenen.“
    Insbesondere das hermeƟsche Prinzip der Entsprechung findet sich ebenso in der
    Freimaurerei („Erkenne dich selbst!“; äußere und innere Deckung; wie im Tempel durch das Wort, so draußen durch die Tat). Der Mensch wurde als Ebenbild Adam Kadmons geschaffen.
    Er verlor jedoch die drei Eigenschaften, die den Adam Kadmon an die Seite Gottes stellen,
    nämlich die Weisheit, die Unsterblichkeit und die Herrlichkeit. Erkennen wir da nicht auch die Weisheit, die Stärke und die Schönheit mit der wir an uns bauen? Durch Veredelung können wir wieder zur Vollkommenheit des göttlichen Makrokosmos kommen.
    Aber auch das Prinzip der Polarität finden wir in der Freimaurerei in Form des Solve et
    coagula als Symbol für das Vereinigen von Gegensätzen, wie dem Zusammenführen von
    Winkelmaß und Zirkel und das stete Arbeiten am rauen Stein.
    Die wahren Alchemisten verstanden sich als Anhänger einer ganzheitlichen Wissenschaft. Sie
    waren geistig erleuchtete Arbeiter in einem Laboratorium und versuchten alle Stufen des
    Menschseins zu vollenden: Körper, Geist und Seele. Sie glaubten daran, dass der Mensch das Potential habe, sich unbegrenzt zu veredeln. Der Mensch wird aus seinem bleiernen Zustand in eine goldene Seelenpersönlichkeit mit veredeltem Charakter transmutiert. Diese geistige Evolution ist auch das Ziel der Freimaurerei. Im persönlichen Erleben des alchemistischen Prozesses der Läuterung der Seele liegt wie im Ritual das eigentliche Geheimnis.
    Alchemie und Freimaurerei haben viele Gemeinsamkeiten, die Alchemie hat die Freimaurerei zumindest symbolisch stark geprägt. Vieles dazu wurde schon erwähnt. Da wie dort gilt Arkandisziplin. Wie in der Alchemie führt auch der Weg in der Freimaurerei aus der Dunkelheit zum Licht. Der Neophyt wird auf seinen Reisen mit den Elementen konfrontiert.
    Das Abnehmen der Metalle des Neophyten in der dunklen Kammer und Retournierung nach der Rezeption stehen dafür, dass den Bruder oder die Schwester der falsche Glanz der Dinge nicht mehr täuschen kann, nachdem er geistig und moralisch gereinigt wurde.
    Heute wird Alchemie vielleicht mit Goldmacherei oder esoterischer Gedankenwelt
    verbunden. Die wahren Alchemisten versuchen weiterhin, unbeeindruckt von den
    Strömungen der Zeit, alle Stufen der Menschheit beginnend bei sich selbst, zur Vollendung zu bringen. Sie bezeichnen sich heute jedoch nicht mehr als Alchemisten, sondern haben den Namen „Freimaurer“ angenommen.
  • Unsere Wanderung vom Geld der Neuzeit über das Gold der Antike, die Alchemie und
    schließlich die Freimaurerei ist für mich vergleichbar mit dem Bild unseres Zirkels: während der eine Schenkel das Materielle verkörpert, steht die Alchemie als Bindeglied beider Welten für die Achse und die Freimaurerei für den zweiten Schenkel. Die Beschäftigung mit Alchemie und Freimaurerei ist für mich wie es Paolo Coelho im Vorwort zu seinem Alchimisten aus einem Brief eines Verlegers berichtet, der für mich ebenfalls alchemistische Elemente enthält: „Den Alchimisten zu lesen ist wie im Morgengrauen aufstehen und dem Sonnenaufgang zusehen, während der Rest der Welt noch schläft.“

Archaische Tabus – als Symbole in der Freimaurerei – Spaziergang durch den Tempel

Erna -Maria Trubel 21.09.2023

Alles, was ich kann, ist: die Geschichte zu erzählen.
Und das muss reichen.
Ein heiliger Mann begab sich an eine bestimmte Stelle
im Wald, um zu meditieren, Feuer anzuzünden und
zu beten, auf dass das Unglück von der Welt gewendet
werde. Einige Zeit später ging einer seiner Schüler
ebenfalls dorthin, aber er wusste das Feuer nicht anzuzünden,
und so betete er nur. Wieder einige Zeit später
hatte der Nächste das Gebet vergessen und wusste das
Feuer nicht anzuzünden; immerhin war er in der Lage,
die geheime Stelle im Wald zu finden. Und nach weiteren
Jahren sagte ein Schuler: „Ich kann das Feuer nicht
anzünden, ich kenne das Gebet nicht und nicht die Stelle
im Wald. Alles, was ich kann, ist: die Geschichte zu
erzählen. Und das muss reichen.“

via Prof. Ernst Strouhal, 15.12.2011: Eine alte aschkenasische
Legende, die Christian Boltanski (1944–2021) zur Eröffnung
seiner Ausstellung „Christian Boltanski Inventar“ erzählte.
(12. April – 9. Juni 1991 in der Hamburger Kunsthalle)


So ähnlich geht es uns mit Tabus. Wir kennen nur noch gesellschaftliche Tabus in Form
stillschweigender Regeln. Doch eine Fülle von archaischen, längst vergessenen Tabus, eine Vielzahlerloschener Werte werden heute nicht bewusst wahrgenommen. Mit diesen wollen wir uns heute beschäftigen, vor allem mit jenen Tabus, die im Laufe der Jahrhunderte die freimaurerische Ritual-und Symbolwelt beeinflusst haben.
Im kulturgeschichtlichen Kontext werfen Tabus ein besonders Licht auf eine durch Religionen,
insbesondere durch das Christentum geprägte europäische Kultur sowie auf eine Fülle von
archaischen Werten, die verbannt, verdrängt und ausgeschlossen werden mussten, um neu
entstandene Machtstrukturen nicht zu gefährden. Waren sie allzu einflussreich, bedrohlich oder
einfach faszinierend? Und wo finden wir diese heutzutage noch?
Erstaunlicherweise in der FM: hier gab es eine innere Gegensteuerung gegen die durch Kirche und weltliche Herrscher induzierte Werteverdrängung, die manches für so bedeutungsvoll hielt und dieses zu bewahren suchte. Der Erhalt und die Pflege solcher alten Traditionen diente der
Abgrenzung von anderen Kulturen und dem Schutz des masonisch Tradierten, förderte den
Zusammenschluss um das Eigene und sicherte damit auch den Zusammenhalt der Gruppe.


Begleitet mich nun auf eine Wanderung durch den Tempel, um einige der längst vergessenen Tabus aufzuspüren, die als Symbole oder als Bestandteil des Rituals ganz bewusst in die FM aufgenommen worden waren als bedeutsame Elemente, über die aus machtpolitischen Interessenlagen, oder religiös motivierten Gründen im Profanen nicht gesprochen werden sollten.
Doch bevor wir unsere virtuelle Wanderung durch den Tempel beginnen, und einen weiten Bogen schlagen, von tabuisierten Symbolen zu verpönten Gestalten, schulde ich Euch noch eine Erklärung zu diesem ambivalenten Begriff – dem Tabu selbst.

Was genau ist also ein Tabu?
Nun, Annäherungen an verworren erscheinende Themen beginnt man vornehmlich mit einer
Begriffsanalyse. Doch schon die etymologische Deutung dieses Wortes ist äußerst schwierig.

Ta bu kommt aus dem Polynesischen und könnte übersetzt „das intensiv Gemerkte, Gekennzeichnete“ bedeuten. Doch das allein – sagt uns jetzt wenig.
Deshalb möchte ich statt einer Definition, mit der schicksalhaften Entdeckung des Wortes Tabu
beginnen. Sie steht am Anfang eines langen Reiseweges, der im 18. Jahrhundert beginnen und von Polynesien in alle europäischen Sprachen führen sollte.


Nun zur Geschichte:
Es ist der 12. Juli 1776, wir befinden uns im Hafen von Plymouth). Der ethnologisch versierte Kapitän James Cook setzt im Auftrag der englischen Krone Segel zu seiner dritten Expeditionsfahrt in Richtung der Südsee-Archipele Tonga, Haiti und Hawaii. Indes ahnt er nicht, dass ihm diese Reise letztlich zum Verhängnis werden und er der Nachwelt einen schwer fassbaren Begriff – nämlich das Tabu hinterlassen würde.


Warum gerade Cook?
Als erster Südseeforscher beschränkte sich Cook in seinen Reiseberichten nicht auf die Beschreibung von Fauna, Flora und Geografie. Weitaus mehr war er von den Sitten und Bräuchen der indigenen Bevölkerung, insbesondere von einer tapu genannten rätselhaften Verhaltensweise fasziniert. Cook beobachtete, dass die Polynesier bestimmte Dinge, nicht berührten oder nicht erwähnten. Meist waren es religiöse, magische oder rituell begründete Meidungsgebote, die eingehalten werden mussten, um Unheil abzuwenden.
Cook selbst soll zwei Jahre danach – so der makabre Mythos um den berühmten Kapitän – auf Grund einer Tabuverletzung von Einheimischen auf Hawaii gelyncht, zerstückelt und somit einem Ritualmord zum Opfer gefallen sein.
Wie es dazu kam? Cook wurde von den Inselbewohnern als Jahreszeitengottheit zutiefst verehrt, doch als er nach seiner feierlichen Verabschiedung wegen des stürmischen Wellengangs mit dem Schiff umkehren musste, kam dies einem Tabubruch gleich. Die Europäer wurden als Sterbliche enttarnt. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen die brutal eskalierten.
Cook war tot, aber dank seiner Reiseberichte schaffte es der Begriff Tabu, im Eilschritt Eingang nach Europa zu finden. Es bot sich geradezu an, das Fremde, Irrationale und nicht Verstehbare in einem Ausdruck kompakt zu bezeichnen.
Eine Übersetzung scheiterte am Doppelcharakter des Begriffs, der einerseits etwas Heiliges,
Geschütztes und andererseits etwas Unreines, Unberührbares und Gefährliches bezeichnete. So behielt man einfach das exotische Lehnwort in allen indogermanischen Sprachen.
Nach diesem kurzen Exkurs wollen wir uns dem eigentlichen Anliegen zuwenden: Betreten wir nun gemeinsam den Tempel und lassen wir uns von den archaischen Tabus überraschen, die uns auf diesem Weg begegnen.

Aus dem Raum der verlorenen Schritte kommend, passieren wir die innere Türwache, danach auch die beiden Aufseher im Westen. Einst standen ja wirklich Wächter vor der Tür, bereit, die
Versammlung mit dem Schwert zu verteidigen. Warum betreten wir den Tempel im Westen?

Und schon sind wir beim ersten archaischen Tabu, aber wie kann der WESTEN ein Tabu gewesen sein? Schon im Mittelalter verband man mit dem Westen jene Himmelsrichtung, die dem Heil der aufgehenden Sonne entgegengesetzt war. Dort verortete man das Reich der Finsternis, des Bösen, den Sitz dämonischer Kräfte. Dementsprechend repräsentierte auch in den Kirchenbauten die Ostseite den sakralen Bereich, die Westseite hingegen war der profanen Welt zugewandt, von dort sollte sie ihre Aufgabe als Schutzherrin vor unbekannten oder bösen Mächten wahrnehmen.

Das frühe Christentum hielt am Prinzip der Ostung fest, sei es bei der Ausrichtung der Kirchengebäude, bei der Messfeier oder der Bestattung.
Da in der menschlichen Vorstellungswelt Gefahren und Dämonen immer vom Westen her zu
befürchten waren, brauchte es dort eine besondere Form der baulichen Abwehr. Eine dieser Formen findet sich in der frühmittelalterlichen Sakralarchitektur, wo sich das Westwerk zunächst als selbstständig vorgesetzter Bauteil von Kirchengebäuden herausbildete. In der Funktion einer Wehrkirche hatte dieses auch die symbolische Bedeutung eines Castellums, um das Kirchengebäude gegen Westen vor Fremden zu schützen. Das Westwerk war Zentrum und Symbol weltlicher Macht.
Auf Reisen diente es dem Kaiser als Aufenthaltsort, zuweilen auch als Gerichtsplatz und
Versammlungsort.
Die im Westen befindlichen Altare sind oftmals Erzengel Michael, dem Anführer der himmlischen Heerscharen und Bezwinger des Satans gewidmet. Er steht bereit, den Kampf mit den aus dem Westen andrängenden Mächten der Finsternis aufzunehmen. Unser Tempel wird symbolisch von der Türwache und den Aufsehern beschützt, die den alten Traditionen folgend ebenfalls im Westen verortet sind.
Vom profanen Westen haben wir nun nach Prüfung durch die Aufseher den Tempel betreten, die Grenze zwischen der profanen Welt und dem heiligen Raum. Zwischen den Säulen geben uns mit dem Zeichen und einer besonderen Schrittfolge „hinkend“ zu erkennen. Gelegentlich wird auch das Passwort verlangt.
Und schon sind wir beim nächsten tabuisierten Wort, bei Tubalkain – unserem Passwort des ersten Grades (Buch Moses Kapitel 4 überliefert) dem ersten Schmied, diesem virtuosen Beherrscher der Elemente und autonomen, evolutionären Tatmenschen.
Der große Schmied und das Hinken liefern uns dabei gleich zwei archaische Tabus: ein mystisches Handwerk und eine körperliche Versehrtheit. Beide stehen miteinander in enger Beziehung und bilden bis heute integralen Bestandteil der königlichen Kunst.
Die Schmiedekunst ist seit jeher mit kreativer Kraft, Magie, hermetischen Initiationsriten,
wundersamen Heilungen und der Verbindung mit der jenseitigen Welt verschmolzen. Durch die Nähe zum unterweltlichen Feuer soll sogar der Teufel selbst in die Rolle des Schmiedes schlüpfen.
(Montangeschichtlich gesehen stehen hier allerdings nicht so sehr die Schmiede, als vielmehr die Erzschmelzer im Vordergrund.)
Dank ihrer außergewöhnlichen Kunst genossen Schmiede zwar hohes Ansehen, wurden aber – als Grenzgänger gottgefälligen Handelns – auch gleichzeitig gemieden, lebten als Außenseiter, als Paria der Gesellschaft, meist an entlegenen Orten.
Dem Schmied wurden aber auch heilende Kräfte nachgesagt. Im Volksglauben begegnet uns dieser geheimnisvolle Zauberer auch als starker und unerschrockener Widersacher des Teufels. Es ist der Schmied, der den Gottseibeiuns das Fürchten lehrt und nicht umgekehrt. Seine Kraft kommt aus seinen eigenen Fähigkeiten und seinen Werkzeugen.

Erhalten hat sich in Tirol und Böhmen ein verbreiteter Brauch, drei kalte Schläge mit dem Hammer auf den Amboss zu machen, um den Teufel und böse Dämonen zu bannen.

Verbindendes Merkmal dieser mit handwerklichem Geschick begnadeten Schmiedegötter waren oft Makel: sie litten an körperlichen Gebrechen, lahmten, waren unansehnlich und von Unglück verfolgt.
Wir kennen sie aus der alten Götterwelt. Ob nun Hephaistos, Vulcanus, Donnergott Thor oder
Wieland der lahme Schmied (der germanischen Heldensage) – keiner entkam diesem Schicksal. Die Asymmetrie des Ganges – das Hinken – konnte sowohl Ausdruck einer Schwäche als auch ein Hinweis auf übernatürliche Kräfte sein.
Woher aber kam diese häufige körperliche Behinderung? Der Historiker Lottermann hält die makabre Vorstellung für möglich, dass Schmiede als unentbehrliche Handwerker absichtlich verstümmelt wurden, um sie in Kriegszeiten verlässlich an der Esse zu halten. Immerhin lieferten sie Rüstungen, Schwerter, Helme, schärften, reparierten Geräte und waren für das Herstellen von eisernen Wagenbeschlägen und Hufeisen verantwortlich. Lahm und hinkend konnten sie nicht zum Feind überlaufen und damit ihrem bisherigen Lehensherren Schaden zufügen.
Aus heutiger medizinischer Sicht ist das Hinken der Schmiede – verursacht durch Lähmung und
Verkrüppelung der Beine – mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine schleichende und chronische Arsenvergiftung zurückzuführen. Dieser giftige Bestandteil der Erdkruste wurde Kupferlegierungen als wichtige Zutat beigemischt, um diese dadurch besser verarbeiten zu können.
Wie sehr körperliche Missbildungen schon im Alten Testament tabuisiert waren, unterstreichen
Textstellen, wonach Lahme und Blinde vom Priesteramt ausgeschlossen waren und keinen Zugang zum Tempel hatten. So heißt es bei (Lev 21,18) beispielsweise „Lass keinen Blinden und Lahmen ins Haus kommen“ – als Neophyten betreten wir blind und hinkend den FM-Tempel.
In der rabbinischen Tradition offenbart sich Tubal-Kains durchwachsenes Prestige: Tubal ist der
Träger der Sünde Kains – Luzifers Sohn. Tubal ist nicht nur Schmiedemeister, sondern auch Erfinder von todbringenden Waffen, der damit den Ungehorsam seiner Vorfahren weiterträgt.
Die masonische Legende berichtet über Tubal-Kains außergewöhnliche handwerkliche Fähigkeiten, dank derer er der Sintflut entkam. Das Kains-Kind wurde zum Stammvater aller Erzarbeiter und Schmiede. Wie alle Nachkommen des Brudermörders, war er Handwerker, Schmied, Künstler und Schöpfer. Tubal-Kain zählt also zu den prominenten Versehrten und Hinkenden.
An dieser Stelle wollen wir jedoch einer grundsätzlichen Frage stellen: War Tubal Kain überhaupt versehrt, war er wirklich ein hinkender Schmied? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine legendäre Zuschreibung, die sich aus seinem Beruf und seiner umstrittenen Abstammung im Laufe der Zeit entwickelt hat? Weder Im Alten Testament noch in der Ikonographie stößt man auf irgendeinen Hinweis zu seiner Behinderung. Mehr dazu gibt es in meinem Buch, dazu findet ihr eine von vielen Abbildungen Tubalkains, S. 67, die ihn als kräftigen vor Gesundheit strotzenden Burschen zeigt. (Andrea di Bonaiuto da Firenze Fresco 1365).


Sonne Mond:
Lasst uns unseren Rundgang durch den Tempel weiter fortsetzen und begleiten wir die Lehrlinge zu ihren Plätzen im Nordosten, wo sie der aufgehenden Sonne, dem Licht, das bei uns für Erkenntnis steht, am nächsten sind. Die mit dem Lichtkult zusammenhängende Gestirnsymbolik kommt im Tempel in der Verehrung des Ostens zum Ausdruck. Der Weg dorthin führt immer im Sonnenlauf. Der Tempel ist symbolisch stets nach Osten – zum Licht – ausgerichtet. Der MvSt hat dort seinen Platz.
Selbst im Tod verbleibt die Orientierung nach der Sonne. Auf dem Weg zu seiner Vollendung, seinem letzten Weg, geht ein Freimaurer „in den ewigen Osten“ ein.


Nun fragen wir uns: Sollten die Himmelsgestirne auch archaische Tabus sein?
In zahlreichen Hochkulturen wurde die Sonne als Gottheit verehrt, durch magische Rituale
heraufbeschworen. Denken wir nur an die geheimnisvollen Steinsetzungen von Stonehenge, bis zu Gottheiten wie Apollon, Mithras, Freyr oder Baldur – sie alle spiegeln die Sonne als Symbol höchster kosmischer Macht und Wiedergeburt, das sich jeden Morgen neu erhebt und nächtens in das Totenreich hinabfährt.

Aber auch weltliche Herrscher traten gern in der Glorie der Sonne auf, seien
es Ludwig der XIV. oder der japanische Tenno.
Sonne und Mond waren faszinierende göttliche Wegweiser, denen einst uneingeschränkt gehuldigt werden musste. Schon bei Hesiod im späten achten Jahrhundert v. Chr. findet sich die tabuisierende Regel, sein Bedürfnis niemals gegen die aufgehende oder gegen die untergehende Sonne zu verrichten, sondern sich dazu jeweils umzudrehen.
Auch der Mond-Kult genoss in der Bevölkerung Israels und Judas große Bedeutung, drang immer wieder in Israels monotheistische Gottesverehrung ein und war noch über die Exilzeit hinaus virulent
Daher sahen sich die deuteronomistisch orientierten Verfasser alttestamentlicher Schriften
gezwungen, die Gestirne ausdrücklich ihrer göttlichen Kräfte zu berauben und diese auf Jahwe zu übertragen. Strenge Verbote der Gestirns-Verehrung waren die Folge, als Übertretung eines Verbots Jahwes und als Hinwegsetzung über den Bund mit Gott geahndet. Diese Vergehen waren im alten Israel häufig mit drastischen Strafandrohungen bis hin zur Todesstrafe verbunden.
Ebenso war auch die christliche Heilslehre gezwungen, Relikte heidnischen Sonnenkults zu tilgen oder – zur leichteren Integration – einer passenden Neuinterpretation zu unterziehen.
Denken wir nur an die Geburt Christi, die in die Zeit der Wintersonnenwende gesetzt wurde, dem Sonnenfest und legendärem Geburtstag des Sol invictus. Oder auch Ostern, das hohe kirchliche Fest der Auferstehung, dessen Bezeichnung auf Östarun Ostpunkt zu Frühlingsbeginn zurückgeht. Das Christentum konnte also nicht umhin, vorchristliche Kultformen der Sonnensymbolik in ihre religionsgeschichtlichen Erklärungsversuche zu integrieren. Nur unser deutsches Wort für Sonntag (auch im Englischen) konnte dieser Uminterpretation der Kirche standhalten. Dieser Tag war einst ausschließlich der Sonne gewidmet, enthielt eine verborgene Aufforderung ihrer zu gedenken, sie göttlich zu verehren. Erst als der dies solis im Römischen Reich zum gesetzlichen Feiertag bestimmt wurde, hat das Christentum diesen „Sonnentag“ akzeptiert, ihn sogleich mit christlicher Sinngebung erfüllt und zum Tag des Herrn gemacht (lat. dominica). In allen romanischen Sprachen wurde der Sonnentag damit zum Tag des Herrn.


Auch in der Rechtsprechung war die Sonne noch lange Zeit von hoher Bedeutung: als Zeugnis
altdeutscher Blutgerichte erscheint die feierliche Urteilssprechung höchster Instanz unter freiem Himmel. Diese Gepflogenheit liegt darin begründet, dass Rechtshandlungen unter der Sonne, dem Auge Gottes vollzogen werden sollten (lat. sub divo). Noch bis zum Jahre 1842 befand sich in der Decke des großen Hamburger Ratssaals eine Öffnung, damit die Sonnenstrahlen ungehindert eindringen konnten. Kaiser Maximilian I. erteilte der Stadt Wels das Privileg im Rathaus Blutgericht zu halten, doch musste das Urteil „bei klarem und hellem Himmel“ verkündet werden.
Kuriosem begegnen wir auch im deutschen Volksglauben, wo es untersagt war mit dem Finger nach dem Mond zu weisen, oder gar gegen den Mond spucken oder zu urinieren.


Unsere GG folgen dem Sonnenlauf ein Stück weiter und gelangen vom dunklen Norden in das volle Licht der mittäglichen Sonne, von der Geburt zum Leben, das der Süden symbolisiert. Sie arbeiten schon im vollen, starken Licht des Südens, das durch die südliche Öffnung auf die Gesellenkolonne fällt.

Verweilen wir noch einen Moment bei einem anderen starken, gebündelten Licht: beim Feuer am Beispiel der Flamme. Versetzen wir uns wieder zurück auf Beginn der rituellen Arbeit. Der Meister/in vom Stuhl und die beiden Aufseher:innen entzünden die kleinen Lichter der Weisheit, Stärke und Schönheit, die am Ende des Rituals in umgekehrter Reihenfolge wieder gelöscht werden. Gelöscht? Ja, mit Vorsicht, denn die Kerzen dabei auszublasen wäre ein kruder Tabubruch. Bis heute noch soll in feierlichen Momenten der gewaltsame Eingriff in das Leben des Lichtes vermieden, das Auslöschen der lebendigen Flamme nach Möglichkeit in sensibler und rücksichtsvoller Weise geschehen. Mit einem Löschhütchen, das über die Flamme gestülpt wird – und dies nicht um zu verhindern, dass Wachs auf den Boden tropfen könnte. Nein, die Flamme darf einschlafen, langsam erlöschen, bedachtsam wird
abgewartet, bis der im Hütchen enthaltene Sauerstoff verbraucht ist. Eine archaische, unbewusste Rücksichtnahme auf die lebende Flamme, vermutlich geboren aus Respekt vor diesem heiligen Element.
Bei den kleinen Lichtern verweilend, senken wir unseren Blick auf den Tapis und entdecken neben Sonne und Mond, die Knotenschnur. Sollte auch diese ein Tabu sein?
Im Volksglauben findet sich seit vielen Jahrhunderten der Knoten als Symbol für Hindernisse,
besonders der Empfängnis und Geburt. Denken wir beispielsweise an den Mythos der eifersüchtigen Juno, welche die Geburt des Herkules durch knotenartiges Verschränken ihrer Finger zu verhindern suchte.
Das Tabu des Knotenschnürens bei der Niederkunft gebärender Frauen war ein Phänomen rund um den Erdball. So war man vielerorts der Meinung, dass Knoten in den Kleidern einer Gebärenden die Entbindung erschweren könnten. Auch Angehörigen wurde aufgetragen, keine Knoten zu binden, ja nicht einmal mit überschlagenen Beinen zu sitzen, damit die Geburt durch das Zubinden der werdenden Mutter nicht gefährdet werde.
Ebenso soll bei den Römern das Übereinanderschlagen, oder Kreuzen der Beine während
geschäftlicher Zusammenkünfte oder bei Kriegsgerichtsverhandlungen tabuisiert gewesen sein. In orthodoxen Kirchen ist die Sitzposition mit überschlagenen Beinen bis heute verpönt, da diese keine Ehrfurcht zeigt. Und wie sitzen wir im Tempel? Versuchen wir nicht auch der inneren Haltung und der Würde des Geschehens entsprechend eine korrekter Sitzposition einzunehmen ohne die Beine zu überkreuzen?
Die bindende Kraft, die man in das Knüpfen von Knoten legte, gewann früh die Bedeutung einer
magischen Handlung. So wurde der Knoten zum magischen Knoten, der dazu benutzt werden konnte, einen Flüchtenden aufzuhalten, Hexenmeister und Wölfe abzuwehren und darüber hinaus sogar den Tod zu bannen.
Spannend ist es auch einen Blick auf die Architektur zu werfen. Dort treffen wir die Knoten in den sg. Knotensäulen an, eine besondere Form der Romanik. Sie haben ein auffallendes Mittelstück dessen Schaft zu einem Knoten verschlungen zu sein scheint. Der Volksmund nannte diese Ornamente auch „Teufelsknoten“, die oftmals im Gefolge phantasievoller Untiere erscheinen. Als Beispiel die Bestiensäule der Krypta des Freisinger Doms aus dem 12. Jhdt. oder die beiden geknoteten Steinsäulen Jakin und Boas des Würzburger Domes. (Abb. S 112) Von der Amtskirche offenbar als satanische Relikte nicht besonders geschätzt, verloren diese vor einigen Jahren ihren prominenten Platz an der Westvorhalle und fristen nun im tiefgelegenen Areal des Domschatzes ein bescheidenes Dasein.

Apropos Kirche:
Symbole wie das zunächst im Christentum hochgeschätzte, später als satanisch verworfene
Pentagramm wurde zum tabuisierten Symbol. Die ersten kirchlichen Verdächtigungen des
Pentagramms als die Saat des Bösen stehen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Ketzerei des späten Mittelalters. Allen Bemühungen zum Trotz, ließ sich die Faszination der fünffachen Orientierung bei weitem nicht aus der kirchlichen Symbolik verdrängen. Als weiser Leitstern dient er in der FM als Symbol der menschlichen Vernunft, des erwachten Geistes.


Unser kleiner Rundgang durch den Tempel neigt sich langsam dem Ende zu und gibt uns Anlass
innezuhalten um Vergangenes und Zukünftiges zu bedenken.
Widmen wir uns als letzte Station dem Tod als Tabu, den Symbolen der Vergänglichkeit – dem Schädel – sind wir ja schon als Neophyten bei unserer Aufnahme in der dunklen Kammer begegnet – als Aufforderung, uns der Begrenztheit des Lebens bewusst zu sein und den Blick stets auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu lenken.
Um das tabuisierte Symbol des Todes aufzuspüren möchte ich mit einem heute noch gebräuchlichen Sprachtabu beginnen, das sich aus irrealer Angst, bizarrem Geister- und Aberglauben zusammensetzt.

Heute noch lebt das lateinische Zitat, welches beim Tod eines zu Lebzeiten umstrittenen Menschen mahnend zitiert wird: „De mortuis nil nisi bene“ – „Über die Toten nicht, wenn nicht wohlwollend zu sprechen“, als eine Warnung, Kritik und Streit gegenüber dem nun wehrlosen Verstorbenen ruhen zu lassen. Sein Ursprung wurzelt in der magischen Vorstellung, der
Tote könnte aus Rache zurückkehren, um Lebende aus dieser Welt zu reißen.
Tatsächlich sprach man noch Mitte des 19. Jhdt. von Wiedergängern oder Nachzehrern als
personifizierte Untote, die die Lebenden in unheilvoller Absicht heimsuchten. Freud ortete die Angst, Verstorbene könnten sich nach dem Tode zu Dämonen verwandeln als Projektion unbewusster Feindseligkeit, einer Art Ambivalenz aus Demut und Furcht. /Freud nannte das Tabu treffend: „Heilige Scheu“- auch hier zeigt sich der Doppelcharakter des Tabus.


Der Geist der Vergangenheit hat uns auf unserem kleinen Rundgang durch den Tempel begleitet, wir haben einige archaische Tabus, Relikte längst vergangener Zeiten angetroffen, die in der FM andersartig ausgelegt werden, zuweilen auch um Gut und Böse umgekehrt zu sehen, und ins Leben einzubeziehen. Vieles, was von der vorherrschenden Kultur ausgesperrt worden ist und doch zum Menschsein gehört, etwas das wiederentdeckt werden möchte und uns vielleicht zu einem tieferen Verständnis der symbolischen Welt führt.


Quelle: Erna-Maria Trubel: Verbotene Worte Archaische Tabus als Symbole in der Freimaurerei,
Salier Verlag, Leipzig, 2022 ISBN 978-3-96285-047-0

Jagd und Freimaurer – haben sie die gleichen Werte?

Amdreas B., 16.10.2023


Freimaurer vertreten die fünf Grundideale:
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität
Aber warum heftet sich eine Gruppierung Ideale auf ihre Fahnen, von denen man
annehmen müsste, sie sind für alle wichtig und selbstverständlich?
Wie entstanden diese Ideale und wann und warum könnten sie verloren gegangen sein?
Radiometrische Datierungen erlauben das Alter der Erde auf etwa 4,6 Milliarden Jahre zu
schätzen.
Das ist der Anfang des Weges zum Menschen, auf dem vorerst nichts zu sehen ist.
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Erst 1 ½ Milliarden Jahre später, also vor etwa 3 Milliarden Jahren, gab es Bakterien und
andere Mikroorganismen, deren Photosynthese Sauerstoff freisetzte.
Fast weitere 2 ½ Milliarden Jahre später, etwa vor 650 Millionen Jahren entstanden erste
Makroorganismen.
Weitere gut 100 Millionen Jahre später, also vor etwa 540 Millionen Jahren, fand im
Tierreich eine explosionsartige Entwicklung statt, bei der die meisten heute bekannten
Gruppen von Lebewesen entstanden.
Echte Säugetiere entwickelten sich vor ca. 230 Millionen Jahren.
Zum Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren tauchten primitive Huftiere und
Primaten auf.
Aber erst vor 6 Millionen Jahren haben sich die „Vormenschen“, entwickelt und daraus
vor rund 2 Millionen Jahren die Menschenaffen.
Seit etwa 1 Million Jahre ist der Homo erectus nachweisbar.
Der Neandertaler als eine Abspaltung des homo erectus (wie davor homo erectus
heidelbergensis) lebte etwa 80.000 bis 35.000 Jahre vor unserer Zeit in Europa, Nordafrika
und Vorderasien (ausgestorben – Sackgasse der Entwicklung).
Den Homo sapiens eine direkte Entwicklung aus homo erectus und Vorfahre des
heutigen Menschen gibt es seit etwa 35.000 Jahren.
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Damit diese Vormenschen und frühen Menschen am Beginn der Steinzeit (vor 2,6
Millionen Jahren endet ca. 2200 v. Chr.) überleben konnten, mussten sie jagen, auch wenn
sie ihre Kost mit dem Sammeln von Beeren, Blättern, Körnern und diversen Früchten
erweitert haben.
Dass die Menschen gejagt haben, belegen archäologische Funde und Bilder von erlegten
Tieren an Höhlenwänden.
Vor etwa 35.000 Jahren tauchen die ersten Versuche künstlerischer Betätigung auf wie
man in den Höhlen von Lascaux (Frankreich) und Altamira (Spanien) an beeindruckenden
Wandmalereien bewundern kann.
Die Jagd war lebenswichtig, denn die Tiere lieferten nicht nur Fleisch als Nahrung. Die
Menschen verwendeten auch die Knochen, Zähne, Felle, Därme, Mägen und Geweihe der
Tiere. Daraus bauten sie Zelte, nähten Kleider oder stellten Werkzeug her.
Die Jagd war aber nicht einfach und es brauchte mehrere starke Männer, perfekte Planung
und Ortskenntnisse, Vorstellungsvermögen, Erfahrung, Geschick, Wissen, Mut.
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Zwei Arten von Jagdmethoden standen im Vordergrund:
Die Jagd mit Fallgruben,
einem großen Loch, das mit Ästen und Blättern zugedeckt wurde und aus dem die
hineingefallenen Tiere nicht flüchten konnten.
,
Die Treibjagd,
bei der die Tiere – oft ganze Herden – mit Fackeln und Speeren in Richtung eines
Felsabhangs getrieben wurden, über den die Tiere in den Tod stürzten.
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Die Lappenjagd,
um den Bedarf an Jägern zu verringern, vor allem weil deren Geruch die Tiere schon von
Weitem gewarnt hat, verwendete man Lappen aus Federn, Zweigen Tierhäuten, später
Stoff um die Fluchtrichtung der Tiere zu beeinflussen.
Wenn die Tiere trotzdem durch diese Barriere durch und wegliefen gingen sie „durch die
Lappen – daher kommt auch der Ausdruck „durch die Lappen gehen“.
Mammut und Nashörner mit damals zur Verfügung stehenden „Waffen“ z.B. Steinen und
Holzspießen zu erlegen war äußerst gefährlich und für den Jäger leicht tödlich, wenn nicht
alle gut vorbereitet waren und verlässlich dem Plan folgten.
Um die Gefahren halbwegs beherrschen zu können waren strenge Regeln, klare
Anweisungen, sichere, teils lautlose, teils gut hörbare Signale und gemeinsames Agieren
notwendig.
Damit Vereinbarungen ohne Missverständnisse getroffen werden konnten entwickelte sich
die Jägersprache, die zu den ältesten, existierenden Fachsprachen gehört.
Voraussetzungen für die gemeinsame Jagd waren soziale und vor allem kommunikative
Fähigkeiten woraus eine der Grundlagen der menschlichen Kultur entstand.
Das Bestreben den Jagderfolg zu verbessern, förderte die Entwicklung modernerer Waffen
und Jagdmethoden und ist ein wesentlicher Bestandteil der Evolution.
Für die Planung und wortlose Verständigung waren Zeichen notwendig, welche meist in
Form abgebrochener Äste als sogenannte BRÜCHE in verschiedensten Formen zu den
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unterschiedlichsten Gelegenheiten als Verständigungsmittel, Hinweis (Schild) und zur
Kennzeichnung Anwendung fanden und noch heute finden. Diese Brüche wurden auch zu
Symbolen.
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Der Standesbruch. Das ist ein Bruch, meistens Dreispross. Die Anbringung erfolgt auf der
linken Hutseite und wird mit der glänzenden Seite nach außen getragen. Die Verwendung
wird bei allen festlichen Anlässen der Jägerschaft und bei Jägerbegräbnissen mit einem
Tannenzweig verwendet. Der „Trauerbruch“ wird dagegen mit der matten
Nadelblattunterseite nach außen getragen. Dieser wird dann bei Beerdigungen dem Sarg
ins Grab nachgereicht.
Neben den lautlosen Verständigungsmitteln entstanden aus Tierhörnern auch Signal-
Hörner, die später zu Musikinstrumenten weiterentwickelt wurden.
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So konnten während der Jagd auch aktuelle Anweisungen über größere Entfernungen
gegeben werden.
Es war vor 2 Millionen Jahren ein unvorstellbares Unterfangen mit bloßen Händen, Steinen
und zugespitzten Ästen ein Mammut zu erlegen ebenso wie es vor wenigen hunderten
Jahren fast unvorstellbar war einen Dom wie die Stephanskirche oder Notre Dame zu
erbauen.
Nicht erst die Freimaurer haben „den Wert gemeinsamer Arbeit“ erkannt, sondern schon
vor gut 2 Millionen Jahren war die gemeinsame Arbeit – sprich Jagd – nicht nur von Wert,
sondern unabdingbare Voraussetzung für das Überleben der Menschen.
Gleichgültig, ob es um das Überleben geht oder um die Errichtung von großen
Meisterwerken, die wichtigste Erfolgskomponente ist die Gemeinsamkeit.
Die Voraussetzung für eine stabile Gemeinschaft ist die Humanität.
Ohne humanem Verhalten, das man grob gesagt als „Rücksichtnahme auf den Anderen“
definieren kann, hätte die Jagd damals nicht erfolgreich sein können und kann die
Gesellschaft heute nicht bestehen. Humanität ist eine Voraussetzung für die
Gemeinsamkeit und somit das Überleben der Gemeinschaft.
Gemeinsamkeit funktioniert aber nur wenn sich jeder darin wohl fühlt.
Die Regeln des gemeinsamen Vorgehens dürfen die Freiheit des Einzelnen nicht
einschränken, sondern der einzelne unterwirft sein eigenes Ziel – den Hunger zu stillen –
einem abgesprochenem Vorgehen, das dieses Ziel in Form der Jagdbeute ermöglicht.
Es werden daher auch nur jene mitmachen die davon profitieren, wer nichts bekommt,
wird auch nicht mitmachen, die Beute muss also brüderlich geteilt werden.
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Und weil nicht immer Alle alles richtig machen und nicht jeder alles kann müssen auch Alle
ein wenig flexibel, nachsichtig und tolerant sein damit die Gemeinschaft weiter erfolgreich
bestehen kann.
Die Jungsteinzeit beginnt vor ca. 10.000 Jahren und ist DIE Epoche des Übergang von
Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen, von der aneignenden (Jagd)
zur produzierenden Wirtschaftsweise.
Der zunehmende Anbau von Pflanzen zur Vermeidung von Nahrungsengpässen schuf die
Grundlage zu einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Die gesicherte Versorgung mit allen
notwendigen Nahrungsmitteln führte zu einem stark steigenden Bevölkerungswachstum
in der Jungsteinzeit.
Jäger und Sammler besaßen nur das, was sie auf die Wanderung mitnehmen konnten.
Mit der neuen Lebensweise in der Jungsteinzeit konnten die Menschen durch die
Sesshaftigkeit, Eigentum bilden.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität
Ziele und Werte der Freimaurerei leiten sich dem maurischem Selbstverständnis nach aus
der Tradition mittelalterlicher Steinmetzbruderschaften ab – was zwar stimmt – aber diese
Ideale entstanden in Wahrheit schon am Anfang der Menschheit.
Die ersten Menschen erkannten, dass sie nur überleben können, wenn sie
Verhaltensweisen an den Tag legen, die den Jagderfolg, sprich den Nahrungsgewinn,
ermöglichen.
Gemeinsames Handeln, Rücksicht auf die Anderen in der Gruppe, gerechte Aufteilung der
Beute und angepasstes Verhalten waren schon am Beginn der Menschheit, lange vor den
Freimaurern vorhanden, weil überlebensnotwendig.
Der Übergang von Jägern und Sammlern zu Bauern bildet – des entstehenden Eigentums
wegen! – die Bruchlinie, an der sich der Mensch von den Verhaltensweisen, die ideal zum
Überleben waren – den Idealen- abwendet und sich den Mächten von Eigentum und Besitz
unterwirft.
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Das Überleben war gesichert, ab jetzt galt das Interesse des Einzelnen nur noch dem
Besitz.
Kriege und Nöte haben diese Ideale immer wieder – aber leider nur kurzfristig – in
Erinnerung gebracht und erst die Freimaurer haben sich die Ideale Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität an ihre Fahnen geheftet, um deren Wesen zu
erhalten und immer wieder in Erinnerung zu rufen.
Nur diese Ideale haben das Leben der ersten Menschen gesichert und nur diese Ideale
werden die Menschheit überleben lassen, denn die Besitzgier und die Gier nach Macht,
wodurch man noch mehr Besitz zu erlangen hofft, zerstören, wie man überall auf der Welt
mit ganz einfachem Blick sehen kann, so gut wie alles.
Ich sehe die Aufgabe der Freimaurer darin mit Ihren Idealen, die aus dem Beginn der
Menschheit stammen, ein Gegengewicht zum Besitz und Machtdenken zu bilden damit wir
nicht in unserer Gier untergehen, sondern überleben können.
Die Weltbruderkette symbolisiert Verbundenheit und Brüderlichkeit aller Menschen, so wie
am Anfang der Menschheit die kleinen Jägergruppen, die um ihr Überleben gekämpft
haben.
DANKE !

Pius IX., Dogma und FM


Ernesto S. / LOGOS 14.12.6023

Wie kommt ein junger Meister zu so einem, eher außergewöhnlichen, exotischen Thema für
ein Baustück?
Nun, die Idee dazu entstand am Nachmittag vor meiner Erhebung, als mich unsere Sr∴ Erna
durch die Kaisergruft geführt hat und ich ihr eine alte Geschichte erzählte. Die Geschichte
hatte mir ein katholischer Pfarrer vor fast 40 Jahren erzählt, und ebendieser Pfarrer hat
später meine Frau und mich getraut. Kürzlich habe ich unseren Hochzeitsfilm angesehen
und habe geschmunzelt, als Pfarrer Holzer über ein kleines Hoppala meines Bruders am
Altar lachen musste. Übrigens war unsere Sr∴ Erna bei meiner Hochzeit dabei und hat eine
Fürbitte für uns gelesen.
Die Geschichte handelte von Papst Pius IX. und thematisierte die unbefleckte Empfängnis
Mariens, und der Zufall will es, dass gerade vor 6 Tagen das kirchliche Fest der
unbefleckten Empfängnis Mariens am 8. Dezember gefeiert wurde und wir hier genau in 6
Tagen ein Ritual im Rahmen unserer diesjährigen Winterjohannis feiern, welches in seiner –
damals, im Jahr 1874- revolutionären Motivation, Wirkungen der Handlungen von Papst Pius
IX. enthält.
Eine kleine Zahlenspielerei für die Freunde von Zahlen, wie ich eben einer bin.
Der Titel des Baustücks umfasst drei Themen:
– die FM, die zu Zeiten des italienischen Risorgimento im 19. JH
eine bedeutende Rolle spielte;
– Dogma, eine verbindliche, normative Glaubensaussage, von denen wir
in der FM sagen, dass wir keine haben und daher adogmatisch sind;
– und Papst Pius IX., dessen Einfluss auf unser modernes abendländisches
Leben – wie ich im Zuge der Recherchen für dieses BS bemerkt habe –
größer war als der vieler seiner Vorgänger und Nachfolger auf dem Papstthron, und
dessen Wirkung bis heute spürbar ist.
Alle gewählten Musikstücke haben einen zeitlichen oder sachlichen Bezug zum Leben
dieses Papstes – bspw. ihre Uraufführung an bedeutenden Jahren in seinem Leben (das
erste Salieri-Stück aus dem Jahr 1792, dem Geburtsjahr Pius IX., oder der Radetzky-Marsch
aus 1848, dem Jahr, an welchem er vor den Revolutionären Republikanern aus Rom
flüchten musste oder beim Auszug ein Auszug aus dem Nabucco-Gefangenenchor Verdis,
dem höchsten Werk des Risorgimento, d.h. der sog. Wiederauferstehung Italiens).
Papst Pius IX., geboren als Graf Giovanni Maria Mastai-Ferretti, war von 1846 bis 1878 das
Oberhaupt der katholischen Kirche und ist damit der am Längsten amtierende Papst der
Geschichte, abgesehen von Petrus, welcher nach der Legende 37 Jahre gedient hat und
den Stuhl Petri überhaupt begründet hat. Pius‘ Pontifikat war nicht nur von politischen
Herausforderungen wie der italienischen Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts geprägt,
sondern auch von bedeutenden theologischen Entwicklungen. Dazu gehörte die
Verkündigung von Dogmen, die einen nachhaltigen Einfluss auf die katholische Lehre und
so auf die mehrheitlich katholischen Länder hatten. Er hatte jedoch viel Kontakt, Konflikt und
auch Wirkung mit und auf die FM.

Die Wurzeln des Risorgimento lassen sich auf die zersplitterte politische Landschaft Italiens
im frühen 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die italienische Halbinsel war durch die Existenz
zahlreicher unabhängiger Staaten gekennzeichnet, von denen jeder seinen eigenen
Herrscher und sein eigenes Verwaltungssystem hatte, viele davon abhängig von äußeren
Mächten wie Österreich oder Frankreich. Der Wiener Kongress von 1815, der die Landkarte
Europas nach den Napoleonischen Kriegen neugestaltete, hielt den Status quo der
italienischen Uneinigkeit aufrecht und säte den Samen für steigende Unzufriedenheit und
Bestrebungen nach nationaler Einheit.
Das Erbe der Antike prägte das historische -wenn man so will, erste- Italien (daher eben Ri-
sorgimento = Wiederauferstehung).
Das Römische Reich, mit seinem Zentrum in Rom, erstreckte sich über weite Teile Europas,
Nordafrikas und des Nahen Ostens. Rom, als kulturelles, politisches und wirtschaftliches
Zentrum, prägte die Region nachhaltig. Die römische Rechtsprechung, Architektur und Kunst
schufen ein Erbe, das bis heute im modernen Italien maßgeblich ist.
Mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert begann in Italien eine
Phase fragmentierter Herrschaft. Stadtstaaten wie Venedig und Padua sowie der
Kirchenstaat erblühten in der Renaissance, einer Epoche kultureller Blüte, die von
herausragenden Künstlern wie Leonardo da Vinci und Michelangelo Buonarotti geprägt
wurde. Die Vielfalt der italienischen Stadtstaaten spiegelte auch die Herausforderungen
wider, die das Land in dieser Zeit durch politische Machtspiele und externe Bedrohungen
erlebte.
Ab dem 8. JH gab es den Kirchenstaat, ein Staatenverbund auf der Apennin-Halbinsel, der ab
728 bzw. 756 bis 1870 von Rom und Latium aus größere Teile Mittelitaliens bis hin
zur Adria umfasste. Es gehörten zeitweise die von neapolitanischem Gebiet umschlossenen
Enklaven Benevent und Pontecorvo dazu, und seit dem zeitweiligen, von Frankreich
erzwungenen Papsttum in Avignon im 14. Jahrhundert gehörten bis zur Französischen
Revolution auch die Grafschaft Avignon und das Comtat Venaissin dazu.
Der Papst war Staatsoberhaupt und Regierungschef einer absoluten Wahlmonarchie, mit
über 3 Millionen Einwohnern im Jahr 1853.
Der Kirchenstaat war dynamisch und unterlag ständigen Veränderungen, so dass seine
genaue Ausdehnung aufgrund sich ändernder politischer Gegebenheiten, Konflikte und
territorialer Verluste sehr häufig wechselte.
Mit der Einnahme Roms wurde der letzte Papstkönig der Regionen Romagna (1859),
Umbrien, Marken (1860) und 1870 Latium und Rom selbst enteignet, mit dem Durchbruch
der Porta Pia am 20. September.
Dies bedeutete das Ende des über 1.000 Jahre währenden Kirchenstaates und den Verlust
der weltlichen Macht, und Papst Pius IX. erklärte sich zum „Gefangenen des Vatikans“, was
er bis zu seinem Tod 1878 blieb.
Der Weg zur politischen Einigung Italiens begann im 19. Jahrhundert mit Schlüsselfiguren
wie Giuseppe Garibaldi und Camillo Benso, Graf von Cavour, die eine entscheidende Rolle
bei der praktischen Umsetzung der italienischen Einigung spielten.
Garibaldi, der charismatische militärische Führer der „Rothemden“, Freimaurer und späterer
Großmeister des Großorients von Italien, leitete bspw. 1860 die „Expedition der Tausend“,
die Süditalien und Sizilien befreite. Dieser kühne militärische Feldzug zielte auf die Befreiung
des Königreichs beider Sizilien ab, doch seine Folgen wirkten weit über Süditalien hinaus.
Als Garibaldis Truppen nach Norden marschierten, wurde der Kirchenstaat zu einem
Brennpunkt der Auseinandersetzungen.
Cavour hingegen war als Premierminister von Piemont-Sardinien der Architekt der
politischen Einigung, indem er diplomatische Verwicklungen geschickt umschiffte, um
Allianzen zu schmieden und Abkommen auszuhandeln, die zur Gründung des Königreichs
Italien im Jahr 1861 beitrugen. Er war mit seinem König Viktor Emmanuel II. bereit, den
Pius IX. und den Franzosen alles zu geben, was sie im Gegenzug für die notwendige militärische Intervention
wollten. Infolgedessen erhielt Frankreich 1860 Nizza und Savoyen.
Die italienischen Patrioten erkannten, dass der Papst für sie ein Feind war und niemals der
Führer eines geeinten Italiens sein konnte. Sie erkannten auch, dass der Republikanismus
zu dieser Zeit eine zu schwache Kraft war. Die Einigung musste sich auf eine starke
Monarchie stützen, was in der Praxis bedeutete, dass man sich auf Piemont (das Königreich
Sardinien) unter König Viktor Emanuel II aus dem Hause Savoyen stützen musste.
Italien hatte jedoch zunächst nicht die vollständige Kontrolle über das Territorium erlangt,
insbesondere eben nicht über die Stadt Rom. So wurde Rom wohl 1861 zur Hauptstadt
erklärt, jedoch bis 1870 nur auf dem Papier; tatsächlich blieb Turin bis 1865 Hauptstadt und
dann Florenz bis 1870.
Zwanzig Jahre lang war -realiter- Napoleon III. und nicht der Papst der wahre Herrscher von
Rom gewesen, wo er gelebt und viele Freunde und Verwandte hatte. Ohne ihn wäre die
weltliche Macht des Papstums nach der Revolution von 1848 nie wiederhergestellt worden
und hätte, als sie wiederhergestellt war, auch nicht überdauert.
Das intellektuelle Klima der Zeit des Risorgimento, geprägt von den Idealen der Aufklärung
und von nationalistischem Eifer, bildete den ideologischen Hintergrund für die neuen
politischen Strukturen.
Intellektuelle wie Giuseppe Mazzini strebten eine geeinte italienische Republik an und
stellten sich eine Nation vor, die frei von fremder Herrschaft sein sollte. Mazzinis Ideen
waren jedoch nur eine Strömung in einer breiteren Bewegung, die verschiedene Visionen
des zukünftigen italienischen Staates umfasste, die vom Republikanismus bis zur
konstitutionellen Monarchie reichten.
Garibaldi beispielsweise zeigte die Flexibilität der Italiener im Streben nach Freiheit und
Einheit indem er seine republikanischen Bestrebungen 1861 fallen ließ und dann für die
Monarchie eintrat. Letztlich hat sich die konstitutionelle Monarchie unter Vittorio Emmanulle
II durchgesetzt und der Vatikan blieb dem Papst als letzter Rückzugsort, nachdem er 1861
den größten Teil des Kirchenstaates verlor und dann 1870 Latium und Rom.
Das Streben nach nationaler Identität förderte bei den Italienern das Gefühl einer
gemeinsamen Geschichte und eines gemeinsamen Erbes. Sprache, Literatur und Kunst
spielten eine wichtige Rolle bei der Herausbildung eines kollektiven Bewusstseins und
trugen zur Entstehung einer einheitlichen italienischen Identität bei, die über regionale
Unterschiede hinausging, wobei 1861 nur 1% der Bevölkerung in ihren Familien den
toskanischen Dialekt sprachen, der bis zum heutigen Italienisch wurde; heute sollen es
übrigens nur etwas über 50% sein.
Papst Pius IX. begann 1846 sein Pontifikat als eine Figur, die von vielen als Reformer
angesehen wurde, und erhielt in liberalen und katholisch-patriotischen Kreisen früh
Unterstützung für seine Bemühungen, den Kirchenstaat zu modernisieren. Unter seinen
ersten Amtshandlungen war die Verkündung einer Amnestie für politische Gefangene und
die Zustimmung zu einigen Reformen im Kirchenstaat. In dieser Phase erlangte er den Ruf
eines liberalen, patriotischen und reformorientierten Papstes.
Mit dem Aufkommen des italienischen Nationalismus geriet der Papst jedoch in Konflikt mit
den Bestrebungen der italienischen Nationalisten und den von Persönlichkeiten wie
Giuseppe Garibaldi und Giuseppe Mazzini angeführten Kräften der Einigung.
Ein wichtiger Aspekt der Spannungen zwischen Papst Pius IX. und dem Risorgimento war
die historische Rolle des Papsttums als weltliche Macht in Italien. Die politische Autorität des
Papstes, verkörpert durch den Kirchenstaat, kollidierte mit den Bestrebungen der
italienischen Nationalisten, die einen geeinten, weltlichen italienischen Staat errichten
wollten. Die Vorstellung, dass der Papst sowohl ein geistliches als auch ein weltliches
Oberhaupt sei, wurde in der sich verändernden politischen Landschaft unhaltbar.
Die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Ersten Vatikanischen Konzil im Jahr
1870 war ein weiterer entscheidender Moment im Pontifikat von Pius IX.
Das Dogma, das besagt, dass der Papst unfehlbar ist, wenn er sich ex cathedra zu Fragen
des Glaubens und der Moral äußert, löste heftige theologische und politische Debatten aus,
auch in der Freimaurerei.
Kritiker in der Kirche argumentierten, dass diese Erklärung zu viel Autorität im Papsttum
konzentriere und möglicherweise den gemeinschaftlichen Charakter der
Entscheidungsfindung innerhalb der Kirche untergrabe. Befürworter hingegen sahen darin
eine notwendige Klarstellung der Rolle des Papstes bei der Wahrung der Reinheit der Lehre.
Eine der bemerkenswertesten Verkündigungen während des Pontifikats von Papst Pius IX.
war die Definition der Unbefleckten Empfängnis im Jahr 1854. Dieses Dogma besagt, dass
die Jungfrau Maria ohne Erbsünde gezeugt wurde. Die Verkündung dieser Doktrin wurde
sowohl mit Beifall als auch mit Skepsis aufgenommen. Einerseits festigte es die Rolle Marias
in der katholischen Theologie, indem es ihre Reinheit und Einzigartigkeit hervorhob.
Andererseits stellten Kritiker die theologische Notwendigkeit einer solchen Erklärung und die
Abkehr von langjährigen Traditionen in Frage.
Die Verkündigung dieser Dogmen durch Papst Pius IX. war kein isolierter Akt, sondern stand
in engem Zusammenhang mit dem historischen Kontext der damaligen Zeit. Das 19.
Jahrhundert war von bedeutenden gesellschaftlichen und intellektuellen Veränderungen
geprägt, darunter der Aufstieg des Säkularismus und die Infragestellung der traditionellen
religiösen Autorität. Als Reaktion darauf versuchte Pius IX., die lehrmäßigen Grundlagen des
Katholizismus zu stärken und die Autorität des Papsttums in Glaubensfragen zu festigen.
Pius IX., wurde als Giovanni Maria Mastai Ferretti im Jahr 1792 in Senigallia (im
Kirchenstaat in der Region Marken im Kirchenstaat) als neuntes Kind einer adeligen Familie
geboren, und wollte früh in die Garde des Papstes gehen. Er wurde nicht aufgenommen, da
er laufend epileptische Anfälle hatte, die Folge einer Schädelverletzung in Kindheitstagen
waren. So wurde er Priester, nachdem er aber schon einmal eine junge Dame vor dem Altar
stehen ließ, die seinen Eltern aufgrund ihrer niederen Herkunft mißfiel.
Als junger Priester hatte er Gelegenheit für Papst Pius VII zu arbeiten und die Legende
besagt, daß Pius VII ihn durch ein Wunder von der Epilepsie befreite.
1824 wurde er nach Chile geschickt, als Teil der ersten apostolischen Mission im
nachrevolutionären Südamerika. Die Mission war auch in Montevideo und in Buenos Aires
und in den Vereinigten Provinzen am Río de la Plata auf ihrem Weg Richtung Chile.
Recherchen zu dieser Reise führten zu Zeitungsartikeln in Italien und Chile aus 1865, in
denen Sitzungsprotokolle von FM-Logen in Uruguay, Argentinien und Chile zitiert werden,
wo angeführt wird, dass Mastai Ferreti Logen in Südamerika als italienischer FM-Bruder
besuchte und ein sehr progressiver und intellektueller Mann wäre. Schon damals gab es
aber Fake News und es ist nicht wirklich festzustellen, was dies nun wahr oder unwahr ist.
Pius IX. galt als gebildeter Mann, und nach seiner Wahl 1846 verkündete er eine Amnestie
für politische Gefangene, befreite die Presse von der Zensur und führte die Consulta ein,
eine beratende Kammer mit Volksvertretung,
die eine stärkere Beteiligung der Bürger an der Regierung des Kirchenstaates förderte.
Außerdem hob er das alte jüdische Ghetto in Rom auf.
Für seine Liberalisierungsbestrebungen musste er sich mit der römischen Kurie selbst
auseinandersetzen, so dass er in zwei Jahren nicht weniger als sieben Staatssekretäre
hatte.

Im Februar 1848 kam Papst Pius IX. den Republikanern entgegen und gewährte dem
Kirchenstaat eine Verfassung, was angesichts der historischen Konservativität des
Papsttums sowohl unerwartet als auch überraschend war.
Die anfänglichen Sympathien für den italienischen Liberalismus trübten sich jedoch, als sich
im April 1848 herausstellte, dass sich Angriffe und Unruhen gegen das Papsttum sowie
traditionell katholische Nationen entwickelten.
Kurz darauf wurde in Paris die Zweite Französische Republik ausgerufen und die
Unterstützung Frankreichs schwand. Pius IX. distanzierte sich dann von den radikaleren
Fraktionen der italienischen Patrioten und zog sich nach der Ermordung seines Ministers
Pellegrino Rossi nach Gaeta im Königreich der beiden Sizilien zurück; er musste, als Mönch
verkleidet, aus Rom flüchten.
1849 wurde in Rom die Römische Republik ausgerufen, die insb. von Garibaldi und Mazzini
angeführt wurde. In dieser Zeit wurden zahlreiche Kirchen geplündert, und viele italienische
Kunstwerke konfisziert, da die britischen Financiers, die Geld für die Einnahme Roms
bereitgestellt hatten, bezahlt werden mussten.
Durch das Eingreifen französischer Truppen des neuen Präsidenten Louis Napoleon
Bonaparte -der spätere Kaiser Napoleon III.- wurde die Römische Republik besiegt, und der
Papst kehrte 1850 nach Rom zurück. Um die radikalen Republikaner zufrieden zu stellen,
bat Louis Napoleon den Papst, im Kirchenstaat liberale Reformen und den Code Napoleon
einzuführen.
Von diesem Zeitpunkt an verfolgte Pius IX. eine Politik der Unnachgiebigkeit gegenüber
weltlichen Machtansprüchen und wurde zum entschiedensten Gegner des antiklerikalen
Flügels der Freimaurerei. Die Enzyklika „Quanta cura“ von 1864 verurteilte liberale und
illuministische Konzepte, indem sie eine Liste verbotener Lehren, den sogenannten
„Syllabus“, präsentierte.
Pius IX. veröffentlichte etwa 124 antifreimaurerische Dokumente, darunter 11 Enzykliken, 61
kurze Briefe, 33 Reden und Ansprachen sowie Dokumente verschiedener kirchlicher Ämter.
Pius IX. sah alle Übel, welche die Kirche und die Gesellschaft plagten, im Atheismus und
Szientismus des 17. Jahrhunderts begründet, die von der Freimaurerei propagiert und von
der Französischen Revolution glorifiziert wurden. Schon mit der Enzyklika „Qui pluribus“ aus
1849 kritisierte er eine „ruchlose Vereinigung“ von Menschen, die die Sitten verderben und
den Glauben an Gott und Christus durch Naturalismus und Rationalismus bekämpfen.
Ebenfalls thematisierte sie den damals so verstandenen vermeintlichen Konflikt zwischen
Wissenschaft und Glauben.
Die italienische Freimaurerei rief 1870 ein „Freimaurerisches Antikonzil“ aus, und führte ab
dann einen erbitterten Kampf gegen Pius. Sie feiert am 20. September ihr eigenes
jährliches Fest zum Gedenken an den Sieg über die Kirche mit der oben erwähnten
Einnahme der Porta Pia, dem Ende der weltlichen Macht der Päpste.
Selbst nach dem Tod Pius IX. im Jahr 1878 ging der Kampf mit ihm weiter: Im Juli 1881
wurde Pius‘ Sarg vom Vatikan zum Friedhof von Verano gebracht. Es gab dagegen eine
heftige Demonstration mit Steinwürfen, Verwünschungen, Gotteslästerungen gegen den
Trauerzug, in deren Höhepunkt, als der Leichenzug über die Sant’Angelo-Brücke ging, unter
dem Ruf „Tod dem Papst, Tod den Priestern!“ einige Personen den Leichnam von Pius IX. in
den Tiber werfen wollten; der Angriff wurde abgewehrt. Papst Pius IX. wurde im Jahr 2000
seliggesprochen, jedoch nach sehr vielen Jahren der Diskussionen und mit einigem
Widerstand, u.a. von Israel.

1849 hatte in Frankreich der Großmeister des Großen Orients, Prinz Lucien Murat -ein
Cousin von Napoleon III, der selbst Carbonaro und wahrscheinlich FM war- den „Glauben an
Gott und die Unsterblichkeit der Seele“ als ersten Artikel in die Verfassung des Großen
Orients von Frankreich aufnehmen lassen, der zuvor nicht enthalten war, und ließ dem
Großmeister sieben Jahre lang eine quasimonarchische Macht verleihen.
Murat war, anders als die Mehrheit des Ordensrates des Großorients von Frankreich, gegen
die italienische Einheit und für die weltliche Macht des Papstes.
Das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes hat allerdings nach 1870 besonders starke
Reaktionen in der FM ausgelöst und es gab große Konflikte um das Thema der Religion. Im
Jahr 1875 gab es einen Kompromissversuch (Kongress der Obersten Bundesräte im
Lausanner Tempel) mit der Verwendung des Ausdrucks „Schöpferprinzip“ (der weniger
deistisch klang als „höchstes Wesen“), aber letztendlich reichte dies dem Grand Orient von
Frankreich nicht aus.
1877 hat der Großorient von Frankreich nach Belgien, Ungarn und verschiedenen
südamerikanischen Ländern, den ersten Artikel aus ihrer Verfassung gestrichen, der den
Glauben an Gott und die Unsterblichkeit der Seele vorschrieb.
Der Bruch zwischen den Franzosen und den Angelsachsen wurde damit besiegelt.

xxx

Die Geschichte kennenzulernen und sie zu verstehen ist schwierig, da jeder einzelne seine
Interessen hat, sie nach diesen Interessen erläutert und sie durchsetzen will.
Ohne Kenntnis und Verständnis der Geschichte kann man die Gegenwart nicht verstehen.
Und ohne Kenntnis und Verständnis der Gegenwart, und ohne Mut, wird man nicht in der

Lage sein, die Zukunft zu meistern.

Toleranz ist eines unserer Hauptprinzipien und wir sollen sie laufend üben.
Missverstandene Toleranz, bspw. gegenüber Intoleranten, ist jedoch Torheit.

Das Wort


Baustück im 3°
DARF NUR VON MEISTERN GELESEN WERDEN !!!
i.·.O.·.z.·.Wien, 5. Oktober 6023
Sr.·. Andrea Maria Dusl, L.·. Euklid, Past Master Loge Euklid Addenda vom 10. Juli 6016



Wir sprechen heute über das Wort. Das Wort. Das Wort im endgültigen Grad
der Freimaurerei, dem Meistergrad. Jeder von uns hat dieses Wort zumindest
einmal gehört, manche von uns haben es auch hörbar gemacht, also
weitergegeben. Was wissen wir über das Wort, wie lautet es, was bedeutet es
und woher kommt es? Die Sache ist nicht ganz einfach. Und dann vielleicht
doch.
Wann und wo werden wir zum ersten mal mit dem Meisterwort konfrontiert?
Da wir bei der Rezeption ein Passwort für den Lehrlingsgrad bekommen und
bei der Beförderung ein solches für den zweiten Grad, lässt sich auch vor der
Erhebung ohne große Erfindungsgabe schließen, es müsse auch ein solches
für den dritten Grad geben. Wir werden also schon als junge Maurer auf das
zu gebende Meister-Wort vorbereitet. Was wir nicht wissen, aber viszeral
ahnen: Auf den Meisterschurzen vieler blauer Logen prangen die Buchstaben
“M” und “B”, die definitiv nicht für Jachin und Boas und auch nicht für
Tubalkain oder Shibboleth, die Passworte der ersten beiden Grade stehen
können. Auf Befragung hüllen sich Meister in Schweigen. Hinter M und B
muss also ein Geheimnis liegen. Das wohl bei der Erhebung enthüllt wird.
Mit diesem Vorwissen oder zumindest dieser Ahnung gehen wir in die
Erhebung.
Wie wird das Meisterwort in der Erhebung enthüllt?
Schrittweise. Mit einer eindrücklichen Dramaturgie. Sehen wir uns dazu das
uns bekannte Schröder-Beigel-Ritual an: Es fasst in der Hiramslegende, die
ja insgesamt davon handelt, dass Urmeister Hiram das Meisterwort nicht
weitergeben will (oder vielleicht: Nicht weitergeben kann?) und deswegen
auch getötet wird, die bereits bekannten Passworte zusammen. Da mit
Hirams Tod, so der Plot, das überkommene Meisterwort verloren war, habe
König Salomon das erste Wort, das bei der Hebung des Leichnams
gesprochen werden sollte, zum neuen Meisterwort bestimmt. Dies ist die
erste Nennung des Kommenden. Und gleichzeitig der oft vergessene Hinweis,
dass das Meisterwort nicht das ursprüngliche ist, sondern ein neues. Ein
Ersatz.
Gehen wir im Ritualtext weiter zu jener Passage, wo der Kandidat, die
Kandidatin in ihrer, seiner Rolle als toter Hiram bereits liegt, aber schon
entdeckt ist:
Schwester oder Bruder Redner referiert aus der Hiramslegende: “Da trat der
erste Meister an den Leichnam Hirams und fasste seine Hand im
Lehrlingsgriff.” Dies stellt Schwester oder Bruder Zweiter Aufseher nach und
sagt dabei: “Die Haut löst sich vom Fleische! Ich vermag ihn nicht zu heben!”
Da tritt der zweite Meister (in Form des Ersten Aufsehers herzu und
versucht, den Leichnam im Gesellengriff zu heben. Er sagt, nach
vergeblichem “Erheben”: “Auch ich vermag ihn nicht zu heben, das Fleisch
löst sich vom Bein.“
Das Ritual kulminiert in seinen Höhepunkt: „Da hebt der dritte Meister
(verkörpert vom Meister vom Stuhl) seine Hände zum großen Not- und
Hilfszeichen” und verkündet die Konklusio aus den beiden vorangegangenen,
aber vergeblichen Versuchen: “So will ich Hiram heben durch die Fünf
Punkte der Meisterschaft: Hand in Hand, Fuß an Fuß, Knie an Knie, Brust an
Brust, die Linke über den Nacken. Mit dieser Abfolge an Bewegungsmustern
wird der/die Liegende ganz im Wortsinne „erhoben“.
Indem sich Erhebender Meister und Erhobene nun körperlich ganz nahe
sind, flüstert der Meister vom Stuhl dem jungen Meister das Meisterwort
deutlich ins rechte Ohr: M..b…. Der Zusatz, so wird er ausdrücklich im Ritual
genannt, wird ins linke Ohr geflüstert: E. l. i. S. Mit der Erhebungsformel gilt
der Kandidat, die Kandidatin als erhoben. Und ist dies auch in einem
tatsächlichen Sinn. Er/sie ist damit Meister.
Was bedeuten nun diese, uns einmalig bekanntgegebenen Worte?
Wieder gibt uns fürs erste das Ritual Auskunft. In jener Passage der
Belehrung, die ein Prüfungsverfahren mit einer Reihe von Fragen nachstellt,
fragt der Vorbereitende Meister den Eintretenden Meister: “Gib mir das Wort
und seine Bedeutung!” Der Eintretende Meister (und damit jeder solcherart
befragte Meister) antwortet nun: “Das Wort kann nur in der Stellung der 5
Punkte der Meisterschaft weitergegeben werden. Es werden ihm mehrere
Bedeutungen zugeschrieben: “Die Haut löst sich vom Fleisch”, “Er lebt im
Sohn” oder auch “Ich bin ein Kind des Meisters”.
In anderen Ritualen, etwa dem Schottischen, sind die korrespondierenden
Passagen bekanntlich etwas ausführlicher gestaltet, die Unterweisung selbst
gibt keine Erklärung über die Bedeutung des Wortes. In der
Erhebungspassage selbst liest man im Schottischen Ritual (Referenz ist hier
jenes der Loge Phoibos Appollon des GOÖ) den Doppelbegriff “M.h.B.n. M..
B….”
Gibt es also mehrere Worte? Mit ganz unterschiedlichen Bedeutungen?
Befragen wir die masonische Literatur.
Der berühmte Hochgradfreimaurer und Autor Schottischer Rituale Albert
Pike will im hebräischen Wort MVABAVN das Original des Meisterwortes
erkannt haben und meint ‚Moab On‘ mit ‚Emanation männlicher Energie’
übersetzen zu können. Ein gewisser Peter Bull, Herausgeber der
maurerischen Seite ‘Masoncode’ deutet das Wort mit Hilfe der Gematrie, der
kryptischen Numerologie der Kabbala und verweist darauf, dass das
hebräische Wort den Wert 756 habe und damit den gleichen wie die Passage
mit der Heilung des Gelähmten im Tempel aus der Apostelgeschichte 3,6:
Εγειραι και περιπατει (Egeirai kai peripatei) – ‚erhebe dich und gehe’. Der
Umstand, dass die Erhebung durch den Löwengriff erfolgt, wird
gemantrisch-kabbalistisch mit der Zahl 365 erklärt, der Zahl der Tage im
Sonnenjahr. Dazu soll passen, so der Autor, dass das AVN in MAVB-AVN der
hebräische Name von Heliopolis, der Stadt der Sonne sei. Nicht zuletzt, so
dieser Deutungsversuch, sei der Löwe ein solares Tier und emblematisch für
die männliche Energie der Sonne.
Bleiben wir noch kurz bei kabbalistischen Interpretationen. So soll die
englische Version des Meisterworts, ‚Mah Hah Bone‘ (oder ‘Mahaboneh’) den
Wert 153 haben. Dies soll insofern eine signifikante Zahl sein, als sie in der
Zahl der Fische gefunden werden könne, die den Jünger im
Nachauferstehungszeit bei ihrem Fischzug am See Genezareth (in Johannes
21,11) ins Netz gehen. Die Zahl 153 gilt, so die masonisch-kabbalistische
Gematrie weiter, seit Jahrhunderten als Zahl der ‘Auferstehung zum ewigen
Leben’ und gleichzeitig als jene von Maria Magdalena.
Dieser kleine Ausflug in kabbalistische Pareidolien, in kritischer Betrachtung
womöglich nicht mehr als das Erkennen von Strukturen und Bedeutungen in
Zufälligem, zeigt uns eines sehr deutlich: Das Meisterwort – besser gesagt das
Ersatzwort für das Meisterwort – hat keine einheitliche Bedeutung, sondern
vielfältige. In der Etymologie ist das ein bekanntes Phänomen. Entlehnte
Wörter beginnen ein Eigenleben zu führen. Wörter verlieren ihren
ursprünglichen Sinn, neuer wird ihnen eingeschrieben. Oft sogar ähnlicher.
Sehen wir uns ein paar andere dieser Bedeutungen und Deutungen an.
In der angelsächsischen masonischen Literatur wird Mac, der erste Teil des
Wortes gerne in der Bedeutung ”smitten”, soviel wie “befallen”, “gequält”,
“geschlagen”, “(nieder)geschmissen” gedeutet und vom hebräischen Verb mit
dieser Bedeutung, “macha” gelesen. Andere sehen hier das hebräische “mak”,
verrottet, und meinen darin zu lesen “er” sei “verrottet”. Dem schlösse sich
also die in der Hiramslegende nacherzählte Erfahrung an, einen bereits
Verwesenden anzugreifen, und dabei ganz deutliche Begegnung mit der
Vergänglichkeit zu machen. Meister Eins und Meister Zwei vermögen den
toten, bereits verwesenden Meister nicht zu ergreifen. Nur der Dritte Meister
vermag dies, mit Hilfe einer speziellen Technik: Dem Löwengriff und den 5
erwähnten, sukzessive applizierten Punkten der Meisterschaft: Erst Hand in
Hand, dann Fuß an Fuß, Knie an Knie, Brust an Brust, und zuletzt, um das
Umfallen zu verhindern, die Linke über den Nacken. Wir bringen also mit
den 5 Punkten der Meisterschaft einen Toten zum Stehen.
Das Meisterwort in der Bedeutung “Die Haut löst sich vom Fleische” ist das
erste Wort, das beim Auffinden gesprochen wurde, und wurde genau so, wie
von König Salomon in der Hiramslegende bestimmt, zum neuen Meisterwort.
Dieses wird nun dem Untoten in einem magischen Vorgang eingeflüstert. Der
so erhobene Meister ist also nicht nur er selbst, sondern auch der erhobene
Hiram. Und bleibt dies in einem magischen Sinn auch.
Sehen wir uns andere Deutungen an.
Ohne Bezug auf das Hebräische kommt die Deutung aus, die Macbenac als
“er lebt im Sohn” übersetzt. Aber welcher Sohn ist gemeint? Und warum ist
dies ein geheimes Passwort im Meister-Grad der Maurerei? In der Bedeutung
“er lebt im Sohn” und vor dem Hintergrund des englischen Bürgerkriegs der
Vierzigerjahre des 17. Jahrhunderts ist das Wort ein Erkennungszeichen des
schottischen Königs-Hauses Stuart, das die Freimaurerei als politisches
Instrument verstand, ihre Exilmonarchie zu restaurieren. Mit der Phrase
“Sohn der Witwe” war Jakob II. (englisch James II.) gemeint, Sohn von
Henrietta Maria, Tochter Heinrichs des IV. von Frankreich und Witwe Karls
des I. (englisch Charles des I.). Statt des alten Meisterwortes, das bisher
verwendet worden sein soll, so masonische Forscher, soll “macbenac”, aus
dem Gälischen kommend, verwendet worden sein. Im Verständnis der
Stuart-Treuen war die Konnotation mit dem Gälischen, der alten Sprache der
Highlands fast so etwas Heiliges wie die Verwendung der heilige Sprache
Hebräisch. Auf gälisch ist ‘Mac’ bekanntlicherweise der Sohn und ‘benach’
gesegnet, vom aktiven Verb “oeannaichy”, segnen”. Macbenac ist also im
Gälischen der “Gesegnete Sohn”. Mit diesem Wort bedachten die Stuart-
Freimaurer ihr Idol, den englischen Kronprätendenten, den Sohn von Karl I.
Der Mythos Charles wird Meister Hiram eingeschrieben, der als sein Sohn
Karl wiederaufersteht.
Mac, Sohn ist also ein gälisches Wort. Ist es nicht, zumindest nicht, was seine
ursprünglichen Herkunft betrifft. Das Wort und seine Verwandten hat keinen
indoeuropäischen Ursprung. Dies versucht der Etymologe Theo Vennemann,
emeritierter Professor der Universität München nachzuweisen. Das Gotische,
so Vennemann, kennt die Wörter mag-aths (Mädchen) und magus (Bub,
Junge), es findet sich in vielen Westgermanischen Sprachen, und in seiner
weiblichen Form auch in unserem Wörtern Magd und Maid.
Das vorgermanische +magapiz ‚Mädchen‘ und +maguz ‚Junge‘ haben eine
Wurzel in +maC-AmäC- das im Germanischen als +mag-Amaw-Ameg-
erscheint. Ein solches Suffix existierte nicht im Indo-Europäischen, es ist
aber den semitischen Sprachen gemein. Es kommt, so Vennemann auch im
Alten Ägypten vor. Vennemann erklärt das mit einer Entlehnung der
Wortgruppe ins Prä-Germanische aus einer Atlantischen Sprache, also der
prähistorischen Kolonialsprachen Nordwesteuropas, verwandt mit den
semitischen Sprachen Nordafrikas und des Mittleren Ostens. (Atlantisch
bezieht sich sprachwissenschaftlich auf den Atlantik, nicht jedoch auf das
mythentechnisch belastete „Atlantis“)
Nach Vennemann ist die gesamte Wortgruppe, die sich um +maguz ‚Junge‘
and +magapiz ‚Mädchen‘ gruppiert, ein atlantisch-semitischer
Lehnwortkomplex. Und mehr noch, sie gibt Hinweise auf eine matrilineare
Gesellschaft. Ist das der andere, ältere Ursprung des Sohns der Witwe?
Wer war diese Völker und woher kam ihre Sprache? Atlantische Semitiden,
oder kurz Atlantiker, ist ein Begriff aus der historisch vergleichenden
Sprachwissenschaft. Nach Theo Vennemann sind die Atlantiker Sprecher von
afroasiatischen (vormals hamito-semitisch genannte) Sprachen, die ab etwa
5.000 v. Chr. von Nordafrika aus die europäische Atlantikküste von der See
her besiedelten. Sie seien, so Vennemann, die Träger der Megalithkultur
gewesen. Ihre weiteste Ausdehnung erreicht diese Kultur und damit ihre
semitische Sprache – gemäß Vennemanns Theorie – etwa um die Mitte des 3.
Jahrtausends v. u. Z. in Südschweden und an der Weichselmündung. Die
Kolonisierung findet über einen langen Zeitraum von 5000 Jahren statt,
sodass mit verschiedenen Einwanderungswellen gerechnet werden muss.
Zwei dieser Wellen lassen sich bisher für den Zeitraum vor der Zeitenwende
herausarbeiten:
Eine frühe Phase, beginnend und endend in der Steinzeit. Sie wird von
Sprechern einer „hamitischen“ – in heutiger Benennung: proto-berberischen
– Sprache getragen. Diese erobern die Britischen Inseln vollständig und
bringen neue kulturelle Errungenschaften wie etwa die Seefahrt, den
Ackerbau, die Viehzucht und die Obstkultur aus dem Mittelmeerraum mit.
Die Sprache der Inseln wird afroasiatisch. Dort und in küstennahen Gebieten
des Kontinents verbreiten die frühen Atlantiker die Megalithkultur.
Eine spätere Phase beginnt etwa um 500 v. u. Z. mit der Expedition des
karthagischen Seefahrers Himilkon. Diese Phase endet abrupt mit dem Ende
des zweiten Punischen Krieg 201 v. u. Z., in dessen Folge Karthago alle
westlichen Kolonien an Rom verliert.
Mac, der Sohn, ist also auch in dieser Konsequenz ein afroasiatisches Wort.
Könnte es sein, dass die auf den britischen Inseln entwickelte Freimaurerei
sehr viel ältere und ursprüngliche semitische Wurzeln hat, und in letzter
Konsequenz aus dem alten Ägypten stammt?
Wie auch immer diese Frage beantwortet werden kann, Albert Pike gibt seine
Vermutungen preis, wie das ursprüngliche Meisterwort gelautet haben
könnte: AVN, der Name der ägyptischen Stadt, die die Griechen Heliopolis
nannten, mit der Bedeutung “Robustheit, Stärke”. Etwas mehr masonischen
Bezug hat die Vermutung, dass AMVN das ursprüngliche Wort sei,
kombiniere es doch das maskuline AVN mit dem maternalen AM, um eine
Göttlichkeit mit sexueller Polarität in Balance zu schaffen. Amun, (auch
Amon, Amoun, Ammon, Amen) ist die primäre Gottheit der alten Ägypter,
eine Wind- und Fruchtbarkeits-Deität, von den Griechen mit Zeus, von den
Römern mit Jupiter identifiziert.
AMVN ist zufälliger/unzufälligerweise auch das bibelhebräische Wort für
Architekt oder Baumeister. In Kombination also das, was wir (wenn wir das
tun) mit dem Grossen Baumeister aller Welten bezeichnen. Die sexuelle
Polarität wäre in masonischen Verhältnissen mit der Praxis dargestellt, mit
der wir Winkelmass und Zirkel vereinigen, das männliche und das weibliche
Prinzip, wie es als eben dieses Zeichen in den Symbolen von Shiva und Shakti
vorliegt.
In dieser Betrachtung muss jene Deutung grosses Gewicht bekommen, die
Mahabone/Macbenac vom ägyptischen “Ma’at” herleitet. Der Begriff
bezeichnet ein Prinzip und entstand zeitgleich mit der Entwicklung des
ägyptischen Staatssystems. Als Verb bezieht sich der Begriff einerseits auf die
Bedeutung „lenken“, „richten“, „Dingen eine Richtung geben“, andererseits
auf „darbringen“ sowie „opfern“. Aus diesen Bedeutungen ergeben sich
Übersetzungen, die mit der Thematik des „Richtungssinns“ in Verbindung
stehen, wobei darunter die „richtige Richtung unter Einschluss der Wahrheit“
zu verstehen sein dürfte. In späterer Zeit wurde die Ma’at als Göttin
personifiziert, dargestellt als Frau mit einer Straußenfeder auf dem Kopf und
dem Anch in der Hand. Dergestalt symbolisiert sie die moralische
Weltordnung, aber auch das gemeinsame Glück von Staat und Bevölkerung,
ein Prinzip der Ordnung also, wie wir sie als freimaurerischen Begriff der
“Ordnung” kennen.
Dem gesellt sich auch der Begriff der “beiden Ma’at“ hinzu, eine
Gleichzeitigkeit von innerer und äußere Ordnung bezeichnend. Der Ma’at
wurde in späterer Zeit eine Schwester namens Isfet als Gegenpol zugeordnet,
die für das Chaos steht. Obwohl Isfet gefürchtet wird, weil sie Leid und
Verwüstung mit sich bringt, wird ihre eigentliche Existenz jedoch nicht in
Frage gestellt, müssen doch beide Aspekte, das Positive und das Negative,
vorhanden sein, damit ein Gleichgewicht bestehen kann. Dies erinnert sehr
stark an das maurerische Prinzip des musivischen Pflasters.
Sollte Ma’at das tatsächliche Meisterwort sein, kann es Nichteingeweihten
(wie in der Hiramslegende) nicht abverlangt werden, stellt es doch das
Prinzip der Ordnung dar und ist als Worthülse wertlos. Es ist ein Programm
und keine Programmzeile.
Im Lichte dieser Zusammenhänge ist es also völlig egal, wie wir unser
Passwort aussprechen, deuten oder verstehen. Es wird in richtiger
Anwendung immer von seiner tatsächlichen Bedeutung transzendiert:
Der Ordnung.
Dieses Wort hören wir sehr oft, meine Schwestern Meister, meine Brüder
Meister. Dieses Wort leben wir in unserer Arbeit: Ma’at, die Ordnung.
Hier schloss das ursprüngliche Baustück, das ich am 30. November 6016 in
meiner Loge Euklid gehalten habe.
Erst vor kurzem habe ich eine Deutung des Wortes M..B…. gefunden, die mir
für den Meistergrad, jenen Grad also, dem jene angehören, die den Hammer
führen, am besten zutrifft.
Ich hole ganz kurz aus.
Wir alle kennen aus der jüdisch/christlichen Religionsgeschichte, und den
betreffenden Schriften die Figur des Juda Makkabäus (oder Judas
Makkabäus, auch Machabeus oder Makkabäus, hebräisch: יהודההמכבי
Yehudah HaMakabi genannt). Er war ein jüdischer Priester (Kohen) und ein
Sohn des Priesters Mattathias und führte den Makkabäeraufstand gegen das
Seleukidenreich an (167-160 v. Chr.). Der jüdische Feiertag Chanukka
(„Einweihung“) erinnert an die Wiederherstellung des jüdischen
Gottesdienstes im Zweiten Tempel in Jerusalem im Jahr 164 v. Chr.,
nachdem Juda Makkabi alle Statuen, die griechische Götter und Göttinnen
darstellten, entfernt und den Tempel gereinigt hatte.
Juda war der dritte Sohn von Mattathias des Hasmonäers, eines jüdischen
Priesters aus dem Dorf Modi’in. Im Jahr 167 v. Chr. begann Mattathias
zusammen mit seinen Söhnen Juda, Eleasar, Simon, Johannes und Jonathan
einen Aufstand gegen den seleukidischen Herrscher Antiochus IV.
Epiphanes, der seit 169/8 v. Chr. Dekrete erlassen hatte, die jüdische
religiöse Praktiken verboten. Nach dem Tod von Mattathias im Jahr 166 v.
Chr. übernahm Juda gemäß der Verfügung seines Vaters auf dem Sterbebett
die Leitung des Aufstands. Das erste Buch der Makkabäer lobt Judas
Tapferkeit und militärisches Talent, was darauf hindeutet, dass diese
Eigenschaften Juda zu einer natürlichen Wahl für den neuen Befehlshaber
machten.
Herkunft des Namens
Nach jüdischem Volksglauben ist der Name Makkabäer eine Abkürzung des
Verses „Mi kamokha ba’elim Adonai“, „Wer ist unter den Göttern wie du, o
Adonai?“, dem Schlachtruf der Makkabäer zur Motivation ihrer Truppen.
(Exodus 15:11). Einige Gelehrte behaupten, der Name sei eine Kurzform des
hebräischen maqgab-Yahu (von nagab, „markieren, bezeichnen“) und
bedeute „der von Jahwe Bezeichnete“. Obwohl der Nachname Makkabäer
ursprünglich nur für Juda galt (seine Brüder hatten andere Nachnamen),
wurde er später zur Bezeichnung für alle Hasmonäer, die während des
Makkabäeraufstands kämpften.
In den frühen Tagen des Aufstandes erhielt der jüdischer Priester Juda,
Yehudah (nennen wir ihn vielleicht sogar Meister Yehudah) den Beinamen
„Makkabäer“ Yehudah. Wir wissen nicht, ob dieser Nachname als
Griechischer, Hebräischer oder Aramäischer zu verstehen ist. Für diesen
Nachnamen wurden mehrere Erklärungen vorgeschlagen. Eine davon besagt,
dass der Name vom aramäischen maggaba („makebet“ im modernen
Hebräisch) abgeleitet ist, was nichts anderes als „Hammer“ bedeutet.
Hier schließt sich also der Kreis der Bedeutungserörterungen. M..B…., als
Einweihungsformel ins Ohr geflüstert ist also nichts anderes als das Wort
„maggaba“. Der Hammer. Das Autoritätszeichen der Meister der Königlichen
Kunst.
Danke, ich habe gesprochen.


Literatur:
Loge Euklid, GOÖ: Ritual zur Erhebung.
Loge Phoibos Apollon, GOÖ: Ritual zur Erhebung.
Ritual zur Erhebung
Vennemann, Theo: „Germania Semitica: Pre-Gmc. +-at- in E maiden, G Magd/Mädchen, Goth. magaths“.
Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 56, 1-16. München, 2002.
O.N.: What is the meaning of Mahabone in freemasonry?, in: https://www.reference.com/world-view/meaning-mahabone-
freemasonry-6767c1b77d840fe3#
O.N.: MAC, in: http://www.phoenixmasonry.org/mackeys_encyclopedia/m.htm
Maat – Meyers Konversationslexikon, 1890
O.N.: Maat, in: https://de.wikipedia.org/wiki/Maat_(ägyptische_Mythologie)
Herkunft des Namens „Der Hammer“ https://en.wikipedia.org/wiki/Judas_Maccabeus

Von der operativen zur spekulativen Freimaurerei – ein Ausflug in die Vergangenheit

Katharina R. / 7.September 6023


Von der operativen zur spekulativen Freimaurerei –
ein Ausflug in die Vergangenheit
Die große Frage, die Freimaurer seit Jahrhunderten beschäftigt , ist nach
wie vor ein nicht geklärtes Mysterium.
In den letzten Jahrhunderten haben sich verschiedene Theorien, Mythen
und Legenden entwickelt, man stößt auf Wurzeln, die angeblich bis zu den
alten Mysterienkulten zurückreichen.
Wir sehen uns symbolisch als Nachfolger der mittelalterlichen Steinmetze
( masons ) und ihrer Logen ( lodges ) als neue Form der alten Bauhütten,
jedoch auch die Priester des alten Ägyptens, die Tempelritter der
Kreuzzüge und die ersten wissenschaftlichen Gesellschaften wie die Royal
Society , die Rosenkreuzer oder Illuminaten werden als Wegbereiter
diskutiert.
Allein aufgrund der Hiramslegende beginnen meine Nachforschungen in
der Zeit des Erbaus des Salomonischen Tempels bzw noch früher bei den
alten Ägyptern.
Wir erinnern uns:
„So höret: Die Legende erzählt, beim Bau des Salomonischen Tempels sei
kein Laut zu hören gewesen – nicht Eisen auf Stein, nicht Eisen auf Eisen
war zu hören, da jeder Stein vollkommen behauen zum Bau gebracht
wurde.
So habt Ihr als Lehrlinge am unbehauenen Stein Eures Wesens gearbeitet,
getreu den Worten: Erkenne Dich selbst, beherrsche Dich selbst, veredle
Dich selbst, damit Ihr Euch fugenlos in die Gruppe der benachbarten Steine
einordnen könnt!“
Wenn man sich also auf die Spuren der Freimaurerei begibt, denkt man
unweigerlich an diese eben gehörten Sätze, an den Salomonischen Tempel.
Der Salomonische Tempel ist , der erste fest , aus Stein gebaute Tempel
Israels, er wurde im Auftrag Salomos auf dem Tempelberg Moria in
Jerusalem mit Hilfe phönizischer Baumeister errichtet. Bauzeit ca. 7 Jahre.
Beginn 957 v. Chr.

Der Eingangsseite vorgelagert war die tiefe Vorhalle, vor der zwei bronzene
Säulen Jachin und Boas („Festigkeit und Stärke“) standen , die aber keine
konstruktive Funktion hatten.
Er ist das zentrale Leitbild der Freimaurerei, „das alle anderen Symbole aus
sich heraus entwickeln lässt“, heißt es im Freimaurerlexikon.
Der Salomonische Tempel steht für das Ziel der Freimaurer zur Ehre des
Allmächtigen Baumeisters die Menschen in moralischer Gleichwertigkeit zu
vereinen.
Man geht heute allgemein davon aus, dass das Heilige im Inneren nur den
Priestern zugänglich war, das Allerheiligste durfte nur der Hohenpriester
einmal jährlich betreten.
Sogar Isaac Newton sah um 1700 in der Konstruktion des Tempels, eine
Formel, die offene Geheimnisse in der Natur entschlüsseln könnte, es wäre
ein komplexer Code verborgen, der neues Wissen über die Natur enthüllen
könnte.
Es ging ihm dabei um die „heilige Geometrie“ des Tempels.
Der Tempel ist für uns von zentraler Bedeutung, da er als Sinnbild für den
Tempelbau der allgemeinen Menschenliebe, Symbol des Friedens und
Humanität steht.
Wenden wir uns an
die frühen Hochkulturen in Mesopotamien und Ägypten um 3.000 –
4.000 v. Christus
Es ist wert in die Vergangenheit zu den alten Ägyptern zu blicken, die so
Erstaunliches wie Grabstätten für die Pharaonen, Pyramiden mit ihrer
klaren geometrischen Ordnung erschaffen haben. Vielleicht ist ja dort der
Ursprung der FM zu finden oder noch früher bei Adam, der die „Laws of
Proportion“ schon gekannt hatte und seinen Söhnen Geometrie
unterrichtet haben soll?
Man muss sich vorstellen, dass die alten Ägypter bereits in dieser Zeit
perfekt organisiert waren und auch Kontrollsysteme eingeführt hatten, um
keine materiellen Verluste zu haben bzw. die Arbeitskraft Mann zu
optimieren.
d.h. es gab so eine Art „Bauhütte“ bereits im alten Ägypten:
Die Arbeiter waren in 2 Kolonnen eingeteilt – wie eine Art Schiffsbesatzung
organisiert, an der Backbordseite ( im Norden) die Rangniederen, die
Ranghöheren an der Steuerbordseite ( im Süden).

Der Bautrupp setzte sich zusammen aus verschiedenen Facharbeitern wie
Steinbrucharbeitern, Steinmetze, Tischlern, Schmiede, Zeichner und Maler .
Es gab auch Arbeiterhütten, die Unterkunft für 4.000 – 10.000
Facharbeitern boten.
Den Titel des Oberbaumeister führte meist der Bruder des Pharaos. Er war
nach dem Pharao der höchste Würdenträger des Reiches. Der Oberpriester
stand im Rang nach dem Oberbaumeister.
Alles Bauen war Symbol der Unsterblichkeit, deshalb sind die Bauwerke so
gigantisch und voll Mysterien und Rätsel, welche die Größe und Ehre des
Weltallerbauers und Meister der königlichen Kunst verkünden sollen.
Wenn wir uns nach Rom wenden mit seinen Tempelanlagen,
Kaiser Augustus ( 31 v. Chr. – 14 n. Chr ) soll der Großmeister der Loge von
Rom gewesen sein, man findet auch dort Baukorporationen, die sich ab
300 v.Chr entwickelten – das sogenannte „collegium fabrorum“ .
Auch das waren Handwerkervereinigungen, die keine wirtschaftlichen Ziele
verfolgten, sie waren somit scheinbar keine direkte Interessensvertretung
des betreffenden Berufes .
Diese Organisationen bauten »schlüsselfertig« , vom Plan bis zur
Ausführung. Auch einen »Architectus« gab es.
Die Collegia hatten einen Schutzgott, zu dessen Verehrung sie Feste und
Gelage feierten, es waren Kultgenossenschaft bzw. Geselligkeitsklub, später
entwickelten sich daraus ab ca. 70 v. Chr. politische Clubs.
Die Wurzel der FM dürften jedoch kaum über das 12.Jhdt zurückreichen.
Aus diesem Grund schauen wir nun in das tiefste Mittelalter im heutigen
Europa.
Zur Jahrtausendwende begann die Blütezeit des Kirchenbaus mit der
Romanik. Vor dieser Zeit haben wir wenig Zeugnisse für die Organisation
der Bauleute.
Für die architektonisch eindrucksvollen Monumentalbauten war ein Team
von ausgebildeten Bauleuten notwendig mit einer straffen Organisation im
Hintergrund.
Die künstlerische Aufgabe diente primär Gott alleine.
Religion spielte klarerweise in dieser Zeit eine übermäßige Rolle im Leben
der Menschen, somit natürlich auch bei den Bauleuten, da ja primär
zunächst Kirchen gebaut wurden.

Insofern ist es naheliegend, dass Klöster und somit die Kirche Kunst und
Wissenschaft in Ihren Schutz nahm.
Es entstanden nahe von Klöstern sog.Klosterbruderschaften – vorzugsweise
in den Benediktinerklöstern; deren Ordensregeln aus dem 6. Jahrhundert
prägten diese Baugemeinschaften und führten sie zu höchster Blüte.
Die Werkstätten der Kirchenbauleute, die sogenannten „Hütten“, befanden
sich anfänglich direkt in den Klöstern, später in unmittelbarer Umgebung
der Baustellen, somit in der Nähe der Kirchen. Sie hatten quadratische
Formen, meist aus Stein errichtet und dienten als Versammlungsort, im
Englischen wurden sie Lodges genannt.
Diese Klosterbau-Bruderschaften, deren Ruhm sich bald
grenzüberschreitend verbreitete, reisten von Land zu Land und waren zum
Schutz gegen Überfälle in militärischer Disziplin organisiert und bewaffnet.
Die Bauleitung führte ein Bischof, Abt oder Domherr.
Aufgrund Ihrer Reisen verdanken wir Ihnen die Ausbildung und
Ausbreitung der Gotik in Europa.
Aufgrund des Verbots Grundsätze der Baukunst schriftlich abzufassen, soll
die symbolische Sprache durchgesetzt worden sein und da der Großteil der
Maurer und Steinmetze des Schreibens nicht mächtig war.
Man muss sich das so vorstellen:
Die damaligen Baumeister arbeiteten nicht nach Plänen, sondern es dienten
geometrische Formen wie Quadrat, Dreieck und Kreis als Grundlage. Es
wurde ein Grundmass entwickelt, das einen geometrischen
Verhältnisschlüssel darstellte – z.B. die Masszahl beim Bau des
Stephansdoms war 37.
( 3×37 = 111 – Symbol der Dreifaltigkeit. 111 Fuß ist der Dom breit. 3×111
= 333 Fuß = Länge des Doms )
Die Handwerker hatten die Entwicklung der Formen in Originalgröße zu
wiederholen. Das rechte Maß besaß große Symbolik.
Es galt bei allen Bauarbeiten das rechte Maß zu finden.
Die mittelälterlichen Steinmetzen waren sich des symbolischen Gehalts
ihrer Werksarbeit und ihrer Werkzeuge wohl bewusst. Sie waren
künstlerisch erzogen für ihre als Religion empfundene Kunst –
symbolfreudige Männer.
Zirkel, Winkelmaß, Wasserwaage und die anderen Werkzeuge hatten ihre
tiefe sinnbildliche Deutung.
Als oberstes Geheimnis, das mit dem Schleier der Mystik und Symbolik
umhüllt streng bewahrt wurde, galt der sogenannte „rechte
Steinmetzgrund“, in dem das ganze Wesen des Konstruierens verborgen
war, dessen Erkenntnis als höchstes Ziel des Br. galt.

Der persönliche Stempel war das Steinmetzzeichen, ein Ehrenzeichen, es
starb mit dem Besitzer .
Es war durchaus wünschenswert als Schöpfer eines Bauwerkes zu gelten –
außer man versagte.
An besonders schwierigen Bauten finden sich meistens nur Meisterzeichen.
Auch in der Loge bei unseren Arbeiten sollten wir das Ganze, den Bauplan
am Gebäude der Menschlichkeit nicht aus den Augen verlieren.
J.W.Goethe sagte über diese Steinmetzen:
„Ihre Großen Vorteile sind, sich durch geheime Zeichen und Sprüche sich
den ihrigen kenntlich zu machen.
…organisiert denke man sich eine unzählbare Menschenmasse durch alle
Grade der Geschicklichkeit dem Meister an die Hand gehend, durch Religion
begeistert, durch Kunst belebt, durch Sitte gebändigt; dann fängt man an zu
begreifen, wie so ungeheure Werke konzipiert, unternommen und, wo nicht
vollendet, doch immer weiter als denkbar geführt worden . . .“
Die Zeit der Romanik stufen wir zwischen Ende des 10.Jhdts bis zum
13.Jhdt ein, in dieser Zeit kam es zum fließenden Übergang zum gotischen
Spitzbogenstil ( Gotik Mitte des 12.Jdhts bis zum 15.Jhdt. )
Ganz im Gegensatz zu Architekten der Antike, die das Innere der Gebäude
vor starkem Sonnenlicht schützen wollten, versuchten die Baumeister der
Gotik, Licht in die Kirchen zu bringen.
Dies sehen manche als Beweis an, dass die Entstehung der FM nur nach
oder während der Gotik denkbar ist !
Abt Suger – ein großer Kathedralenbauer , geb. 1081, Abt des Klosters
St.Denis bei Paris, wo die Könige Frankreichs begraben wurden, errichtete
das bedeutendstes Werk der Gotik – die Abteikirche von St.Denis;
Baubeginn 1137; die erste gotische Kathedrale mit Rippengewölbe und
Spitzbogen und durch

Herausnahme von Stützwänden entstanden
großflächige Fensterflächen.
Es mussten Öffnungen, in den Mauern geschaffen werden, ohne die
Gebäude in ihrer Festigkeit zu gefährden, um Mittelschiff und Chor besser
zu beleuchten. Das Licht war entscheidend, um Gott angemessen ehren zu
können.
ABER sind die sog. „Bau“hütten des Mittelalters Vorläufer unserer Logen?
Man sollte nicht von Bauhütten sondern besser von Bauschulen oder
Werkstätten sprechen.

Der Begriff Bauhütte wurde erst von Johann Wolfgang Goethe geprägt,
früher nannte man die Bauhütten ganz profan „Hütten“.
Ab 1150 fand eine Zentralisierung des Bauwesens statt , da die Bauten
immer komplizierter wurden und somit bestand die Notwendigkeit das
Bauwesen zu institutionalisieren.
Ein Anspruch gerechter Bau war organisatorisch nicht mehr von nur einem
Bauherren zu bewältigen, man benötigte eine straff geführte Organisation!!
Die Gotik hatte einerseits herrliche Bauwerke andrerseits eine
Verbeamtung des Bauwesens verursacht.
Um das 10. – 11.Jhdt wurden erstmals Laienbrüder in den Hütten
aufgenommen und in verschiedenen Handwerken unterrichtet.
Gegen Ende des 12.Jhdts ging dann das Bauwesen sukzessive vorwiegend
an Laienbrüder und weltliche Arbeiter über.
Der Grund lag im veränderten Bürgerwesen, die Bauhütten trennten sich
von den Klöstern und wurden in die Städte verlegt, die Laienbrüder wurden
als Bürger aufgenommen.
In dieser Zeit vergrößerten sich die Städte immer mehr und die Bauleute
ließen sich in den Städten nieder, da in großer Zahl nun auch
Profanmonumentalbauten errichtet wurde, dazu waren natürlich
Steinmetze nötig.
Im Unterschied zu anderen Handwerkern organisierten sich die Bauleute
erst relativ spät, zumindest wenn wir schriftlichen Unterlagen glauben
können.
In der Bauhütte stand des Meisters Werkbank auf der ihm allein
vorbehaltenen Ostseite.
Die Aufseher arbeiteten im Süden, die (in der Zunft sonst
gleichberechtigten) Gesellen mit dem Gesicht nach Osten und im Norden
die Lehrlinge. Der losgesprochene Lehrling, dem die Rechte eines Gesellen
zuerkannt wurden, war „zünftig“, wenn er nach bestandener Prüfung seiner
Kenntnisse in den geheimen Zunftbräuchen regelrecht zum „ehrbaren
Gesellen“ geworden war.
Der Ausweis der Zugehörigkeit erfolgte in der Hauptsache durch geheime
„Zwiereden“, Zeichen und Stellungen, der Unterricht im geheimen
Brauchtum erfolgte durch die „Ausweisgesellen“.
Der „Ausweis“ bestand aus „Zeichen und Wort“ oder auch aus Schritt, Gruß
und Handschenk.
Das „Zeichen“ – das Erkennungszeichen, wurde dadurch gegeben, dass man
„die rechte Hand ausgebreitet, die vier Finger zusammengeschlossen so

unter das Kinn legte, dass der Daumen unter dem rechten Ohr nach hinten
zu stehen kam“. Dieses Halszeichen findet sich schon im Jahre 1144 am
Westportal der Wiener Stephanskirche im Brustbild eines bärtigen Mannes,
eines Steinmetzen, eingehauen.
Aus der Straßburger Steinmetzordnung von 1563 geht hervor, dass die
Bauhütten nicht nur konfessionell bezogene Richtlinien hatten, sondern
dass ebenfalls ethische und soziale Aspekte Eingang fanden.
Der Übergang zu einer weiter gefassten Ethik des Humanismus bahnte sich
an.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts vollzog sich eine innere Wandlung der
Dombauhütten.
Die Leitung wechselte zunehmend an Laienmeister, auf der Schwelle zum
17. Jahrhundert wurden größere Bauvorhaben auch von weltlichen
Bauhütten wahrgenommen.
Es entstanden aus den kirchlichen Hütten die weltlichen Hütten.
Die Tatsache ist heute kaum mehr bestritten, dass die Freimaurerei von
1717 durch ganz allmähliche Entwicklung auf dem Urboden der
mittelalterlichen Bruderschaften der Bauleute/ Steinmetzen erwachsen ist.
In vielen Punkten diente das Brauchtum der mittelalterlichen Bauhütten-
Bruderschaften und sein symbolischer Gehalt, „das ritualistische Geheimnis
der sogenannten inneren Hütte“, als Vorbild für die Freimaurerei in ihrer
heutigen Form.
Man nimmt an, dass der Bedeutungsverlust der Bauhütten dem Adel und
dem Bürgertum erlaubten, Ihnen neue Bedeutung zu verleihen, sie auf einer
symbolischen Ebene neu zu erfinden.
In der Reformation ( frühes 16.Jhdt ) wurde Ihnen der Vorwurf gemacht ,
sie würden geheime Zusammenkünfte abhalten und die Gesetze des Staates
und der Kirche missachten, auch durch den 100jährigen Krieg zwischen
Frankreich und England ausgelöst und der dadurch negative
ökonomische Entwicklung wurden sie nach und nach aufgelöst.
Nun ein kurzer Ausflug nach ENGLAND:
Bauarbeiter der „freien Steine“ findet man erstmals in England 1212
Interessanterweise hinkte England mit der Organisation der Zünfte deutlich
nach, erst offenbar im 14.Jhdt gab es religiöse Bruderschaften von Maurern.

Es gibt 2 Manuskripte, die für die FM interessant sind, da sie sich in Ihrer
Herkunft auf die Steinmetzbruderschaften berufen.
Das Regius-Manuskript ist die wahrscheinlich älteste und aus dem Jahr
1390 stammende Niederschrift von Regeln der Steinmetzbruderschaften.
Sein Ursprung ist unbekannt
Nach dem Regius-Manuskript nahmen auch Ritter und Landedelleute als
Vertreter der Behörden an den Versammlungen teil, die im Abstand von 1-3
Jahren stattfanden.
Das Manuskript ist ein Gedicht, das aus 794 paarweise gereimten in
mittelenglischer Sprache verfassten Versen besteht.
Sein Zweck war, den jungen Handwerkern die Regeln und Pflichten der
Bruderschaft näherzubringen und das Auswendiglernen dieser zu
erleichtern.
Das Manuskript ist ein Teil der „Alten Pflichten „ die erste Konstitution der
ersten Großloge von England.
Die zweitälteste Manuskript ist das Cooke-Manuskript- Handschrift der
mittelalterlichen englischen Bauhütte, etwa 1430-1440 entstanden.
Das 1861 zum ersten Mal veröffentlichte, im Britischen Museum
aufbewahrte Pergament enthält eine Art Zunftsage und Anleitungen zu
gewissenhaften Erfüllung der Zunftpflichten und zu sittlich-religiösem
Verhalten in einem angehefteten „Book of our charges“.
Letzteres dürfte aus dem Jahre 1388 aus Westengland stammen, es wurde
von einem Geistlichen verfasst.
Auf diese Form gehen im Wesentlichen die jüngeren Manuskripte zurück,
die für den Logengebrauch der Bruderschaft bestimmt waren.
Die Meistermaurerei verlor im Laufe der folgenden Jahrhunderte weiter an
Bedeutung.
Viele Adelige und Gelehrte hatten begonnen ihre Bauwerke selbst zu
entwerfen und gestalten.
Die Renaissance übernahm die Macht und die als dunkel und bedrohlich
geltende Gotik wurde verdrängt.
Es war der Zeitpunkt gekommen, an dem die Logen ihren Charakter
veränderten. Es gab nun neben Handwerkern auch Adelige, Professoren,
Ärzte, Kaufleute.
Als offizielles Gründungsdatum der heutigen spekulativen FM nimmt man
den 24.Juni 1717, an diesem Johannistag trafen sich in London 4 Logen, um
sich zum Zwecke der Geselligkeit miteinander zu verbinden.

Das dürfte der Zeitpunkt gewesen sein, an dem es zum Übergang von
der operativen zur spekulativen FM kam, wobei dieser sicher fließend
entstanden ist.
Schlußwort:
Es ranken seit jeher viele Geheimnisse um die FM; sei es um unsere
Wurzeln mit all Ihrer Symbolik zu erklären, die wir glauben bei Noah, bei
den Ägyptern, in Israel oder im Mittelalter zu finden oder um die große
Anzahl spiritueller Gedanken, die diese Gemeinschaft ausmacht , zu
erklären.
Wie wir aus der Geschichte wissen, gab es auf der ganzen Welt auch schon
in früher Vorzeit Hochkulturen, die sich vollkommen unabhängig
voneinander entwickelten und erstaunliche Bauwerke erschufen.
Diese verschiedenen Theorien zeigen den komplexen Zusammenhang der
vielfachen Wurzel und Quellen, die zur Entstehung der FM beitrugen.
Die aktuelle FM-Forschung geht davon aus, dass dich im Spätmittelalter und
in der Neuzeit viele Quellen langsam zu einer größeren Bewegung
verdichteten, die dann zu den Anfängen der FM führte.
Warum also sollte nicht als dieses Wissen aus Jahrhunderten
zusammengetragen worden sein, um aus dem Besten eine zündende Idee
zu kreieren.

Literatur:
Freimaurerlexikon von Eugen Lennhoff und Oskar Posner
Franjo Terhart, Freimaurer 2004
Jean Gimpel, Die Kathedralenbauer 1996
Dieter A.Binder, Die diskrete Gesellschaft
Thomas Gerstenbrein, Die königliche Kunst in der Baukunst des hohen
Altertums 1923
(http://mek.niif.hu/07100/07171/07171.pdf)
Katalog „300 Jahre Freimaurerei „
www.freimaurer-wiki.de

Die Macht der Geduld

Baustück: Claudia B.   01.06.6023

Die Macht der Geduld

Wieso habe ich schon wieder ein Thema, das sich letztendlich mit der Zeit beschäftigt, gewählt? Und das recht spontan! Vielleicht gehört die Ungeduld zu einer meiner SEHR rauen Kanten und soll daher umso sorgfältiger „bearbeitet“ werden?

So beginne ich mit dem Versuch einer Definition:

dt. Geduld; Verb dulden: Leiden ertragen, zulassen

abgeleitet von thult, über tholon (8.jhr) aus lat. tollere/tolerare, gr. tlenai aus der indogerm. Wurzel *tel(e) – aufheben, wägen, tragen, ertragen, dulden

lat. Patientia

1. leiden

2.  Geduld, Ausdauer, Langmut, Nachsicht, Beständigkeit

s. auch engl. Endurance: Ausdauer – schließt lat. Durum, hart bzw. Mühsal sein

ähnl. lat. Pietas

Sinnbild der europäischen (christlichem) Verständnisses:

die (Madonna della) Pieta im Petersdom (Michelangelo, 1499)

Synonyme: Beharrlichkeit, Ausdauer, Beständigkeit, Impulskontrolle, Gelassenheit, Gleichmut,   Langmut

Geduld ist die Fähigkeit, eine innere Spannung anzunehmen, ohne sich dabei zu ärgern oder zu verspannen. Diese innere Spannung entsteht meistens, wenn sich unsere Wünsche nicht erfüllen und diese mit der Realität auseinanderklaffen. Zusätzlich kommt hinzu, dass diese Spannung dann noch durch einen zeitlichen Faktor bestimmt wird. Ich möchte zum Beispiel jetzt schon etwas haben, muss aber noch warten. Geduldige Personen wissen, dass es sich lohnen kann, nicht jedem Impuls sofort nachzugeben, sondern diesem mittels Disziplin zu widerstehen und dafür in der Zukunft eine größere Belohnung zu erhalten.

Geduld direkt zu definieren, ist wie sich zeigt schwierig. Aber man kann Aspekte, die häufig mit Geduld einhergehen, wie Akzeptanz, Spannungstoleranz und Hoffnung benennen.

Auf jeden Fall handelt es sich bei Geduld um eine wertvolle Fähigkeit die sowohl Ausdauer, Mut als auch Gelassenheit impliziert. Der Schriftsteller Truman Capote beschrieb es so:

GONG: „Der Jammer mit der Menschheit ist, dass die Klugen feige, die Tapferen dumm und die Fähigen ungeduldig sind. Das Ideal wäre die tapfere Kluge mit der nötigen Geduld.“

Neben der Akzeptanz, die ein Bestandteil der Geduld ist, schwingt oft auch Hoffnung mit. Hätten wir keine Hoffnung auf etwas, was wir erwarten, würde sich das Warten ja nicht lohnen. Wir stellen uns nicht in eine lange Schlange und warten bis wir an die Reihe kommen, wenn wir nicht die Hoffnung hätten, dafür etwas Lohnenswertes zu bekommen.

Geduld ist also etwas, dass sich für einen selbst aus der Auseinandersetzung mit spannungsvollen Situationen als erlebter Zustand und Erfahrung definieren muss.

So sind die Aspekte der Geduld:

1. Zeit: etwas dauert länger als man möchte. Viel länger. Geduld ist die Ausdauer im ruhigen, beherrschten, nachsichtigen Ertragen oder Abwarten von etwas.

2. Leid: Oft erfordert die Situation nicht nur das reine Warten, sondern es ist unangenehm, lästig oder furchtbar. Sie verursacht also Leiden, das ertragen werden muss.

3. Gelegenheit: Irgendwann ändert sich schlagartig etwas: eine Gelegenheit tut sich auf. Diese gilt es nun beherzt zu ergreifen. Ob es sich dabei um einen Fehler der Gegenseite handelt (Schach), oder eine deus ex machina-artige äußere Entwicklung (Cinderella), in beiden Fällen heißt es: jetzt zuschlagen: denn sonst war das lange Ertragen des Leidens umsonst.

GONG: „Geduld ist die Kraft, die uns ermöglicht, unser Schicksal zu ertragen, ohne es zu ändern.“ – Søren Kierkegaard

In der Literatur wird Geduld oft als eine Tugend dargestellt, die notwendig ist, um Herausforderungen zu meistern und erfolgreich zu sein. In vielen Fällen wird gezeigt, dass Geduld belohnt wird, indem die Charaktere ihre Ziele erreichen oder Probleme lösen.

Ein bekanntes Beispiel aus der Literatur ist die Geschichte von „Ali Baba und die 40 Räuber“ aus „Tausendundeiner Nacht“, in der Ali Baba Geduld hat und wartet, bis die Räuber in die Höhle zurückkehren, bevor er den Eingang verschließt und die Räuber tötet.

Auch in der Bibel finden sich viele Beispiele von Geduld, wie zum Beispiel in dem Gleichnis vom Senfkorn (Matthäus 13,31-32) Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.

UND auch Johann Wolfgang von Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ ist ein klassisches Beispiel für die transformative Kraft der Geduld im Zusammenhang mit der persönlichen Entwicklung. Während seiner Reise lernt Wilhelm, wie wichtig Geduld ist, sowohl im Umgang mit anderen als auch für seine persönliche Entwicklung.

Eines der stärksten Beispiele für die Bedeutung der Geduld in Wilhelm Meisters Lehrjahre ist die Figur der Mignon. Mignon ist ein junges Mädchen, das von Wilhelm aufgenommen wird und zu einer zentralen Figur in seinem Leben wird. Trotz ihrer Jugend besitzt Mignon eine tiefe Weisheit und innere Stärke, die es ihr ermöglichen, großes Leid und große Entbehrungen zu ertragen. Ihre Geduld und Unverwüstlichkeit sind eine Quelle der Inspiration für Wilhelm und helfen ihm, ein tieferes Verständnis für die menschliche Erfahrung zu entwickeln.

Goethe erkennt an, dass persönliches Wachstum ein allmählicher und schrittweiser Prozess ist, der Geduld und Ausdauer erfordert. Dies spiegelt sich in der Betonung des Zeitablaufs im Roman wider, da Wilhelms Reise sich über viele Jahre erstreckt und ein breites Spektrum an Erfahrungen und Herausforderungen umfasst.

Auch in Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ spielt Geduld eine große Rolle. Tamino muss eine künstlich auferlegte Prüfung der Geduld bestehen, indem er trotz seiner starken Liebe zu Tamina nicht mit ihr sprechen darf. Diese Prüfung soll zeigen, ob er in der Lage ist, seine Gefühle zu beherrschen, geduldig zu sein und seine wahre Motivation geheim zu halten, um seine Eignung für den Tempel zu beweisen.

GONG:   „Geduld und Zeit erreichen mehr als Kraft und Gewalt.“ – Jean de La Fontaine

ABER: Es ist wichtig zu betonen, dass Geduld nicht bedeutet, dass man sich nun jeder Situation ergeben oder ausliefern soll und alles mit sich geschehen lassen soll. Es heißt nur zu akzeptieren, dass die Dinge im Moment so sind wie sie sind. Und man sich aus einer geduldigen und gelassenen inneren Haltung heraus entscheiden kann, ob man es dabei belässt oder man aktiv etwas an der Situation ändern möchte. Wer geduldig ist, sieht oft klarer, was als nächstes zu tun ist- auch wenn das vielleicht erst einmal bedeutet, nichts zu tun.

Ein wichtiger Faktor für Geduld ist, sich die Zukunft vorstellen zu können.

 Es gibt viele symbolische Darstellungen der Geduld in verschiedenen Kulturen und Traditionen.

Einige bekannte Symbole der Geduld sind:

  Der Elefant: Der Elefant wird oft als Symbol der Geduld und Ausdauer betrachtet, da er für seine lange Lebensdauer und seine Fähigkeit bekannt ist, schwere Lasten zu tragen.

    Der Baum: Der Baum wird oft als Symbol der Geduld und Durchhaltevermögen betrachtet, da er jahrelang wächst und sich den Herausforderungen der Natur stellt.

    Der Löwe: Der Löwe wird oft als Symbol der Geduld und Selbstbeherrschung betrachtet, da er in der Lage ist, seine Beute zu jagen, ohne sich von seiner Gier leiten zu lassen.

Im Buddhismus ist Geduld (Khanti) eine der wichtigsten Tugenden und eine der sogenannten „Vier unbesiegbaren Waffen“ (catvari acala-viriya), zusammen mit Einsicht (dassana), Energie (viriya) und Konzentration (samadhi). Geduld wird als unerlässlich angesehen, um spirituelle Fortschritte zu machen und den Weg zur Erleuchtung zu gehen. Sie beinhaltet auch Nachsicht, Vergeben und Toleranz (mit sich selbst und anderen). Sie drückt sich aus als gelassene Haltung in inneren und äußeren Stresssituationen und befähigt einen Menschen, den Strom der Ereignisse mit Gleichmut hinzunehmen.

Die Geduld wird als die Fähigkeit verstanden, das Leiden zu ertragen, ohne zu klagen oder sich zu beklagen. Es ist die Fähigkeit, Probleme und Schwierigkeiten mit Gelassenheit und innerer Ruhe zu begegnen, anstatt sich von Emotionen wie Wut, Angst oder Frustration leiten zu lassen.

Jon Kabat-Zinn, ein amerikanischer Professor, hat einen immensen Beitrag geleistet, Achtsamkeit und Meditation in den Westen und in die Psychologie zu integrieren. Er beschreibt Geduld als ein inneres Wissen.

„Sie bringt zum Ausdruck, dass wir verstehen und akzeptieren, wenn Dinge ihre eigene Zeit brauchen, um sich zu entfalten“ Jon Kabat-Zinn 2013[1]

GONG: „Geduld ist die Wurzel aller Tugenden.“ – Clive Staples Lewis

Das Gegenteil von Geduld ist Ungeduld. Jemand der ungeduldig ist, nimmt die Möglichkeit, dass vielleicht „Nichtstun“ die richtige Entscheidung ist, gar nicht bewusst wahr. Ungeduld geht dabei oft mit diversen körperlichen Beschwerden einher. Diese können zum Beispiel erhöhte Herz- und Atemfrequenz, muskuläre Anspannung und allgemeine körperliche Unruhe sein, typische  Anzeichen einer Stressreaktion. Unter Stress sind wir aber eher auf Überlebensmodus geschaltet und weniger in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Jetzt denkt ihr euch wahrscheinlich schon, bitte erzähle doch einmal etwas Neues!

Ja, es ist tatsächlich schwierig zu diesem Thema noch neue Aspekte und Erkenntnisse aufzuzeigen. Deswegen werde ich nun versuchen Freimaurerisches, Persönliches und Wissenschaftliches einzubringen, in der Hoffnung etwas Neues zu erzählen.

In der Freimaurerei wird Geduld oft als Symbol für die Fähigkeit verstanden, die Schwierigkeiten des Lebens zu ertragen und sich auf die spirituelle Reise zu konzentrieren, anstatt von äußeren Umständen abgelenkt zu werden. Es wird auch als die Befähigung betrachtet, andere mit Toleranz und Mitgefühl zu behandeln, ohne zu urteilen. Der Geselle übt sich in Geduld und schult sein Sozialverhalten. Geduld wird auch als wichtiges Element in der Arbeit an sich selbst betrachtet, indem man sich Zeit nimmt, um seine Fehler zu erkennen und sich zu verbessern, anstatt sich selbst unter Druck zu setzen.

GONG: „Ungeduld und Stolz gehören zu den Haupthindernissen auf dem Pfad.“ (Dalai Lama)

Im Zusammenhang mit meiner persönlichen Entwicklung spielt die Geduld, bzw. Ungeduld eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, dass ich mit der Zeit wachsen und mich weiterentwickeln soll(te). Ich sehe die persönliche Entwicklung auch im Zusammenhang als Freimaurer, als einen Prozess, mich, in Bezug auf innere Qualitäten wie Selbsterkenntnis, emotionale Intelligenz und Widerstandsfähigkeit, selbst zu verbessern. Geduld sollte es mir ermöglichen, Ziele im Auge zu behalten, auch wenn ich nur langsam vorankomme, oder Rückschläge erleide, und die Ausdauer und Entschlossenheit zu entwickeln, die für eine dauerhafte Veränderung notwendig sind.

Das heißt, zuerst muss ich den Ist-Zustand ermitteln: was macht mich denn so ungeduldig?

Gedanken wie „Ich verschwende hier nur meine kostbare Zeit“, „Wenn das so weitergeht, wird das nie was“, oder sogar „Warum sind die alle so unfähig“ lösen keine Probleme, aber sie lösen Stress und teilweise auch eine feindliche und abwertende Stimmung in mir aus. Gerade in dem Extremfall, wenn es anfängt, feindlich zu werden, zeigen sich die weitreichenden Konsequenzen. Wenn ich die Leute in der Warteschlange, die Kassierer, die anderen Verkehrsteilnehmer oder meine Mitarbeiter innerlich abwerte und zu Feinden mache, wird das auch für die Welt um mich herum spürbar und unangenehm. Ich mache mich selbst im schlimmsten Fall zum Feind für meine Umwelt. Von daher lohnt es sich, diese Gedanken in Ruhe zu betrachten und auf ihren objektiven Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Dies kann anfangs in einer stressigen Situation schwierig sein.

Dabei sind die Dinge, die wir statt des Schlangestehens tun würden meist nicht so wichtig, dass man sie nicht auch eine Stunde später erledigen könnte. Es ist der vorherrschende Optimierungswahn, der uns etwas Anderes suggeriert, wie Studien von Stressforschern immer wieder belegen: Nicht trödeln, bloß keine Zeit verplempern, alles muss immer schneller, immer besser werden. Diese allgemeine Lebens-Ungeduld bedingt die Ungeduld im Alltag. Sich an der Kasse anstellen zu müssen, passt da nicht rein, denn es zwingt uns Langsamkeit auf, die wir nicht wollen – für viele Menschen unerträglich. Schuld ist unser Gehirn, das ständig nach Belohnung, Spaß und guten Gefühlen schreit. Von denen gibt es im Stau ziemlich wenige, wenn wir sie nicht aktiv herbeidenken und dem linken präfrontalen Kortex sein Wohlfühlfutter geben. Tut man das nicht, gilt für den auf Steinzeit gepolten Denkapparat „Katastrophe kommt vor Vergnügen“, wie Ilona Bürgel[2] , Diplom-Psycholgin und Autorin, erklärt. „Wir sind ständig mit unseren Gedanken woanders, ärgern uns über das, was gestern war, machen uns Sorgen über Dinge, die wir hören und lesen und die (noch) gar nicht real sind.“ Dieses „katastrophische Gehirn“ hat einst das menschliche Überleben gesichert. Es sorgte dafür, dass man nicht vor lauter Freude über das schöne Wetter den Säbelzahntiger übersah, und gefressen wurde.

GONG: „Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern.“ Konfuzius

Wie sieht sie nun aus, die Arbeit an meinem rauen Stein?

1.  Dankbar sein

Eine Studie, die von David DeSteno, Leah Dickens und Jennifer Lerner im Jahr 2014[3] erschienen ist, untersuchte, ob es einen Zusammenhang zwischen Dankbarkeitsübungen und Geduld gibt. Dabei wurden Teilnehmer unterschiedlichen Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe sollte über ein Ereignis schreiben, dass ihren Alltag wiedergibt. Die zweite Gruppe über eine Erinnerung, bei der sie sich sehr glücklich gefühlt haben und die dritte Gruppe über eine Erinnerung, bei der sie viel Dankbarkeit empfunden haben. Danach wurde allen Teilnehmern eine kleine Summe Geld angeboten, die sie gleich bekommen könnten oder eine größere Summe Geld, wenn sie zwischen einer Woche und sechs Monate warten würden und sich so also in Geduld üben. Die Gruppe mit der Dankbarkeitserinnerung schnitt am besten ab, da in dieser sich mehr Teilnehmer entschieden, länger zu warten.

Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass eine Beschäftigung mit den Dingen, für die wir dankbar waren und dankbar sind, einen Einfluss auf unsere Fähigkeit geduldig zu sein haben.

2. Warten üben: Eine neue Einstellung zum Warten zu bekommen, ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung, um geduldiger zu werden. Es hilft, meine Denkmuster zu ändern und die Zeit stattdessen für etwas Sinnvolles zu nutzen, wie zum Beispiel: die Wartezeit für Gehirnjogging, Musik hören zu nutzen?

3. Lernen, still zu sein: zB. meditieren

4. Geduld in Gesprächen

Um geduldiger in Gesprächen zu werden, hat es sich gezeigt, dass es sich lohnt genauer zuzuhören und dabei ein ehrliches Interesse unserem Gegenüber zu vermitteln oder zu entwickeln. Um das mit schwierigen Gesprächspartnern zu erreichen, können wir, also ich J , versuchen einen Perspektivwechsel anzustreben und zu versuchen, die Dinge aus der Sicht des Gesprächspartners zu sehen.

Grundsätzlich sollten sich ungeduldige Zeitgenossen mit einer Belohnung motivieren. „Das Gehirn stellt eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf und der Nutzen muss überwiegen“, sagt Bürgel. „Wenn ich mich zu etwas überrede, muss das einen Sinn für mich ergeben.“ Also: Wer brav den Stau erträgt, ohne ins Lenkrad zu beißen, bekommt zu Hause ein Eis, ein gutes Buch, eine Folge seiner Lieblings-Serie – womit auch immer man sich selbst eben am besten motivieren kann.

Zum Schluss möchte ich über eine sehr bekannte Studie, samt Folgestudien berichten: Der Marshmallow-Effekt von Walter Mischel[4],[5] ; Wie Willensstärke unsere Persönlichkeit prägt

Walter Mischel setzte 4-6-jährige Kinder in einen kargen Untersuchungsraum an einen Tisch. Darauf stand ein Teller mit einem Marshmallow, sonst nichts. Während das Kind begierig auf die klebrige Süßigkeit starrte, erklärte Mischel ihm, dass es das Marshmallow sofort essen könnte – oder aber eine Weile warten und dafür später zwei bekommen.

Er verließ den Raum und beobachtete durch einen Einwegspiegel, was die Kinder anstellten, bis er 15 Minuten später zurückkam. Einige der Kinder schafften es, unter Aufbietung all ihrer Kräfte zu warten. Andere konnten oder wollten nicht – und das Marshmallow war vom Teller verschwunden, als Mischel zurück ins Zimmer kam. Der Psychologe war sehr zufrieden. Die Zeit, die bis zum Aufessen verging, war ein gutes Maß für die Willenskraft der Kinder, fand er. Was er aber nicht ahnte: Sein einfaches Marshmallow-Experiment, das er mit über 500 Kindern mit unterschiedlichen Belohnungen und Wartezeiten durchführte, würde legendär werden. Denn als er die Kinder 13 Jahre später nochmals einlud, gab es erstaunliche Ergebnisse. Jene, die schon im Vorschulalter hatten warten können, waren als junge Erwachsene zielstrebiger und erfolgreicher in Schule und Ausbildung. Außerdem konnten sie besser mit Rückschlägen umgehen, wurden als sozial kompetenter beurteilt und waren seltener drogenabhängig als jene, die dem Marshmallow vor ihrer Nase damals nicht hatten widerstehen können. Die Ungeduldigen dagegen waren emotional instabiler und schnitten in der Schule schlechter ab – obwohl sie nicht weniger intelligent waren.

GONG: „Geduld ist nicht die Fähigkeit zu warten, sondern die Fähigkeit, sich während des Wartens zu behaupten.“ – Martin Luther King Jr.

In „Die Entdeckung der Geduld – Ausdauer schlägt Talent“, berichtet Matthias Sutter[6] , Wirtschaftsforscher, zwar auch vom Marshmallow-Experiment und seinen Folgen für den einzelnen Menschen – doch sein Interesse gilt den Folgen, die die Forschungserkenntnisse für das Funktionieren einer ganzen Gesellschaft haben.

Er meint: „Geduld heißt: Ich verzichte auf heutigen Konsum, um in der Zukunft mehr davon zu haben. Wir investieren heute in Bildung, damit wir morgen bessere Berufschancen haben, wir sparen heute, damit wir in der Zukunft eine Pension haben, wir investieren heute, damit wir morgen mehr produzieren können.“ Sutter zeigt, wie Menschen, die bereits als Kinder nicht sonderlich geduldig sind und eine Belohnung in der Gegenwart einer in der Zukunft bevorzugen, mit den ganz praktischen Untiefen des Lebens umgehen. So haben die Ungeduldigen später durch eine kürzere Ausbildungszeit nicht nur ein geringeres Einkommen, sie tendieren auch deutlich mehr dazu, kein oder nur sehr wenig Geld zu sparen und stattdessen Schulden anzuhäufen.

All das verursacht nicht nur individuelle Probleme, sondern belastet die Wirtschaft und damit die Funktionsfähigkeit einer ganzen Gesellschaft. Das geht weiter, wenn man die gesundheitlichen Folgen von Ungeduld betrachtet, so der Ökonom. Wie Sutter in eigenen Experimenten zeigen konnte, geben Ungeduldige mit höherer Wahrscheinlichkeit Geld für Zigaretten und Alkohol aus als Geduldige. Auch japanische Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen der Entscheidung zu rauchen und der Ungeduld eines Menschen.

In Regionen mit geduldigen Einwohnern wird deutlich mehr verdient, zeigt auch eine Studie von Ökonom Thomas Dohmen[7].

(Jene, die Belohnungen schnell zu ihrer Verfügung haben wollten, waren häufiger sportlich untätig und hatten einen bedeutsam höheren Body-Mass-Index als die geduldigen Versuchsteilnehmer. Und dieser ist ein möglicher Vorläufer für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – in Europa, USA die Erkrankung, an der die meisten Menschen sterben. Angesichts der erschlagenden Liste von Konsequenzen scheint die Geduld eine geradezu schicksalsbestimmende Eigenschaft im Leben eines Menschen zu sein – nur gut also, wenn man sie hat.)

GONG: „Gib das, was dir wichtig ist, nicht auf, nur weil es nicht einfach ist.“ (Albert Einstein)

„Unsere größte Schwäche liegt im Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg ist immer, es noch einmal zu versuchen.“ (Thomas Alva Edison)

Eine Untersuchung der Psychologin Betty Jo Casey[8] von der Cornell University in New York hatte im Jahr 2011 gezeigt, dass die Kinder der Marshmallow studie mit weniger Geduld bis ins Erwachsenenalter mehr Zeit benötigen, um irrelevante Informationen beiseitezuschieben, und dabei auch mehr Fehler machen.

Walter Mischel konnte zusammen mit seinem Kollegen Marc Berman vom Rotman[9] Research Institute in Toronto erste Indizien für die Vermutung vorlegen, dass Geduld zumindest teilweise genetisch veranlagt ist. Die Forscher fanden heraus, dass sich ein hohes Maß an Selbstkontrolle aus der Gehirnaktivität ablesen lässt. Teilnehmer mit guter Selbstkontrolle nutzen ihre neuronalen Netzwerke effizienter als jene mit geringerer Selbstkontrolle. Das Besondere an der Studie: Bei den Probanden handelte es sich erneut um Teilnehmer der allerersten Marshmallow-Experimente in Stanford.

„Es ist bemerkenswert, dass unsere Versuchsteilnehmer selbst nach 40 Jahren eine so ausgeprägte neuronale Signatur tragen, die möglicherweise einen biologischen Marker für die Fähigkeit zur Selbstkontrolle darstellen könnte“, so die Wissenschaftler.

Niemand schaffe es immer, geduldig zu sein. Aber dass man Geduld trainieren kann, daran glauben die Wissenschaftler. Das sei auch ein Unterschied zum Intelligenzquotienten, den Kritiker gern mit der Fähigkeit zur Selbstkontrolle gleichsetzen. „Den IQ und auch das elterliche Umfeld kann man nicht einfach ändern, das ist ja nun einmal so, aber Geduld ist erlernbar – und kann schlechtere Startbedingungen im Leben kompensieren.“

Dass Menschen ihre eigenen Wege finden, Zeiten der Entbehrungen für einen späteren Erfolg zu überbrücken, kann man bereits bei den Vorschulkindern aus dem Marshmallow-Experiment sehen. Sie alle nutzen zwar die gleichen Methoden wie Erwachsene, nämlich Ablenkung und die Konzentration auf die Belohnung – aber jedes Kind erreicht das auf andere Art und Weise.

(Manche singen oder flechten Zöpfe. Andere stehen vom Tisch auf und reden sich selbst gut zu, und wieder andere verstecken das Marshmallow. Manche stellen sich sogar schlafend. Und einige, die ganz gerissenen, knabbern das Marshmallow an. Ein kleines bisschen nur, von der unteren Seite. Dann stellen sie es zurück auf den Teller. Man muss ja schließlich wissen, worauf man wartet.)

GONG: „Geduld ist die Seele der Weisheit.“ – Immanuel Kant

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kraft der Geduld ein wesentliches Element sowohl der Erleuchtung als auch der persönlichen Entwicklung ist. Geduld ermöglicht es uns, Widerstandsfähigkeit, emotionale Intelligenz und ein tieferes Verständnis für uns selbst und die Welt um uns herum zu entwickeln. Indem wir Geduld als Leitprinzip in unser Leben aufnehmen, können wir ein größeres Selbstbewusstsein, emotionale Widerstandsfähigkeit und innere Stärke kultivieren und letztlich ein erfüllteres und sinnvolleres Leben erreichen und auch unsere Gesellschaft

Liebe Schwestern und Brüder, ich danke Euch für Eure Geduld, für Eure Aufmerksamkeit und freue mich auf Eure Gedanken.

Kettenspruch:

Siehe eine Sanduhr: Da lässt sich nichts durch Rütteln und Schütteln erreichen, du musst geduldig warten, bis der Sand, Körnlein um Körnlein, aus dem einen Trichter in den andern gelaufen ist.[10] Christian Morgenstern

Einzug: Wagner  Tannhäuser – Ouvertüre

Entzünden der Lichter: Arvo Pärt- Spiegel im Spiegel

Zwischenmusik: Erik Satie – Gnossienne No2

Zwischenmusik: The Painted Veil Soundtrack ♪ River Waltz

Zwischenmusik: Ludovico Einaudi – Ascolta

Auszug: Moondog- Bird´s Lament


[1] Kabat-Zinn, J. (2013). Gesund durch Meditation: das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. OW Barth eBook.

[2] Ilona Bürgel; Schokologie: Was wir vom Schokolade-Essen fürs Leben lernen können. Südwest Verlag (23. September 2013) ISBN-10 ‏ : ‎ 3517089524

[3] DeSteno, D., Li, Y., Dickens, L., & Lerner, J. S. (2014). Gratitude: A tool for reducing economic impatience. Psychological science, 25(6), 1262-1267

[4] Mischel, W. (2014). The Marshmallow Test: Mastering self-control.

[5] Mischel, W., & Ebbesen, E. B. (1970). Attention in delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 16 (2), 329.

[6] ‎ Matthias Sutter; ecoWing; 2. Aufl. Edition (22. Juni 2018) ISBN-10 : ‎ 3711000541

[7] T.Dohmen, A. Falk, U. Sunde, B. Enke, D. Huffmann und G. Meyerheim ist als Discussion Paper bei ECONtribute erschienen: https://selten.institute/RePEc/ajk/ajkdps/ECONtribute_035_2020.pdf

[8] www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1108561108; Behavioral and neural correlates of delay of gratification 40 years later

[9] Willpower, over the life span: decomposing self-regulation Soc Cogn Affect Neurosci. 2011 Apr; 6(2): 252–256.Published online 2010 Sep 18. doi: 10.1093/scan/nsq081

[10] Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer; Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1909

Hiram-Keine Biographie

HIRAM – Keine Biographie

Br. Rudi H.

Baustück vom 23.02.6023

Wie der Titel meines Baustücks verrät, geht es heute nicht um die Biographie einer historischen Persönlichkeit, und das hat einen einfachen Grund: Im Alten Testament begegnen uns nämlich zwei Protagonisten mit dem Namen Hiram, die offensichtlich nicht verwandt sind und deren historische Existenz kaum fassbar ist. Da ist zunächst Hiram, der König von Tyros, der als Zeitgenosse König Davids im Buch Samuel erwähnt wird. Für uns wichtiger ist jener Hiram, der ebenso aus Tyros in Phönizien stammte und als Metallhandwerker unter König Salomon für den Bau des Tempels verantwortlich war.

Mehrere Stellen im Alten Testament beziehen sich auf diesen Baumeister und bis heute kommt Hiram und dem Salomonische Tempel, der allerdings in der Römerzeit zerstörte wurde, in der jüdischen Tradition eine zentrale Bedeutung zu. Mit der Ausbreitung des Christentums entstanden ab dem Mittelalter und vermehrt in der Gotik architektonisch aufwändige Sakralbauten. Da es in der Tradition der christlichen Bauhütten keine Persönlichkeit gab, die als Stammvater geeignet gewesen wäre, wurde der Baumeister des Salomonischen Tempels auch zum Ahnherrn der Konstrukteure der gotischen Kathedralen. Unabhängig von den Bibelstellen, die keine Auskunft über Hirams persönliches Schicksal geben, begannen sich zu einem heute nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Legenden um sein Leben und Sterben zu ranken. Hiram als Baumeister des Tempels fand Eingang in mehrere Schriften, die als Regelwerke für die gotischen Bauhütten anzusehen sind. Diese bilden ihrerseits die frühesten Quellen für das Entstehen der spekulativen Freimauerei.

Wenn heute in der Loge von den Alten Pflichten die Rede ist, denken wir an die Konstitutionen des Reverend Anderson aus dem Jahr 1723. In der fm. Forschung wird dieser Begriff weiter gefasst. Es wird damit ein Bestand von ungefähr 130 Dokumenten bezeichnet, deren älteste auf das 14. Jahrhundert zurückgehen und in denen allgemeine Regeln für die Organisation der Dombauhütten festgelegt wurden. Für unser Thema sind diese frühen Quellen interessant, da hier zum ersten Mal der Bau des Salomonischen Tempels mit den Prinzipien der spekulativen Maurerei in Verbindung gebracht wird. In einigen dieser ausschließlich englischsprachigen Quellen wird Hiram namentlich genannt, in anderen wird nur allgemein vom „master of all masters“ gesprochen. Noch verwirrender wird die Angelegenheit wenn wir im Manuskript Harris Nr. 1 (vermutlich vor 1481) lesen, der Baumeister wäre der „Sohn von Hyram, König von Tyros“ gewesen. Abgesehen davon enthält diese Quelle jedoch eine Begriffsdefinition, die für die Entstehung der spekulativen FM wichtig ist. Sie lautet in Übersetzung:

Dabei ist es scheinbar so, dass die Geometrie, die nun Freimaurerei (Free-Masonry) genannt wird, eine Kunst oder Wissenschaft ist, die über allen anderen steht, die auf ihr aufbauen.

Harris setzt also die Begriffe Geometrie und Freimaurerei auf dieselbe Stufe. Da die Geometrie eine der Artes Liberales, also der sieben Freien Künste war, könnte das die Entstehung des Begriffs Freimaurerei erklären. Laut dieser Quelle bildeten die Meister-Maurer eine eigene Berufsgruppe, sie beherrschten die Geometrie und waren für die Entwürfe und nicht für deren Ausführung verantwortlich. Der Weg zur Spekulativen Freimaurer war damit geöffnet.

Seit der Gründung der ersten Großloge im Jahr 1717 ist Hiram als Baumeister des Salomonischen Tempels unverzichtbarer Teil der freimaurerischen Gedankenwelt. Wann die Legende, die sich um sein Sterben rankt, in die Ritualtexte Eingang fand, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. In den 1723 gedruckten Old Charges wird Hiram als Baumeister erwähnt, die Legende teilt uns Anderson jedoch nicht mit. Trotzdem dürfte sie damals bereits Bestandteil von Ritualtexten gewesen sein, da sie in Pritchards „Verräterschrift“ aus dem Jahr 1730 im Meisterritual erzählt wird.

Kurz eingehen möchte ich auf ein erstmals 1764 in London erschienenes Buch mit dem Titel „Hiram: Or The Grand Master-Key to the Door of Both Antient and Modern Free-Masonry“.

Der Druck ist für uns von Interesse, da die darin wiedergegebene Hirams Legende möglicherweise das Vorbild für Schröders und in weiterer Folge für unsere Version bildet. Im Londoner Druck ist die Legende Teil der Belehrung bei der Meistererhebung und die Erzählung weicht nur in einigen wenigen, aber nicht uninteressanten Punkten von unserer ab. So erfolgt der Angriff der drei mörderischen Gesellen nicht mit Hämmern, sondern mit folgenden Werkzeugen: der erste Geselle benützt einen 24-zölligen Maßstab, der zweite verwendet ein Winkelmaß und nur der dritte, letale Schlag wird mit einem „Setting Maul“, einem hölzernen Schlägel, mit dem die Steine positioniert wurden, ausgeführt.

Abweichend ist auch die Reaktion der Gesellen beim Auffinden von Hirams Leiche. Sie heben die Hände und rufen: „O Lord my God!“, was somit zum neuen Meisterwort wird.

Schröder folgt in seiner Version weitgehend diesem englischen Ritual. Manche Textstellen sind eigentlich Übersetzungen, bei den Anweisungen für die handelnden Personen ist Schröders Version jedoch viel ausführlicher. Diese Regieanweisungen weisen Schröder als routinierten Theatermensch aus. Einige dieser Details möchte ich mit euch teilen, und Sr. Susanne wird mich dabei unterstützen.  

Da wäre zunächst die Lage von Hirams Leichnam nach der Ermordung durch die Gesellen. Schröder beschreibt sie folgendermaßen:

Der Erste Aufseher legt ihn so, daß der linke Arm gerade am Leibe herunter und das linke Bein ausgestreckt liegt. Der Zweite Aufseher legt die rechte Hand des zu Erhebenden auf dessen linke Brust, das rechte Bein beugt er so, daß die Sohle auf dem Fußboden steht.

Ausgehend von dieser Position ist es anschließend leichter, Hiram mit den fünf Punkten der Meisterschaft zu heben.

In unserem Ritual fehlt jene Passage, in der es um die Entdeckung der Möder geht und der Schröder als Dramatiker weiten Raum gibt:

Hiram wurde bald vermißt, und Salomo stellte vergebliche Nach­forschungen an, bis die zwölf Gesellen, die den Vorsatz bereut hatten, zum Zeichen ihrer Unschuld mit weißen Schürzen und Handschuhen angetan, vor den König traten und ihm entdeckten, was sie wußten. Salomo schickte sie aus, die drei Mörder zu suchen, welche die Flucht ergriffen hatten. Einer von den Ausgesendeten, der ermüdet an der Seite eines Felsens ruhte, hörte aus einer Kluft Wehklagen:

Oh, dass eher meine Gurgel durchschnitten wäre, ehe ich teil an dem Morde unseres Meisters nahm!

Und wieder vernahm er ein anderes Jammern:

Oh, dass eher mein Herz aus meiner Brust gerissen worden wäre, ehe ich die frevelnde Hand an unseren Meister legte.

Und zum dritten Mal hörte er stöhnen:

Oh, dass man eher meinen Körper in zwei Teile geteilt hätte, ehe ich den teuren Meister erschlug!

Der Geselle holte seine Gefährten; sie stiegen in die Kluft, fanden die Mörder, griffen und schleppten sie vor Salomo. Die Übeltäter bekannten ihre Tat, verlangten den Tod und erhielten ihn durch die selbstgewählten Strafen.

Hierauf sandte Salomo einige Meister aus, um Hirams Körper auf­zusuchen, damit er an heiliger Stätte begraben würde.

Der weitere Verlauf mit den drei Rundgängen um das Grab entspricht unserem Ritual, beim Aufdecken des Tuches finden wir folgende Anweisung:

Der Zweite Schaffner nimmt dem zu Erhebenden rasch das Tuch ab, darauf machen alle Brüder das Erstaunungszeichen und treten dann in das Meister­zeichen.

Schröder erwähnt dieses Erstaunungszeichen auch im anschließenden Katechismus, ohne uns allerdings eine klare Vorstellung von seiner Ausführung zu geben:

Das zweite Zeichen ist das Erstaunungs- oder große Meisterzeichen, welches nur bei Erhebungen gebraucht wird.

Wie vielerlei Zeichen haben die Meister?

Zweierlei: Das Meisterzeichen und das Erstaunungszeichen. Das erste bezieht sich auf die Verpflichtung und das zweite auf die Geschichte.

Für die Erhebung Hirams gibt Schröder folgende Anweisungen:

Meister zum 2. Aufseher:

Mein Bruder! Versuchen Sie Ihre Kraft, den Körper aufzuheben.

Der Zweite Aufseher ergreift den Liegenden bei dem Zeigefinger der rechten Hand, lässt diesen durchschlüpfen und spricht:

Jakin! Die Haut verlässt das Fleisch!
Meister zum 1. Aufseher:

Mein Bruder! Versuchen Sie denn Ihre Kraft!

Der Erste Aufseher fasst den Liegenden bei dem Mittelfinger der rechten Hand, lässt diesen durchschlüpfen und spricht:

Boas! Das Fleisch verlässt das Bein.
Meister:

So will ich es versuchen, ihn durch die fünf Punkte der Meisterschaft zu heben.
Er setzt seinen rechten Fuß gegen den rechten Fuß des Liegenden und stellt Knie gegen Knie. Mit der rechten Hand fasst er dessen rechte Hand über dem Faust­gelenk und zieht ihn zu sich empor, so dass Brust gegen Brust steht. Der Meister legt die linke Hand um die Schulter des Erhobenen und flüstert ihm halblaut in das eine Ohr: Macbenach, und leiser in das andere Ohr: Er lebt im Sohne! Das Wort Macbenach wird dabei von allen Brüdern halblaut nachgesprochen.

Durch das neue Meisterwort und durch die fünf Punkte der Meisterschaft erkläre ich Sie zum Freimaurer-Meister.

Er berührt die Gurgel des Erhobenen mit dem Hammer.

Zur Ehre des Großen Baumeisters aller Welten!

Er berührt die linke Brust des Erhobenen.

Im Namen der Vereinigten Großlogen von Deutschland.

Er berührt die Stirn.

Und kraft meines Amtes als Meister vom Stuhl der Loge …

Alle Brüder vollenden das Meisterzeichen und setzen sich.

Nach der Erhebung folgt eine Belehrung, bei der ebenfalls auf die Symbolik eingegangen wird:

Wie heißt das Paßwort der Meister?

Tubal Kain. Es bezeichnet den Übergang von der zweiten zur dritten Stufe. Viele Logen gebrauchen es bereits im ersten Grade; sie haben deshalb im Meistergrade teils Giblim, teils Cassia angenommen.

Wie klopfen die Meister?

Mit drei langsamen Schlägen, deren letzter verstärkt wird.

Worauf deuten sie hin?

Auf Hirams Todesschläge

Und die drei Meisterschritte?

Auf Geburt, Leben und Tod.

Nach dieser Zusammenfassung einiger Passagen aus Schröders Ritual möchte ich abschließend der Frage nachgehen, warum diese Legende eine so prominente Stellung in unserem Ritual erlangen konnte. Abgesehen von der Dramatik, die der Hirams-Legende zugrunde liegt, enthält sie eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten zur freimaurerischen Symbolik, zu Ritualtexten und zu unseren ethischen und moralischen Zielsetzungen als Nachfolger Hirams. Knapp zusammengefasst und ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich folgende Stichworte nennen:

Hiram ist der Baumeister des wichtigsten Sakralbaus der jüdisch / christlichen Glaubenswelt

Der Ablauf des Baus ist arbeitsteilig organisiert, und basiert auf einem hierarchischen System

            Hiram verfügt über ein Wissen, das ihn an die Spitze dieser Hierarchie stellt

Er hütet ein Geheimnis, das er auch im Tod nicht preisgibt

Fünfzehn Gesellen sind neiderfüllt und wollen aus niederen Beweggründen die hierarchische Struktur gewaltsam überwinden

Zwölf Gesellen schrecken zurück

Drei Gesellen sind zu einem Kapitalverbrechen bereit

Die drei Gesellen laden schwere Schuld auf sich, können durch das Verbrechen jedoch nichts gewinnen

Nach dem Mord versuchen sie zu entkommen, sie werden entdeckt und bestraft

Der Dornenzweig, der Hirams Grab markiert, verwandelt sich in einen grünen Akazienzweig (diese Passage fehlt bei Schröder)

Die Transformation von toter zu belebter Materie, die sich am Zweig vollzieht, wird bei Hirams Erhebung wiederholt

Diese Erhebung ist der dramatische Höhepunkt der Erzählung und bildet die Vollendung des Dritten Grads und somit die höchste Erkenntnisstufe der Johannismaurerei. Der Legende nach befand sich Hirams Köper bei der Auffindung bereits im Zustand der Verwesung. Auf drastische Weise wird im Ritual angedeutet, dass sich die Haut und das Fleisch vom Knochengerüst lösen. Trotzdem kann der Meister durch die fünf Punkte der Meisterschaft Hiram heben. Diese Transformation hat dazu geführt, dass in christlich ausgerichteten Logen die Erhebung Hirams mit der Auferstehung Christi verglichen wurde. Dabei wird jedoch übersehen, dass zwischen den beiden Erzählungen ein wesentlicher Unterschied besteht. Glaubt man der christlichen Lehre, ist Jesus „von den Toten auferweckt“ worden, indem sein Leib in den Himmel aufgefahren ist. Die Jünger Jesu öffneten das Grab und dieses war leer. Im Gegensatz dazu fanden die drei Gesellen den Leib Hirams im Stadium der Verwesung. Es handelte sich somit nicht um eine fleischliche Auferstehung, sondern um eine spirituelle Transformation, bei der der Geselle zum Meister wird. Diese Verwandlung erfolgt in einem  stufenweisen Prozess: Am Beginn unseres Rituals betreten der oder die zu Erhebende den Tempel als Geselle. Danach wird der Geselle in die Rolle Hirams versetzt. Er erleidet symbolisch dessen Tod und wird mit dem Prozess der Verwesung konfrontiert. Erst danach, wenn der Geselle der Vergänglichkeit anheimgefallen ist, erfolgt die „Erhebung“. Durch diese rituelle Transformation wird uns anschaulich vor Augen geführt, dass mit der Aufnahme in den höchsten Grad der Geist Hirams in uns weiterlebt. Und damit schließt sich der Kreis zum eingangs gesagten: In der spekulativen Freimaurerei ist der Meister für die Geometrie, also für den Entwurf des Werks verantwortlich. Im Gegensatz zu den Baumeistern des Salomonischen Tempels verbleiben wir jedoch immer auch im 1. Grad und sind somit weiterhin für die Ausführung verantwortlich. Aus diesem Grund erinnert uns das Schlussritual nach jeder Arbeit:

„So wie hier drinnen durch das Wort, im Leben durch die Tat.“

Aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen mit Geschwistern weiß ich, dass unser Erhebungsritual eine besondere Qualität aufweist dass es etwas auslöst und für viele ein entscheidender Moment in der freimaurerischen Laufbahn ist. Die heutige Diskussion würde ich gerne zum Anlass nehmen, die persönlichen Eindrücke und Erinnerungen an eure Erhebung zurückzuholen und zu reflektieren, wie ihr diesen Moment des Todes empfunden habt.

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Kettenspruch (Schröder)

Was aus dem Staub geboren,

Muß wieder werden Staub;

Der Geist ist nicht verloren,

Nicht der Verwesung Raub.

Er ist ein ew’ger Hauch aus Gott

Und sieget über Zeit und Tod.

Laßt denn die Blätter fallen,

Die Blumen nur verblühn;

Laßt jede Freud’ verhallen,

Die Lust vorüberziehn!

Wir sind und werden ewig sein;

Der Tod ist Sieg und keine Pein.

Welches Glück hätten wir gerne?

Das Thema meines heutigen Baustücks ist eines, das die meisten von uns interessieren dürfte: Flourishing – es beschreibt, wie wir die Art von Glück finden, die wir uns für unser Leben immer schon gewünscht haben.

Dr. Peter Malinowski, ein Professor für Psychologie an der Universität Liverpool hat mit seinem Team viele Untersuchungen zu diesem Thema angestellt und sein Buch Flourishing zeigt meiner Meinung nach einen gangbaren Weg zu einem erfüllten Leben.

Ich möchte mit einem Ausflug in das antike Griechenland.

Als der junge Herkules eines Tages gedankenverloren umherwanderte, traf er auf eine Weggabelung. Der eine Weg führte über saftig grüne, blumenbedeckte Wiesen in eine sich verdunkelnde Ferne. Der andere Weg führte über Geröll und raues Gestein auf einen warm glühenden Sonnenuntergang zu. Während Herkules darüber nachsann, welchen Weg er wählen solle und welche Konsequenzen seine Wahl haben würde, erblickte er in der Ferne zwei junge Frauen, die auf ihn zu eilten. Die eine war in ein schlichtes weißes Gewand gekleidet und erschien sanftmütig, zart und bescheiden. Die andere war von ihrer eigenen Schönheit deutlich angetan und bewunderte selbst ihr Schattenbild mit großer Genugtuung. Gekleidet in kostbaren Gewändern, die ihre üppige Natur verlockend hervortreten ließen, richtete sie sich an Herkules. Mit betörender Stimme versprach sie ihm ein Leben gefüllt mit jeder Art von Genuss und Reichtum, ohne Krieg, Not und Leiden, wenn er ihrem blumenreichen Weg folgen würde. Die bescheidene Schönheit jedoch erklärte ihm, dass Freundschaft und Ehre sowie die Liebe der Götter und der Mitmenschen nur auf ihrem Weg zu erreichen sei, der zwar Mühe und Ausdauer erfordere und nicht ohne Schmerzen sei, aber jenseits von kurzlebigen Freuden zu dauerhafter Erfüllung führen würde.

Von Ihren Feinden wurde die bescheidene Frau Tugend genannt, die selbstverliebte Frau wurde von ihren Feinden Lust genannt. Ihren jeweiligen Freunden sind jedoch beide als Glück bekannt.

Wie wir aus der griechischen Mythologie wissen, wählte Herkules den Weg der Tugend und wurde – nach einigen Verwirrungen, einer Zeit des Wahnsinns und zwölf heldenhaften Taten – in den Olymp, den Kreis griechischer Götter, aufgenommen.Wir Nichtgötter müssen solche schwerwiegenden Entscheidungen auf dem Weg zum Glück „zum Glück“ nicht treffen. Wir können und sollten beide Wege wählen, ein Zusammenspiel der kurzlebigen Freude und dem Streben nach dauerhafter Erfüllung.

Was sind nun aber die Unterschiede zwischen der einen und der anderen Art von Glück? Welche Art von Glück ist dauerhaft? Wie können wir das dauerhafte Glück erreichen? Gibt es eine wissenschaftliche Beschreibung für Glück?

Eine Möglichkeit der Definition von Glück wäre die Unterscheidung in hedonistisches Glück und eudämonisches Glück.

Der durch Aristippos von Kyrene geprägte Begriff Hedonismus lässt sich mit Freude oder Vergnügen übersetzen.

Er vertrat die Anschauung, dass momentane physische Freuden und angenehme Erfahrungen das einzig Gute seien, nach dem man, unabhängig vom Ursprung dieser Eindrücke, streben sollte. Genuss und Vergnügen zu maximieren und Schmerz und Leid zu minimieren sei das vorrangige und einzige Lebensziel. Glück und Wohlbefinden würden dadurch erreicht, dass die Summe aller positiven Empfindungen größer als die der negativen wäre. Wer mit dieser Sichtweise sein Glück erreichen möchte, muss sicherstellen, dass die Lustbilanz positiv ist, also mehr positive Erlebnisse wie köstliches Essen, Spaziergänge in der Natur, sexuelle Freuden und dergleichen als negative Erlebnisse erfahren. Ob man sein Glück auf diese Weise einschätzt und beurteilt, hängt von verschiedenen Faktoren, unter anderem auch genetischen ab und ist somit sehr individuell und nur bedingt zu beeinflussen.

Einkommen und Gesundheit sind beispielsweise für die meisten Menschen, wenn man sie fragt, von großer Bedeutung. Studien haben aber gezeigt, dass zum Beispiel das Einkommen auf das Glücksgefühl hauptsächlich zwischen den Nationen eine Rolle spielt. Bürger reicherer Nationen sind durchschnittlich glücklicher als die ärmerer Länder. Innerhalb eines Landes gilt dies nur bedingt. Ein höheres Einkommen steigert das persönliche Glück nur unwesentlich.

Auch bei der Gesundheit weicht die Einschätzung welchen Einfluss diese auf das Glücklichsein hat von der Wirklichkeit ab. Gesunde Menschen überschätzen üblicherweise, wie sehr eine Krankheit ihr Wohlbefinden beeinträchtigen würde. Das liegt vor allem an unserer Anpassungsfähigkeit an neue Situationen. Menschen die sich als Gesunde als glücklich eingeschätzt haben, tun dies auch wenn sie krank sind.

Der hedonistische Ansatz sieht Glück also im Wesentlichen als angenehme Erfahrungen und Zustände, ohne Einschränkung bezüglich der Ursachen oder des Hintergrundes. Subjektive Beurteilungen der eigenen Erfahrungen erfolgen anhand von Gegensatzpaaren wie angenehm/unangenehm, froh/traurig, gut/schlecht, zufrieden/unzufrieden.

Eudämonisches Glück (auch eudämonisches Wohlbefinden oder eudämonisches Leben genannt) ist ein Konzept aus der griechischen Philosophie, das im Wesentlichen bedeutet, dass das Glück und das Wohlbefinden einer Person davon abhängen, wie gut sie ihre Fähigkeiten und Talente nutzt, um ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen. Der Begriff stammt von Aristoteles und wurde später von anderen Philosophen wie Epikur und Sokrates weiterentwickelt.

Das Konzept des eudämonischen Glücks unterscheidet sich von anderen Auffassungen von Glück dadurch, dass hier wahres Glück nicht durch äußere Faktoren wie Geld, Macht oder Status erreicht wird, sondern durch die persönliche Entfaltung des Menschen und seine sinnvolle Lebensgestaltung.

Ein eudämonisches Leben zu führen erfordert also eine sinnvolle Lebensgestaltung, die sich auf individuelle Fähigkeiten und Talente, persönliche Werte und Überzeugungen sowie auf das Gemeinwohl bezieht.

Dabei geht es nicht nur um persönliche Ziele und Erfolge, sondern auch um die Erfüllung einer höheren Bestimmung und die Verbesserung der Gesellschaft als Ganzes.

Wie vorher schon gesagt, müssen wir uns nicht für den einen oder anderen Weg entscheiden. In unserem täglichen Leben wäre das auch hinderlich und nicht zielführend um glücklich zu sein. Ein völliger Verzicht auf hedonistische Erfüllung passt vielleicht, wenn jemand sein Leben im Kloster verbringen möchte.

Menschen die eher auf das hedonistischen Glücksempfinden ausgerichtet sind, neigen eher dazu, sich als glücklich einzuschätzen, wenn die Hürden zur Erreichung des Ziels eher gering sind und reichlich Belohnung winkt. Steigt die Wahrscheinlichkeit, größeren Schwierigkeiten zu begegnen, neigen sie eher dazu, das Ziel aufzugeben und nach einer leichteren Variante Ausschau zu halten.

Menschen, die dazu neigen, nach eudämonischem Glück zu streben, sehen oft schon die Anstrengung am steinigen Weg zu ihrem Ziel als lohnend und erfolgreich bewältigte Schwierigkeiten lassen sie am Ende in ihrem Glück umso heller strahlen.

Das Streben nach Glück und die Suche nach einem erfüllten – blühenden – Leben verbindet wohl alle Menschen auf dieser Erde. Was jeder darunter versteht mag jedoch verschieden sein.

Wo ein Mensch geboren und aufgewachsen ist, welche Werte in seiner Familie wichtig sind, das prägt ihn. Vieles davon lässt sich nicht beeinflussen, ist wenn man so will, angeboren oder genetisch festgelegt.

Die Abdeckung unserer Grundbedürfnisse nach Schlaf, Nahrung, sozialer Absicherung, Wohnen und einem gewissen Einkommen, das die Befriedigung dieser Bedürfnisse ermöglicht, ist eine Voraussetzung, damit man sich die bewusste Frage nach dem Glück überhaupt stellen kann.

Wie hoch diese Grundbedürfnisse sind, ist wie schon erwähnt sehr individuell – auch aus unserer Sicht sehr bescheiden lebende Menschen erscheinen oft froh und glücklich und auch zuversichtlich unter Umständen, die uns bereits Missbehagen verursachen dürften.

Was ist darüber hinaus noch von Bedeutung, damit wir von einem erblühenden Leben sprechen können? Die positiven Gefühle und Erlebnisse sollten überwiegen. Wenn man es messen kann, wäre ein Verhältnis von 3 zu 1 anzustreben. Das heißt auf jedes negative Gefühl kommen drei positive.

Überlegen wir ob wir die folgenden Feststellungen eher mit ja oder mit nein beantworten:

  • Unser Leben ist von Interesse, Neugier und Einsatz begleitet.
  • Unser Tun, sei es beruflich oder privat, hat Sinn und Bedeutung.
  • Wir haben ein gutes Selbstwertgefühl.
  • Wir blicken optimistisch in die Zukunft.
  • Ein hohes Maß an Resilienz hilft uns, bei schwierigen Situationen wieder schnell auf einen normalen Weg zurück zu kehren.
  • Wir haben gute Beziehungen zu Menschen, die uns wichtig sind und denen wir wichtig sind.

Wenn wir all das positiv beantworten können, gehören wir zu den 10 bis 30 Prozent der Menschen die sich in einem Zustand eines erblühenden Lebens befinden.

Es fällt auf, dass Statistiken über den Glückzustand europäischer Nationen ein Gefälle von Nord nach Süd und von West nach Ost aufweisen.

Erreichen wir diesen Idealzustand sollte er auch dauerhaft bleiben. Aber wie wir aus Erfahrung wissen, verschwindet das Glücksgefühl oft sehr schnell. Die Freude über ein neues Auto hält vielleicht ein paar Wochen oder Monate. Ein schöner Urlaub macht viel Freude und schöne Erinnerungen, aber dauerhaftes Glück ist es nicht. Und selbst völlige Verliebtheit in einen Partner kann, wie wir wissen, recht schnell vergehen. Wir laufen also Gefahr, dem Glück ständig hinterher zu laufen. Immer mit der Vorstellung: „wenn das endlich eintritt, dann bin sicher glücklich …“ Wir sind damit sehr abhängig von äußeren Einflüssen und eigentlich kann diese Art von Glück gar nicht dauerhaft sein, denn es müsste ja ständig alles so passieren, wie wir uns das wünschen und das ist ziemlich unwahrscheinlich.

Wie können wir uns von diesen Erwartungen an bestimmte äußere Einflüsse befreien oder zumindest ihre Auswirkung auf unser Glückgefühl ändern?

Aufblühen oder Verwelken?

Wollen wir unser Leben zum Erblühen bringen sollten wir versuchen beide Arten von Glück in geschickter und ausgeglichener Weise zusammen zu führen. Hedonistisch angenehme, positive Gefühle, fühlen sich nicht nur gut an, sondern sie erweitern auch unsere inneren und äußeren Möglichkeiten. Wir können viele Annehmlichkeiten genießen, die unser Leben erleichtern und können so mehr und mehr Ressourcen aufbauen. Ist dies verbunden mit eudämonischem Interesse an einem bedeutungsvollen Leben, so befinden wir uns in einer Aufwärtsspirale und unser Leben erblüht. Wenn wir noch dazu unterscheiden können welcher Teil unseres Glücks ein vergänglicher und welcher ein dauerhafter ist, so entspannt sich unsere Erwartungshaltung und Enttäuschungen werden weniger.

Wenn unser Leben zum überwiegenden Teil auf angenehme hedonistische Ziele und einen glücksverheißenden Konsumzwang ausgerichtet ist, werden Enttäuschungen und Leiden immer mehr und wir werden immer höhere Dosen benötigen um unser Glück zu erreichen. Es ist vergleichbar mit einem schönen Blumenstrauß, der uns für kurze Zeit große Freude bereit, aber bald verwelkt. Wenn wir an den Dingen hängen, bedeutet ihr Verlust auch das Sinken unseres Glücksgefühls.

Die modernen Medien wissen oft mehr über unser Konsumverhalten und unsere vermeintlichen Konsumwünsche als wir selbst. Ein ständiges Trommelfeuer an Informationen wird auf uns losgelassen und sagt „Kauf mich, dann wirst du glücklich“. Natürlich nicht so direkt, sondern in all den versteckten Botschaften.

Es liegt jedoch an uns, uns von diesen Verlockungen nicht einfangen zu lassen. Wir können als einzelne entscheiden ob wir etwas wirklich brauchen oder mögen oder ob wir es nur wollen, weil gerade dieses Bedürfnis geweckt wurde oder die Stimmung danach ist. Keinesfalls, finde ich, dürfen wir darauf vertrauen oder erwarten, dass andere, die Gesellschaft, die Politik, Konzerne oder wer auch immer eine Verbesserung oder Regelung erwirken. Die Wirtschaft wird mit dem Anregen zu mehr Konsum, mehr Fortschritt, mehr Reichtum für wenige, mehr Ressourcenverbrauch weitermachen und uns weiterhin Glücksversprechen vor die Nase halten.

Tritt das Versprochene nicht ein, sind Ernüchterung und Enttäuschung die Folge. Ent- Täuschung kann aber auch bedeuten, dass sich die Täuschungen oder Missverständnisse, denen wir unterliegen, aufgelöst haben. Er – Nüchterung kann auch bedeuten, dass wir in irgendeiner trunken waren und uns die Realtität auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Offensichtlich liegt der Zugang zu umfassender Erfüllung und Bedeutung in der Art und Weise wie wir die Welt erleben und weniger darin, was wir erleben.

Ein Beispiel: wir fahren am Montag Früh unausgeschlafen bei schlechtem Wetter mit dem Auto in die Arbeit, stehen im Stau und um uns herum befinden sich lauter Wahnsinnige und Sonntagsfahrer, die uns nerven. Am Freitag Nachmittag stehen wir wieder im selben Stau. Wir haben ein erfolgreiches Gespräch mit einem Geschäftspartner geführt, freuen uns und sind guter Dinge. Um uns herum sind andere im selben Stau, möglicherweise dieselben die uns am Montag genervt haben. Wir sehen dies jedoch sehr gelassen und sind von den äußeren Umständen des Staus und den anderen Autofahrer nicht in unserer Wahrnehmung und Stimmung negativ beeinflusst.

Es liegt also an uns, wie wir die Dinge empfinden. Den der Stau und die anderen Autofahrer sind dieselben.

Wie können wir unser Verhalten so beeinflussen, dass wir mehr selbstbestimmt sind und uns weniger von unseren ersten Gefühlsimpulsen leiten lassen?

Gibt es einen Zeitraum zwischen unseren Erlebnissen und unserer eigenen Reaktion darauf und können wir diesen erkennen.

Die Freiheit zu finden, uns auch anders entscheiden zu können, als es unsere impulsive Reaktion wäre. weil wir genügend Abstand zum Kommen und Gehen der Gedanken in unserem Kopf haben, wäre erstrebenswert und bietet uns viele neue sinnvolle und freudvolle Möglichkeiten.

Der Psychologe Viktor E. Frankl drückte es so aus: Zwischen einem Reiz und unserer Reaktion darauf gäbe es immer einen Freiraum, der uns erlaube, eine eigene Wahl zu treffen. Dadurch würden Freiheit und inneres Wachstum ermöglicht. Mit dieser Einstellung überlebte Viktor Frankl die schreckliche Zeit im Konzentrationslager.

Eine Möglichkeit um diesen Freiraum in unserem Denken in unseren Reaktionen zu erkennen ist die Meditation. Meditation kann in einfachster Weise von jedem erlernt und praktiziert werden. Auch unser Innehalten im Saal der verlorenen Schritte vor unseren rituellen Arbeiten ist genaugenommen eine kurze Form der Meditation.

Meditation bringt uns in den Moment. Unsere Gedanken werden uns bewusst und wir üben uns darin, sie gleich wieder loszulassen. Anfangs erscheint es uns vielleicht sogar so, als ob noch mehr Gedanken als je zuvor auftauchen und uns verwirren und beschäftigen. Erst nach einer Weile können wir vielleicht kurz den Zustand der Meditation halten und genießen. Auf diese Weise beruhigen wir den Geist.

Die Vergänglichkeit aller Dinge um uns herum, auch der Menschen, Freundschaften, des Körpers, der Gesundheit wird uns bewusst und wir können dadurch unter Umständen jeden guten Moment umso mehr schätzen.

Peter Malinowski berichtet von einem Projekt, bei dem für Mitarbeiter-Innen an seinem Institut der Universität Liverpool die Möglichkeit angeboten wurde, an einem 4 x 2 Stunden dauernden Kurs in Meditation teilzunehmen. Das gab den Wissenschaftlern die Möglichkeit, die Auswirkungen einer einfachen Meditation zu untersuchen. Rege Teilnahme machte wiederholte Kurse notwendig, viele positive Veränderungen im Alltag der Teilnehmer-Innen konnten beobachtet werden.

Ein Beispiel blieb mir in Erinnerung: die alleinerziehende Mutter zweier Teenager berichtete, ihre Söhne hätten sie eines Tages gefragt: “Mama, was ist mit dir los, du bist auf einmal so cool…“

Ich möchte heute dieses Baustück als Gelegenheit nutzen, um mit Euch für ein paar Minuten eine kleine Meditation auszuprobieren.

Achtsamtkeitsmeditation:

Wir nehmen eine bequeme Sitzhaltung ein, in der wir 5-10 min entspannt und ohne Anstrengung sitzen können. Ein gerader, aber nicht verkrampfter Rücken hilft uns, in der Meditation die Konzentration zu wahren.

Wir können mit offenen oder geschlossenen Augen meditieren. Wenn wir die Augen offen halten, richten wir den Blick etwas weiter nach unten vor uns im Raum. Bevor wir beginnen, spüren wir noch für einen Moment, ob wir tatsächlich entspannt sitzen und lösen Verspannungen in den Schultern, im Nacken und wo wir sie sonst entdecken, so gut es geht.

Danach machen wir 2 tiefe Atemzüge und atmen dann natürlich weiter, ohne den Atem in der einen oder anderen Weise zu manipulieren. Unser Atem achtet gewöhnlich auf sich selbst. Wir lenken nun unsere ganze Aufmerksamkeit auf unsere Atmung. Es gibt nichts zu tun und nichts zu erreichen. Erlauben wir uns, für ein paar Minuten, einfach im augenblicklichen Erleben zu verweilen. Konzentrieren wir uns nur, auf die ein- und ausströmende Luft an unseren Nasenflügeln. Es ist zu erwarten, dass die Gedanken abschweifen, um sich mit anderen Dingen aus Vergangenheit und Zukunft zu beschäftigen. Das ist ganz normal, aber wir brauchen uns im Moment nicht darum zu kümmern. Nach der Meditation werden wir wieder genug Zeit dafür haben. Es geht jetzt einfach darum, ganz unsentimental zu erkennen, wenn unsere Gedanken abschweifen und jedes Mal, ohne weitere innere Diskussion oder Beurteilung zur Erfahrung des Luftstroms an der Nasenspitze zurückzukehren. Versuchen wir, diese Übung für ein paar Minuten durchzuführen……

Ende:

Jetzt nehmen wir wieder 2 bewusste, tiefe Atemzüge und lösen uns langsam aus dem Zustand der Meditation. Bewegen wir unseren Körper sanft und lassen wir die Erfahrung der Meditation ganz einfach ohne Beurteilung.

Es geht darum, diesen Zustand zu praktizieren und nicht, Erwartungen daran zu haben.

Ich möchte euch für eure Aufmerksamkeit danken und wünsche jeder und jedem von euch das Glück eines blühenden Lebens.