1000 Jahre in 1000 Schritten

15.9.2022 Zusammenfassung einer Arbeit unter Freiern Himmel
1000 Jahre in 1000 Schritten
Begonnen hat unser abendlicher Spaziergang beim Denkmal des
Wiener Bürgermeisters Andreas von Liebenberg, der sich während
der zweiten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1683 grosse
Verdienste erwarb, als er den Durchhaltewillen der Wiener Bürger
entscheidend förderte und zu erhalten verstand. Den Erfolg erlebte
er allerdings nicht mehr, 2 Tage vor der entscheidenden Schlacht
starb er. Das Denkmal bezieht sich auf ihn als Sieger über die
Türken.
Weiter führt uns der Weg in Richtung historischer Mölkerbastei,
womit unsere 1 OOOjährige Wanderung beginnt. Die unten liegenden
Quadersteine des Fundamentes gehen möglicherweise sogar auf
die Keltenzeit und später auf die Römer zurück. Ursprünglich
Schattenbastei genannt, erstreckte sie sich entlang der Ringstrasse
als Erdwerk, später vergößert und verstärkt als Ziegelbau. Lehrlinge
waren Zubringer des Materials, Gesellen setzten die Ziegel Stein auf
Stein zu einer Mauer, die Meistern überwachten streng die
Arbeiten. Verschiedentlich durch Kriegseinwirkungen beschädigt,
wurde der größte Teil schließlich im Zuge der Stadterweiterung
1870/ 71 demoliert.
Auf dem Weg hinauf zur Bastei kommen wir am Mahnmal der
„Trümmerfrauen“ vorbei. So wurden jene Frauen bezeichnet, die
nach dem Zweiten Weltkrieg die durch den Krieg angerichteten
Schäden beseitigten,
Angekommen oben auf der Bastei bleiben wir gleich bei Haus
Nummer 10 stehen. Ottilie von Goethe, die Schwiegertochter von
Johann Wolfgang von Goethe lebte fast 30 Jahre vornehmlich in
Wien mit einem großen Wiener Freundeskreis. Goethes Enkelin
Alma, die er über alles liebte, verstarb hier mit nur 17 Jahren und
wurde am Ortsfriedhof von Währing- dem heutigen Schubertparkbeigesetzt.
40 Jahre später wurde ihr Leichnam nach Weimar
überführt, wo sie zu Füßen des Großvaters ruht. Kurz vor ihrem Tod
stand das hübche, junge Mädchen dem Münchner Bildhauer Ludwig
Schwanthaler Modell. Wofür- davon etwas später.
Das Nachbarhaus führt den Namen des Besitzers Pasqualatti,
einem Gönner von Ludwig van Beethoven. Der Künstler lebte mit
Unterbrechungen acht Jahre in diesem Haus, bedeutende Werke
sind dort entstanden wie Symphonien, Klavierkonzerte und die Oper
Eleonore.
Weiter führt unsere Route an hübschen Biedermeierischen
Bürgerhäusern vorbei – ein kurzer Blick auf das sogenannte 3
Mäderlhaus, in dem angeblich die Schwestern Fröhlich gewohnt
haben sollen. Franz Grillparzer und auch Franz Schubert sollen auch
häufig Gäste gewesen sein. Romantische Filme, kitschige Romane
wurden darüber verfasst: alles nicht wahr, wie wir heute wissen!
Und jetzt nach wenigen Schritten sind wir angelangt – auf der
Freyung , dem großen Platz vor dem Schattenstift, das ursprünglich
noch ausserhalb der Stadtmauer gelegan war. Ehe wir uns den
„Schotten“ widmen gilt unser Besuche einem der eindrucksvollsten
Wiener Barockpalästen – dem Palais Kinsky.
Schon beim Betreten wird einem die enorme Ausdehnung des
Baues bewusst und wenn man dann noch das Glück hat und die
riesigen Türen zur Freitreppe pffen sind, kann man die köstlichen
Figuren des genialen Bildhauers Raphael Donner bewundern,
Wir wollen aber weiter hinüber zum Schattenstift. Von Herzog
Heinrich Jasomirgott waren lro-schottische Mönche aus
Regensburg nach Wien berufen worden im Jahr 1155. Er
bestätigte die Schenkungen in einem Stiftsbrief und bestimmte das
Schattenstift zur Begräbnisstätte für sich und seine Familie.
Ausserdem ließ er ein Spital für erkrankte Kreuzfahrer errichten.
Neben der Gewährung des Asylrechtes dachte Herzog Heinrich II.
.auch an das leibliche Wohl der Mönche und ließ ihnen täglich
Speise und Trank aus der Hofküche bringen. Das erregte die
Neugier der Wiener und schnell versuchte man die Deckel von den
Töpfen zu heben. Daher stammt der Wiener Ausdruck
„Häferlgucker“.
Das nachbarlicht Prioritätshaus hat von den Wienern den
Spitznamen Schubladkastenhaus bekommen wegen seiner
Ähnlichkeit mit dem gleichnamigen Möbelstüsk =Kommode mit
Laden.
Im Zentrum des Platzes steht als Blickfang der Austria Brunnen
aus dem Jahr 1844 vom Münchner Bildhauer Schwanthaler
entworfen und in München gegossen. Modell für die Austria soll wie
schon erwähnt, Alma von Goethe gestanden haben. Eine Anekdote
erzählt , dass Schwanthaler die Figuren vor dem Versand in
München mit Tabak und Zigaretten habe füllen lassen, um alles
nach Österreich zu schmuggeln. Als dann alle Teile in Wien
zusammengebaut werden sollten, sei der Meister erkrankt und
verhindert gewesen, die Tabakwaren wieder aus den Statuen zu
nehmen. Anläßlich des Baues der Tiefgarage auf der Freyung wurde
der Brunnen abgebaut. Angeblich hat man dabei echte Tabakkrümel
in einzelnen Teilen der Statuen gefunden – so hat es mir einer der
Archäologen zumindest erzählt.
Wir queren denPlatz und wandern über die Innenhöfe des Palais
Harrach, einem weiteren prunkvollem Beispiel hochbarocker
Palastbauten in das benachbarte Palais Ferstel. Unterschiedlicher
kann Architektur kaum sein: vom Hochbarock des Palais Harrach
in den Romantischen Historismus des Heinrich von Ferstel. Geplant
als Gebäude für die Österreichische – Ungarische Bank, der Börse,
einem Kaffehaus und als absolute Novität eine Passage mit einem
Basar. Einen deutlichen Hinweis gibt auch der Donaunixenbrunnen
im Zentrum. Praktische Erfordernisse verbinden sich meisthaft zu
eine künstlerischen Komposition. Im 2. Weltkrieg schwer bescädigt
und im laufe der Jahre mehrfach verwahrlost wurde das Gebäude
letztlich Generalsaniert, das Cafe Central neu eröffnet. Das Gebäude
befindet sich im Besitz der Stiftung von Karl Wlaschek, der in der
Wiener Innenstadt 11 Palais erworben hatte und ohne Rücksicht
auf die finanziellen Kosten mit großem Aufwand alle hervorragend
sanieren ließ.
Am Cafe Central vorbei stehen wir jetzt in der Herrengasse gleich
vis a vis des Palais Batthanyi, dem späteren Hotel Klomser. Dort hat
sich im Mai 1913 einer der größten Spionageskandale in der
Geschichte der Habsburgermonarchie zugetragen.
Generalstabsoberst Alfred Redl, wegen seiner homosexuellen
Lebensführung schon seit zwölf Jahren vom russischen
Geheimdienst erpresst, wurde entlarvt. Anstatt ihn zu verhaften,
Vernehmungen durchzuführen, entschied man sich für eine
unauffällig Lösung des Fallles. Redl wurde auf seinem Zimmer
gestellt und ihm nahe gelegt, dass ein ehrenvoller Abgang von ihm
erwartete würde. Man übergab dem überführten Verräter einen
Revolverund beendete unrühmlich diesen Skandal„ Dass Russland
sämtliche Aufmarschpläne der österreichisch- ungarischen Armee
kannte, hat sich in der Folge des Ersten Weltkrieges als fatalen
Fehler erwiesen.
Die Herrengasse ist eine wirklich noble Gasse: Als wichtiges Zeugnis
der Österreichischen Geschichte gilt das Niederösterreichische
Landhaus . nicht nur dass seine Baugeschichte bis in das 16.
Jahrhundert reicht war es immer ein Zentrum wichtiger
monarchischer, historischer und politischer Ereignisse. Als Beispiel
sei das Jahr 1848 genannt, hier begann die Märzrevolution, nach
1918 bis 1997 Sitz des niedeösterreichischen Landtages. Heute
dient es als Veranstungszentrum, Kongresse und Feierlichkeiten. In
direkter Nachbarschaft im Palais Mollard findet man das weltweit
einzige öffentliche Globenmuseum mit der faszinierenden Welt der
Erd- und Himmelskunde, historischer Globen und diverser
globenverwandter Instrumente.
Noch sind wir nicht am Ende angelangt, das Palais Wilczek in der
Herrengasse 5 liegt noch vor uns. Es ist eines der ganz wenigen
Adelspaläste in Wien, der sich noch nach fast 200 Jahren im
Eigentum der Grafen Wilczek befindet. Hans Graf Wilczek, aufgeklärt
und liberal denkend wurde zu einem der engsten Vertauten des
unglücklichen Kronprinz Rudolf von Habsburg.
Leider existiert das im Nachbarhaus beheimatete berühmte Cafe
Griensteidll nicht mehr. Im späten 19. Jahrhundert ein berühmtes
Künstlerlokal auch bekannt als „Cafe Größenwahn, wurde es 2017
geschlossen, 2020 eröffnete in den Räumen des ehemaligen
Kaffeehauses eine große Supermarktkette eine Filiale. Dieses
Schicksal wird dem gegenüberliegenden Looshaus aus 1909
sicherlich verwehrt bleiben. Das Gebäude von Wenigen bejubelt von
der Bevölkerung und Stadtregierung geschmäht ist es ein zentraler
Bau der Moderne in Wien. Deutlich markiert es die Abkehr vom
Althergebrachtem, dem Historismus aber auch von dem blumigen
Schmuck der Secessionisten. Als nobler Modesalon und eleganter
Herrenschneider errichtet hatte es mit dem Zusammenbruch der
Monarchie und der folgenden Rezession seine Bedeutung verloren.
Der 1941 geborene Architekt Burkhardt Rukschcio, einer der
bekanntesten Spezalisten für Leben und Werk Adolf Laos‘, erkannte
die Bedeutung des vollkommen heruntergekommenen Baukörpers .
Ihm und den großzügigen Geldgebern ist es zu verdanken, dass der
Bau wieder in den Originalzustand versetzt werden konnte. Heute
bedeutet das Looshaus einen weltweiten Fixpunkt in der
Geschichte der Internationalen Architektur des vergangenen
Jahrhunderts.
Nun wollen wir unsere Zeitreise beenden und wenden uns dabei der
Vder Mitte zu, die auf dem Michaelerplatz so deutlich und
eindrucksvoll zu erleben ist. Die Reste eines römischen LagerDorfes
konnten freigelegt werden, die nicht nur den Familien und
Konkubinen der römischen Legionäre als Lebensraum dienten,
sondern gleichzeitig neben Geschäften und Schenken oft auch
Bordelle aufwiesen. Gleichzeitig verliefen zwei Strassenzüge über
den Kohlmarkt und Michaelerplatz. Hier kreuzte sich die
Bernsteinstrasse als Nord-Süd Verbindung mit der Handelsstrasse ,
der an der Donau entlangführenden Limesstrasse. Ein wichtiger
Verkehrsknotenpunkt in Mitteleuropa!
Vindobona so hiess das Legionslager, das der römische Kaiser
Marc Aurel um das Jahr 180 besucht hatte und vielleicht auch hier
gestorben ist. In der Nachwelt als Philosophenkaiser präsentiert
möchte ich meine Arbeit mit einem Zitat aus seinen
Selbstbetrachtungen beenden:
SCHAUT ZURÜCK AUF DIE VERGANGENHEIT MIT IHREN SICH
VERANOERTEN REICHEN,
DIE AUF- UNO ABFIELEN,
UNO IHR KÖNNT AUCH DIE ZUKUNFT VORHERSEHEN